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Macher der Woche: Andreas Schell

Der Mann an der Turbine: Der neue EnBW-Chef muss den Konzern unabhängiger von russischen Energielieferungen machen.

Vom Großmotoren-Hersteller an die Spitze eines Energieversorgers? Andreas Schell hat sich genau zu diesem Sprung entschlossen. Der 52-jährige löst den langjährigen Vorstandsvorsitzenden Frank Mastiaux im September ab. Schell kommt vom Bodensee, wo er seit 2017 Rolls-Royce Power Systems führt. Unter der Marke MTU fertigt das Unternehmen mit 9000 Beschäftigten Antriebe für Schiffe, Energieerzeugung, militärische Fahrzeuge sowie für die Öl- und Gasindustrie. Der in Herborn geborene Vater zweier Söhne steigt nun bei 24.000 EnBW-Beschäftigten ein und stößt mit einem Umsatz von 32 Milliarden Euro in eine höhere Liga auf.

Aufsteiger in die Spitzenliga

Es mag auf den ersten Blick erstaunen, dass jemand mit Schells MTU-Hintergrund ausgerecht an die Spitze der EnBW berufen wird. Immerhin befindet sich der drittgrößte deutsche Energieversorger mitten in einem umfangreichen Transformationsprozess, der den Konzern möglichst weit weg von Öl, Kohle und Gas führen soll. Unter der Führung von Mastiaux wurde in den vergangenen zehn Jahren bereits der Ausstieg von der Kernenergie umgesetzt. Mit dem Block 2 in Neckarwestheim geht Ende des Jahres voraussichtlich die letzte Anlage vom Netz – es sei denn die derzeitige Energiekrise führt zum Umdenken. Dass der Atomausstieg betriebswirtschaftlich gelungen ist und die EnBW gleichzeitig weiterentwickelt wurde, gilt als Verdienst von Mastiaux.

An den Alternativen für die Energieversorgung arbeiten die Spezialisten von MTU. Das macht deutlicher, warum die Wahl auf Schell gefallen ist. Denn unter dessen Führung werden am Bodensee beispielsweise Anlagen zur nachhaltigen Energie-Erzeugung und Stromspeicherung entwickelt und verkauft. Zusammen mit Daimler treibt Rolls-Royce Power Systems die Brennstoffzelle-Technologie voran. Dabei arbeitet Schell mit einem alten Arbeitgeber zusammen. Für Daimler-Chrysler war der Ingenieur in den 2000er Jahren tätig und sollte helfen den US-Teil des Konzerns zu modernisieren. Nach der Insolvenz von Chrysler wechselte Schell zum amerikanischen Luftfahrtkonzern UTC und war dort für die Digitalstrategie verantwortlich.  

Der begeisterte Triathlet muss bei der EnBW allerdings besondere Sprintqualitäten beweisen. Denn der Transformationsprozess der EnBW hat durch den Krieg in der Ukraine zusätzlich an Dramatik gewonnen. Der Versorger muss nun schnell Alternativen zu Kohle und Gas aus Russland finden und den Ausbau der Anlagen mit regenerativen Energien noch kraftvoller vorantreiben. Ende März hat der Konzern mitgeteilt, dass er sich am künftigen Flüssiggas-Terminal in Stade beteiligt. Von dort will man ab 2026 mindestens drei Milliarden Kubikmeter Gas beziehen. Die EnBW liefert nicht nur Strom, sondern ist auch der größte deutsche Gasversorger.

Investition in Nachhaltigkeit

Bis Ende 2025 will der Konzern die Hälfte der Produktion aus nachhaltigen Ressourcen bewältigen und dafür vier Milliarden Euro investieren. Insgesamt will die EnBW bis Mitte der Dekade zwölf Milliarden Euro in den weiteren Umbau des Unternehmens stecken. Dabei will man auch die Wasserstoff-Technologien im Unternehmen vorantreiben. Sie sind nicht nur die Grundlage für die Brennstoffzellen, die beispielsweise bei MTU entwickelt werden. Wasserstoff soll eines Tages auch Erdgas als Brennstoff ersetzen.

Das ist viel Geld, reicht aber bei weitem nicht, um auch die Stromnetze für den zusätzlichen Bedarf – beispielsweise durch die E-Mobilität – stemmen zu können. Darum will der Konzern die Hälfte der Anteile an der Tochter Transnet BW an einen Investor verkaufen und so mit einem starken Partner den Ausbau vorantreiben. Auf rund zehn Milliarden Euro wird der Investitionsbedarf der Netz-Tochter geschätzt.
Neuland wird Schell im Umgang mit den Anteilseignern der EnBW betreten. Der Konzern wird vom Land und den in der OEW zusammengeschlossenen Landkreisen Alb-Donau, Biberach, Bodensee, Freudenstadt, Ravensburg, Reutlingen, Rottweil, Sigmaringen und Zollernalb beherrscht. Im Aufsichtsrat spielen politische Interessen genauso eine wichtige Rolle wie die Wirtschaftlichen. Wenn es in die jeweilige politische Landschaft passt, dringen gerne mal Interna nicht so ganz zufällig an die Öffentlichkeit. So sollte eigentlich der Name Schell auch erst etwas später bekannt werden.

Andreas Kempf

08.04.2022 | 11:30

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