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Koalition diskutiert 50 neue Anti-Mittelstand-Gesetze

Home Office, Frauenquote und Lieferketten: Die Pandemie löst einen Konjunktureinbruch aus, der Anlass sein sollte, die um ihre Firmen und Arbeitnehmer bemühten Mittelständler zu entlasten. Stattdessen überbieten sich Politiker der SPD und mitunter auch der Union mit Vorschlägen für Big Government und noch mehr Bürokratie.

„Von uns Mittelständlern stehen viele wegen Corona einen Schritt vor dem Abgrund – und von der Politik kommt ständig das Signal, wir müssen uns gefälligst noch etwas weiter bewegen.“ So fasst ein Unternehmer die Stimmung zusammen vor dem Hintergrund der Pandemie und einer Flut an neuen Gesetzesplänen mit zusätzlichen ökonomischen Hemmnissen und Bürokratiekosten. Big Government scheint in der Politik von Linksaußen bis weit hinein in die Union nicht nur die kurzfristige Antwort auf die ökonomische Krise zu sein, sondern zum neuen Standard zu werden.

Die Verklärung des Staates als vermeintlicher Krisenlöser fällt dabei zusammen mit dem Versuch, neben den bisherigen Rechtsformen für Unternehmen wie der GmbH eine neue “Gesellschaft in Verantwortungseigentum” zu etablieren. Es geht bei der vor einem Jahr gestarteten und jetzt intensiv diskutierten Initiative um Unternehmer, die sich in gewisser Weise selbst enteignen und die Firma nur noch den Mitarbeitern und dem gesellschaftlichen Gemeinnutz verpflichten. Der Unternehmer “übergibt das Unternehmen sozusagen an eine Art neue Familie und gewährleistet dadurch die Langfristigkeit, wenn man beschließt, dass es nicht verkauft werden kann”, erläuterte Digital-Expertin Verena Pausder im “Morning Briefing” von Gabor Steingart. Michael Hüther vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft ist dabei, außerdem haben sich der Bio-Produzent Alnatura, die Handelskette Globus, die GLS Gemeinschaftsbank und der Kondomhersteller Einhorn der Idee verschrieben. Doch dieser “Kapitalismus ohne Kapitalisten” (Steingart) führt auch zur Entkoppelung des Eigentums von der Haftung.

Was aber, wenn die Politik zur gleichen Zeit die konventionellen Unternehmer von der Entscheidungsbefugnis über ihre Firmen entkoppelt? Jüngstes Beispiel: Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat den Entwurf für einen gesetzlichen Anspruch auf Home Office fertiggestellt. „Dort, wo es möglich ist“, sollen alle Arbeitnehmer das verbriefte Recht auf jährlich mindestens 24 Tage mobiles Arbeiten erhalten. Zwei Tage pro Monat also, in denen sie nicht ins Büro kommen müssen – nicht, weil der Arbeitgeber das für angemessen befindet oder eine entsprechende Vereinbarung zwischen der Geschäftsführung und der Belegschaft getroffen wurde, sondern weil die Politik das so will.  “In dieser konjunkturellen Krise schaden weitere Auflagen und Regulierungen den Mittelständlern enorm”,  warnt Carsten Linnemann, CDU-Fraktionsvize und Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), gegenüber TheEuropean. Auch Friedrich Merz. Bewerber für den CDU-Bundesvorsitz, warnt vor derartigen neuen Vorschriften und Gesetzen, die in die Eigenverantwortung der Unternehmer eingreifen.

CSU und SPD basteln am Lieferkettengesetz

Zumindest Teile der Union sind also skeptisch gegenüber der Gesetzesnovelle, die tief in die Entscheidungsfreiheit privater Unternehmer eingreifen wird. Eine andere Bürde für die Wirtschaft, die aktuell vorbereitet wird, entspring hingegen einem gemeinsamen Vorstoß des CSU-Entwicklungsministers Gerd Müller und von Heil. Die beiden Politiker drängen, mit freundlicher Unterstützung von Außenminister Heiko Maas (SPD) auf ein Lieferkettengesetz, das deutsche Mittelständler für Sicherheit am Arbeitsplatz, soziale Mindeststandards und ökologische Nachhaltigkeit bei allen Arbeitsprozessen im Ausland verantwortlich macht – also nicht nur bei der Endmontage von Gütern, die in Deutschland weiterverarbeitet oder verkauft werden sollen, sondern schon bei der gesamten Zulieferung und Produktion einzelner Teile. Wer in Vietnam oder China Textilien fertigen lässt, muss von Deutschland aus überprüfen, ob die vor Ort verwendeten Reisverschlüsse in entfernten Fabriken nicht von Kinder hergestellt, die Brandschutzverordnung eingehalten und die sozialen Belange der Näherinnen und Näher gewährleistet werden. Für die Unternehmen „heißt das konkret, dass sie menschenrechtliche Risiken in ihren Lieferketten kennen müssen“, sagte Heil im Juli bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Müller. Wie Unternehmen bereits ab 500 Mitarbeitern diese Überprüfung gewährleisten sollen, war den Ministern keine spezifische Erörterung wert. Die Belastung durch das Lieferkettengesetz wird erheblich sein, ist man sich im Mittelstand sicher. In der Konsequenz dürften sich etliche Firmen von ausländischen Produktionsstandorten zurückziehen, mit mutmaßlichen Auswirkungen auch auf deutsche Arbeitsplätze.

Von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) wurde mit dem Verbandssanktionsgesetz (VerSanG) ein weiteres Instrument gegen deutsche Firmen auf den Weg gebracht. Es soll der „Stärkung der Integrität der Wirtschaft“ dienen und eine stark strafrechtliche Prägung erhalten. Deutschland erhält damit erstmals ein Unternehmensstrafrecht. Staatsanwaltschaften wären verpflichtet, bei Straftaten, die von Einzeltätern im Unternehmen begangen wurden, Ermittlungen gegen das Unternehmen insgesamt einzuleiten. Der Firma, aber auch privaten Vereinen drohen dann Strafen zwischen 500 Euro und 10 Millionen Euro. Etliche Verbände haben lautstark gewarnt. Dennoch wurde Mitte Juni der Regierungsentwurf von der Bundesregierung beschlossen.

50 weitere bürokratische Erschwernisse für Mittelständler

Diese drei Gesetze sind nur die prominentesten Beispiele. Im Unions-Wirtschaftsflügel kursiert eine Liste mit rund 50 weiteren bürokratischen und ordnungspolitischen Erschwernissen. So sieht schon der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD eine Einschränkung sachgrundloser Befristungen bei Arbeitsverträgen vor. Betriebe mit über 75 Beschäftigten dürfen dann nur noch 2,5 Prozent ihrer Anstellungsverträge befristen. Werden Arbeitnehmer davon profitieren? In Zeiten ohnehin hoher Arbeitslosigkeit dürfte sich eine solche Maßnahme ausgesprochen negativ auf Neuanstellungen auswirken.

In der Fleischwirtschaft werden Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassungen durch Subunternehmen verboten. Ausgelöst durch mangelhafte Hygiene-Standards in der Branche („Tönnies-Skandal“), ist es zwar verständlich, dass der Gesetzgeber reagiert. Aber hier wird für einen großen Teil der Lebensmittelbranche eine neue Erschwernis angestrebt, die mit zusätzlicher Bürokratie („Verpflichtung zur digitalen Arbeitszeiterfassung“) einhergeht. Die Ausweitung auf andere Branchen nach einer gewissen Schamfrist ist durchaus wahrscheinlich.

Rücknahmepflicht für Elektrogeräte

Die Liste lässt sich fortsetzen:

Im Umweltministerium von Svenja Schulze (SPD) wird an einem Gesetz gebastelt, das die Pflicht von Einzelhändlern, Elektrogeräte zurückzunehmen, deutlich ausweitet. Die Folge: Deutlich mehr Stauraum ist in den Geschäften nötig. Der Raum zur Ausstellung von Verkaufsware schrumpft hingegen. Und die Bürokratie wächst.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ein Messkonzept für Drittstrommengen auf den Weg bringen. Auch hier wird es auf viele neue Formulare hinauslaufen, aber kaum auf eine Reduzierung des Energieverbrauchs.

Bundesfrauenministerin Franziska Giffey (SPD) will in den kommenden Wochen eine Gesetzesnovelle zur Durchsetzung von Frauenquoten in Unternehmensgremien anschieben. Gegen Firmen, die keine Zielgröße für den Frauenanteil im Vorstand, im Aufsichtsrat oder in anderen Führungsgremien angeben, sollen Sanktionen verhängt werden können, und zwar Geldbußen in einer „empfindlichen Größenordnung“ (Giffey).

Jedes Ziel dieser und anderer Gesetzesinitiativen mag löblich sein. Aber Unternehmen auf sie zu verpflichten, ist eine Abkehr von den bereits massiv eingeschränkten Freiheiten, die in der sozialen Marktwirtschaft den Unternehmern bislang belassen wurden. Und dies in Zeiten, in denen die Firmen ohnehin hart ums Überleben und die Jobs ihrer Arbeitnehmer kämpfen müssen. Zum Home-Office-Vorstoß von Minister Heil, der aus Sicht der Links-Partei noch längst nicht weit genug geht, höhnt das Satire-Portal Pardon bereits, als nächstes müssten die Arbeitgeber den künftig auch gegen den Willen der Vorgesetzten vermehrt von daheim arbeitenden Angestellten im Eigenheim auch Kaffee, Kantinen-ähnliche Versorgung und einen Aufzug im Haus zur Verfügung stellen müssten. Das ist übertrieben. Aber im politischen Berlin werden bereits Wetten abgeschlossen, wie rasch Heil seine Pläne wohl durchsetzen werde. Denn so richtig nervös scheinen auch in der CDU oder der oppositionellen FDP nur wenige zu sein, während die Bundesregierung die Segel Richtung noch mehr Staat setzt.

Ansgar Graw

06.10.2020 | 09:21

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