(Bild: WMG)



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Macher der Woche: Adrian Blaschke

„Das Geld ist bei mir besser aufgehoben als bei VW“, sagt sich der Mittelständler, der sich mit dem Autokonzern angelegt hat. Nach jahrelangem Streit griff er jetzt zur Selbsthilfe, brachte seine Schummeldiesel vors Werktor nach Wolfsburg und holte sich seine Entschädigung. Das Recht war dabei auf seiner Seite.

 Jeder hat das Recht auf 15 Minuten Ruhm im Leben. Adrian Blaschke hat sie sich diese Woche verdient. Spaß hat es ihm nicht gemacht, aber es musste sein. Blaschke ist ein stämmiger Mann mit einem freundlichen Lachen, der gerne erzählt. Er ist eigentlich Rettungssanitäter und heuerte in dieser Funktion im Jahr 2006 bei dem kleinen westfälischen Krankenfahrdienst Sanitrans an. Drei Jahre später, da war er gerade 30, übernahm er den Laden. Heute arbeiten rund 30 Angestellte bei Sanitrans, das Geschäft floriert. „Kranke gibt es immer“, sagt Mittelständler Blaschke.

Früher ausschließlich VW gefahren

14 Kleintransporter zählt die Firma, früher waren das ausschließlich VW’s. Und damit begann der Ärger. Blaschkes VW’s zählten zu den sogenannten Schummeldieseln, was freundlich umschreibt, dass Volkswagen in betrügerischer Absicht Motoren entwickelte, die sämtliche Abgaswerte nicht einhielten, was aber bei Tests dank einer Betrugssoftware nicht auffiel. Als Blaschke merkte, dass seine Autos zu den manipulierten Modellen zählten und inzwischen sogar Dieselfahrverbote drohten, schrieb er einen Brief an die VW-Zentrale. Zurückkam lange nichts und dann ein Standardbrief mit Textbausteinen, der damit endete, dass seine Ansprüche verjährt seien.

An dieser Stelle geschah etwa mit Blaschke. Er legte sozusagen den Geländegang ein. „Wenn man mich wie einen Kaufmann behandelt hätte, wäre die Kuh vom Eis. Aber nein: Man muss erst draufhauen“, sagt Blaschke und zog vors Landgericht Münster. Er klagte gegen den Autoriesen – und bekam Recht.
Drei seiner VWs, die Caddys mit dem Betrugsmotor EA189, sollte VW zurücknehmen und unter Berücksichtigung der Fahrleistung und inklusive Zinsen 35.000 Euro zahlen. Gegen das Urteil gingen beide Parteien in Berufung – Blaschke, weil er nun richtig sauer war und mehr Geld verlangte. Das Landgericht war von einer Motor-Lebensdauer von 300.000 Kilometern ausgegangen, Blaschke hält aber für seine Firmenfahrzeuge 400.000 Kilometer für realistisch. VW, weil sie nicht mehr als 15 000 Euro zahlen und außerdem Blaschke ein Schweigegelübde verordnen wollten: Jedes Mal, wenn er über den Fall geredet hätte, hätte er 5000 Euro Strafe zahlen müssen, was nicht Blaschkes Naturell entspricht. Das Oberlandesgericht lässt sich seither Zeit mit der Entscheidung. Blaschke aber nicht.

Kühler Empfang in Wolfsburg

Er wartete immerhin ein knappes Jahr. Als die Autos diesen Montag noch immer auf seinem Hof standen, abgemeldet und abholbereit, als noch immer kein Geld auf seinem Konto war, ging er zur Bank, holte sich dort eine Bürgschaft über 40 000 Euro. Er hatte schließlich Zeit gehabt, das Urteil zu studieren und festgestellt, dass er gegen Hinterlegung einer Sicherheitsleistung sein Geld zwangsweise eintreiben könnte. „Und da ich glaube, dass Geld auf meinem Konto besser aufgehoben ist als bei VW, habe ich das getan.“ Blaschkes Anwalt Tolgay Eyrice erklärt den juristischen Sachverhalt: „Das Urteil ist gegen die Hinterlegung einer Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Deshalb hat mein Mandant beim Amtsgericht Wolfsburg eine Bankbürgschaft hinterlegt, die an VW geht, sollte das Unternehmen in der nächsten Instanz gewinnen.“
Blaschke sagte außerdem den Jungs in seiner Firma Bescheid, drei von ihnen sollten ihn begleiten. Dann meldete er die Caddys wieder an und am Dienstag ging es mit vier Autos und einem Rechtsanwalt an Bord die 250 Kilometer nach Wolfsburg. Blaschke wollte seine Schummeldiesel persönlich loswerden.

Es war gegen 11 Uhr, als die kleine Kolonne an der VW-Zentrale in Wolfsburg eintraf. Dort wollte man den Skandal zum Skandälchen machen und lotste Blaschke zu einem etwas abgelegeneren Parkplatz. Ein eisern lächelnder VW-Servicemitarbeiter bestätigte den Empfang der Autos. Blaschke überreichte außerdem den Nachweis der Bankbürgschaft verbunden mit einer Frist: Falls VW nicht bis Mitte Januar bezahlt, werde er die VW-Konten pfänden. Dazu wird es wahrscheinlich nicht kommen. Ein VW-Sprecher ließ sich jedenfalls mit den erstaunten Worten zitieren: „Dass jemand ein erstinstanzliches Urteil vorläufig vollstrecken will, ist äußerst selten.“ Die Forderung ist noch nicht bezahlt, aber die Bürgschaft wurde ja auch erst am Montag hinterlegt.
Blaschke ist nun wieder zurück in Westfalen. Er hat noch ein paar wenige VW’s auf dem Hof, die auch im Verdacht stehen, nicht sauber zu sein. Den Großteil des Fuhrparks aber hat er ausgetauscht. Er schwört inzwischen auf Mercedes.            

oli

11.12.2020 | 09:36

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