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Keine Soldaten in Sicht: Lambrecht muss Personalplanung der Bundeswehr nach unten korrigieren

Während Politiker landauf, landab die Verteidigung europäischer Werte in der Ukraine beschwören, finden sich für den Dienst an der Waffe nicht genügend Menschen. Jetzt muss Verteidigungsministerin Christine Lambrecht einräumen, dass die bisherige Personalplanung der Bundeswehr Makulatur ist.

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht steht das nächste Problem ins Haus. Und diesmal ist die Lage besonders heikel, denn es geht nicht um Material, sondern um Menschen: Das Ministerium muss seine Personalplanung deutlich nach unten korrigieren. Das ursprünglich angepeilte Ziel von 203 000 Soldatinnen und Soldaten, die im Jahr 2025 zur Verfügung stehen sollen, muss nach unten korrigiert werden. Es war noch unter Lambrechts Vorvorgängerin Ursula von der Leyen ausgearbeitet worden, die Ministerin hat es inzwischen stillschweigend einkassiert. „Unser strategisches Ziel lautet aktuell bis zum Jahr 2031 auf rund 203.000 Soldatinnen und Soldaten aufzuwachsen“, bestätigte eine Sprecherin des Ministeriums. Mit Blick auf das bisher formulierte Ziel bestehe „Korrekturbedarf“.

Von der Leyen hatte 2016 die „Trendwende Personal“ ausgerufen. Zuvor hatte die Bundeswehr ein Vierteljahrhundert lang Personal abgebaut. Dies war dem scheinbaren Ende des Ost-West-Konflikts und der Integration der Nationalen Volksarmee in die Bundeswehr geschuldet. Dazu kam die Aussetzung der Wehrpflicht 2011. Darauf folgte ein Umbau der Bundeswehr zur Freiwilligenarmee. Während zur Wendezeit Ende der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts noch eine halbe Million Soldatinnen und Soldaten in Deutschland dienten, waren es im Sommer 2016 noch 166.500 Zeit- und Berufssoldaten in den Streitkräften. Damit war der historische Tiefpunkt im militärischen Personalbestand erreicht. Mit dem Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr von 2016 sollte die Abkehr von der jahrzehntelangen personalpolitischen Schrumpfkur eingeleitet werden. Seitdem sollte die Truppe wieder wachsen, was zunächst auch gelang. 2019 waren laut Bundeswehr internen Zahlen 182 000 Soldatinnen und Soldaten beschäftigt. Seither stockt die Personalgewinnung allerdings. Für den November 2022 gibt die Bundeswehr eine Zahl von 183 000 Beschäftigten an. Das Ziel von mehr als 200 000 Einsatzkräften im übernächsten Jahr ist damit unrealistisch.

Im Ministerium ist von einer „großen Herausforderung“ die Rede. Die Bundeswehr gewinne militärisches wie auch ziviles Personal auf dem allgemeinen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt, sagt Lambrechts Sprecherin. „Dabei steht die Bundeswehr gemeinsam mit allen anderen Arbeitgebern vor einer zunehmend schwierigeren Aufgabe“, räumt sie ein und verweist auf die demographische Entwicklung. Resultat sei „ein sich über alle Bereiche unserer Gesellschaft auswirkender Personalmangel, insbesondere bei Fachkräften. Diese Entwicklung spiegelt sich schon jetzt in den Bewerbungen für einen Dienst in der Bundeswehr.“

Angesichts des Krieges in der Ukraine ist diese Entwicklung allerdings besonders heikel. Die Bundeswehr selbst formuliert in ihrer Personalstrategie, dass sie „schnell und flexibel auf Veränderungen im sicherheitspolitischen Umfeld reagieren“ wolle. Dies kann in einer Zeit, in der die Bedrohungslage massiv gewachsen ist, eigentlich nur bedeuten, dass mehr Soldatinnen und Soldaten gewonnen werden müssen, als geplant. Tatsächlich aber passiert das Gegenteil.

Die Schwierigkeiten, Kandidaten für die Bundewehr zu gewinnen, sind auch ein Warnsignal für all jene Politiker von links bis rechts, die angesichts des Überfalls von Russland auf die Ukraine zu einer „Verteidigung der europäischen Werte“ an dieser Front aufrufen. Trotz der Kriegsrhetorik finden sich offenbar nur wenige junge Menschen bereit, dieser Vorstellung auch zu folgen. Erst in der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass sich auch die Zahl der Kriegsdienstverweigerer in Deutschland auf knapp 1000 verfünffacht hat. Seit der Aussetzung der Wehrpflicht können Menschen, die im Verteidigungsfall nicht eingezogen werden wollen, den Kriegsdienst vorsorglich verweigern. Die Zahl der entsprechenden Anträge bei den Kreiswehrersatzämtern ist seit Ausbruch des Krieges in die Höhe geschnellt.

Oliver Stock

11.01.2023 | 11:46

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