KI ist kein Selbstläufer: Unternehmen brauchen eine klare Agenda, um Chancen und Risiken strategisch zu nutzen. (Foto: MuM/KI)
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KI mit Plan: Wie deutsche Unternehmen vom Reagieren ins Handeln kommen
Gastkommentar
KI, KI, KI – kein Gespräch, in dem das Stichwort nicht fällt. Aber über die Beschreibung der Chancen und Ängste, die damit verbunden sind, gehen solche Diskussionen selten hinaus. Uns fehlt eine Agenda, um KI dort einzusetzen, wo sie am meisten bringt.
von Falco Weidemeyer
Kein öffentlicher Termin von Unternehmen ohne das Thema Künstliche Intelligenz, keine Abendessenrede, kein Jahresrück- oder -ausblick, keine Konferenz, kein Interview. Klar wird: KI ist keine Managementmode, sondern revolutioniert unsere Art zu arbeiten und zu leben.
In der öffentlichen Diskussion beobachte ich unterschiedliche Grundtöne: Da sind die Optimisten, die eine schöne neue Welt mit KI versprechen. Und da sind natürlich die Pessimisten, für die der totale Kontrollverlust und die Machtübernahme durch Maschinen unmittelbar bevorsteht. Dazwischen höre ich auch die Realisten, die versuchen, KI einzuordnen und mit den Effekten großer technischer Bahnbrüche der Vergangenheit zu vergleichen. Nach deren Meinung wird künstliche Intelligenz zunächst Effizienzvorteile bringen und dann auch neue Geschäftsmodelle ermöglichen, wobei am kurzen Ende Beschäftigung verloren geht, aber am langen Ende mehr als überkompensiert wird.
Bei all dem werden das regulatorische Umfeld, der Zugang zu Kapital und Talenten eine große Rolle spielen und das internationale Machtgefüge beeinflussen, ganz zu schweigen von den großen gesellschaftlichen Implikationen durch KI. Sie kann dazu führen, dass sich die Wettbewerbsnachteile von Unternehmen und Märkten verschärfen und gesellschaftliche Risse gefährlich vertiefen. Unternehmen, die diesen Zug verpassen, werden unweigerlich zurückgelassen – Gruppen in unserer Gesellschaft aber womöglich auch. Beides müssen wir im Blick haben – Wettbewerbsfähigkeit und gesellschaftliche Teilhabe.
Wie gehen Unternehmen damit um? Auf der einen Seite reift die Erkenntnis, dass das weder eine überschätzte noch eine vorübergehende Entwicklung ist, sondern Bestandteil jeder finanziellen, operativen und strategischen Planung sein muss. Wer die Effizienzvorteile durch KI nicht nutzt, wird im Wettbewerb zurückfallen. Wer sich über die mögliche Bedrohung des eigenen Geschäftsmodells durch KI hinwegtäuscht, geht Risiken ein. Auf der anderen Seite stehen nachvollziehbare Bedenken – was ist die richtige Technik für mein Unternehmen? Was sind die richtigen Prioritäten? Wie sehen die Business Cases aus? Wie muss ich die aktuelle geopolitische Lage in meine Planungen einbeziehen, woher kommen die Anbieter? Wo liegen meine Daten? Wie abhängig mache ich mich?
Bei vielen Diskussionen fällt allerdings eines auf – sie sind sehr reaktiv. Es geht häufig darum, wie man den Überblick über die Möglichkeiten behält, Schritt halten kann, sich anpassen muss. Es geht aber weniger darum, was die Unternehmen eigentlich von der künstlichen Intelligenz wollen. Es mag nur eine kleine Veränderung der Perspektive sein, ohne jede Auswirkung auf die unzähmbare technische Entwicklungsdynamik, aber dennoch: Die Perspektive so zu justieren bedeutet eine entscheidende Veränderung.
Kein Unternehmen kann den Anspruch stellen, die Entwicklung der künstlichen Intelligenz derart zu überblicken, dass man auswählen und priorisieren könnte. Der Markt dafür wird uns weiterhin wöchentlich mit erstaunlichen Möglichkeiten überraschen. Das sollte aber nicht der Grund sein, keine selbstbewusste Agenda für KI zu entwickeln, sich klar zu werden, wo Effizienzgewinne am nötigsten sind, wo Kapazitäten für Wertvolleres frei werden sollen, wo das Geschäftsmodell Wachstumschancen durch neue Technologien nutzen soll und wo Bedrohungen bestehen. Im Gegenteil – mit der Ausrichtung auf eine solche Agenda wird es leichter, auszuwählen, zu priorisieren, Business Cases zu formulieren und die nötige geopolitische Vorsicht walten zu lassen. Es steht außer Frage, dass diese Ziele sich ebenso dynamisch weiterentwickeln werden wie das Angebot am Markt. Aber der proaktive, strategische Blick auf die Potenziale muss am Anfang stehen. Ansonsten staunen die Unternehmen mit einer Mischung aus Begeisterung und Beklemmung in das KI-Kaleidoskop, während der Markt schon beginnt, sie zu überholen.
Falco Weidemeyer ist Partner und EY Global Turnaround and Restructuring Leader.
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06.10.2025 | 15:34
