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Lauterbach gerät in Erklärungsnot

Das Gesundheitsministerium wusste offenbar rechtzeitig von der RKI-Entscheidung über einen verkürzten Genesenenstatus. Was allerdings niemand weiß: Wieviel Johnson & Johnson-Patienten haben sich zum zweiten Mal impfen lassen? Ohne diese Zahl ist es nicht möglich, die entscheidende Quote vollständig Geimpfter in Deutschland noch genau zu bestimmen.

Karl Lauterbach (SPD) muss sich den Vorwurf gefallen lassen, seine Hausaufgaben als Gesundheitsminister an einer entscheidenden Stelle nur mangelhaft erledigt zu haben. Es geht um die vermeintlich plötzliche Veränderung des sogenannten Genesenenstatus in der Corona-Pandemie. Bis Mitte Januar galt: Wer Corona überstanden hatte, wurde sechs Monate lang wie jemand behandelt, der eine Impfung bekommen hat. Scheinbar über Nacht war diese Frist durch das Robert-Koch- und das Paul Ehrlich-Institut auf drei Monate halbiert worden, was für Erstaunen, Verunsicherung und teilweise Empörung gesorgt hatte. So verloren plötzlich unzählige Bürger ihr Recht, in Restaurants, Bars oder in Fitnessstudios zu gehen.

Selbst der eigenen Partei war das Pandemie-Management zu abrupt. Aus dem Fraktionsvorstand der SPD hieß es, dass solche Entscheidungen in Zukunft besser kommuniziert werden müssten. Ähnliche äußerten sich die Ministerpräsidenten. Der in Bedrängnis geratene Minister erklärte darauf hin, von der Entscheidung des RKI und des Paul Ehrlich-Instituts über eine unmittelbar bevorstehende Verkürzung des Genesenenstatus nichts gewusst zu haben. Vier Wochen später entzog Lauterbach den Instituten sogar die Befugnis, über solche Themen zu entscheiden.

Vor diesem Hintergrund ist die Antwort der Bundesregierung auf eine offizielle Anfrage der Union brisant. Die Oppositionsparteien CDU und CSU hatten nach der wissenschaftlichen Begründung für die Verkürzung gefragt und wollten auch erfahren, wie es passieren konnte, dass Lauterbach über so weitreichende Änderungen in der Pandemiepolitik nicht ausreichend informiert war.  Die Antwort kommt etwas verklausuliert am Ende eines mehrseitigen Papiers daher:  Das RKI habe „in der 2. Kalenderwoche 2022 dem Bundesgesundheitsministerium Vorschläge zur potenziellen Verkürzung des COVID-19-Genesenenstatus im Zusammenhang mit der Umsetzung der Beschlüsse des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 7. Januar 2022, vorgelegt. Diese Vorschläge waren eingebettet in den Themenkomplex der Ausnahmen von den Quarantäneregeln für Personen mit Auffrischimpfung.“ Die zweite Kalenderwoche reichte vom 10. bis 16. Januar. Wann genau das Ministerium informiert wurde, bleibt in dieser Antwort unklar. Dass es allerdings informiert wurde und nicht durch einen plötzlichen Hinweis auf der Website des RKI überrascht wurde wie Millionen Deutsche auch, geht jetzt aus der Antwort hervor. Offenbar wusste nur Lauterbach nicht, was sich da so plötzlich anbahnte.

Noch eine zweite Antwort der Regierung auf die Anfrage der Opposition ist interessant. Es geht um den Impfstoff von Johnson & Johnson und die Tatsache, dass Menschen mit dieser Impfung, doch nicht wie vollständig Geimpfte behandelt werden, wenn sie keine zweite Impfung vorweisen können. Vor dieser Entscheidung hatte bei Jonson & Johnson-Geimpften eine Dosis gereicht, um sie als vollständig Geimpfte zu behandeln. Jetzt kommt heraus: Die Behörden wissen, dass nach ihren Daten rund 3,6 Millionen Menschen mit Johnson & Johnson geimpft sind. Sie haben aber keine Ahnung, wie viele davon eine zweite Impfung erhalten haben. Dieses Unwissen sorgt dafür, dass sich eine Ermittlung der alles entscheidenden Quote vollständig Geimpfter in Deutschland nicht mehr seriös durchführen lässt.  

Das Vertrauen in Lauterbach als Gesundheitsminister ist damit angekratzt. Sie sieht es jedenfalls die Union. „Massive Wissenslücken“ bei der Bundesregierung erkennt deren gesundheitspolitischer Sprecher Tino Sorge. Lauterbach wisse entweder nicht, wie seine Gesetze wirken, oder er habe sein Ministerium nicht im Griff. „Beides wäre fatal.“

Der Minister, ursprünglich der Star im Kabinett von Kanzler Olaf Scholz ist damit angezählt. Überraschungen, wie einst unter CDU-Vorgänger Jens Spahn, so dachten viele, würde es unter Lauterbach nicht mehr geben. Nun aber wird sichtbar: In der ständig wechselnden Corona-Lage hat auch Experte Lauterbach nicht ständig alles im Griff.

Oliver Stock

17.02.2022 | 16:00

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