(Bild: SIXT SE)



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Macher der Woche: Erich Sixt

Lufthansa am Boden und TUI muss zu Hause bleiben – während Reiseanbieter um ihre Existenz kämpfen, hat Erich Sixt seinen Autovermieter auch 2020 noch in den schwarzen Zahlen gehalten. Der Verkauf des Leasinggeschäfts und der Einstieg ins Auto-Abo-Modell, haben zum Wunder von Pullach beigetragen. Jetzt kündigt der Patriarch seinen Rückzug an.

In der Branche ist die Rede vom „Wunder von Pullach“. Gemeint ist damit jener Vorort von München, in dem der Autovermieter Sixt sein Hauptquartier aufgeschlagen hat. Sixt – das Unternehmen ließ sich im vergangenen Sommer in einem Atemzug nennen mit Mobilitäts- und Reiseanbietern wie TUI und Lufthansa, oder mit dem direkten Wettbewerber Hertz. Letzterer ist pleite, die Lufthansa ist der größte Rettungsfall Deutschlands, und Tui hat die zweifelhafte Ehre in der Liste der vorerst Geretteten kurz dahinter zu stehen. Auch Sixt musste sich im vergangenen Jahr eine Kreditlinie der staatlichen KfW sichern.

Kein Verlust zum Abtritt

Doch jetzt das: Erich Sixt, 76jähriger Firmenpatriarch stellt sich vor Analysten und Aktionäre und sagt: „Ich möchte nicht nach 50 Jahren abtreten und im letzten Jahr noch einen Verlust verzeichnen.“ Er habe sich „diesen Makel“ auf seine alten Tage erspart und übergebe im Juni ein Unternehmen, das schwarze Zahlen schreibt, an seine beiden Söhne Alexander (41) und Konstantin (38): Zwei Millionen Euro nach Steuern lautet der Gewinn aus dem vergangenen Jahr. Noch wichtiger für den stolzen Patriarchen: Die KfW-Kreditlinie wurde unbenutzt zurückgegeben und durch das Geld privater Investoren abgelöst.

Wie konnte das Wunder geschehen? Wer die Söhne Alexander und Konstantin Sixt in der Phase des ersten Lockdowns in Pullach traf, erlebte bereits zwei Krisenmanager unter Notstrom. Gleich rechts im orange leuchtenden Foyer der Sixt-Zentrale hängt ein Bildschirm. Er flackert immer dann, wenn irgendwo im weltweiten Reich des Autovermieters ein Wagen verliehen wird. In normalen Zeiten projiziert der Bildschirm ein Stakkato an Lichtblitzen. Ende Märe 2020 war es nur noch ein ganz schwach wahrnehmbares Pulsieren. „Guck, das Herz schlägt noch“, habe er zu seinem jüngeren Bruder gesagt, als sie abends den Firmensitz verließen, berichtet Alexander Sixt. Reisebeschränkungen und Lockdowns hatten das Geschäft und den Konzernumsatz von 2,5 auf 1,5 Milliarden Euro einbrechen lassen. Das Unternehmen taumelte, Familie Sixt reagierte: Sie verkleinerte die Autoflotte um ein Viertel, strich 1200 Stellen, schickte Mitarbeiter in Kurzarbeit, konnte aber am Ende nicht verhindern, dass das Konzernergebnis vor Steuern mit minus 81,5 Millionen Euro in die roten Zahlen rutschte.

Das Wunder geschah an anderer Stelle. Vater und Söhne vollführten ein Manöver aus Vollbremsung und Vollgas gleichzeitig. Sie verkauften ihre Anteile an der börsennotierten Tochter Sixt Leasing. Ihre knapp 42 Prozent erwarb die Hyundai Capital Bank Europe. Sixt erlöste rund 156 Millionen und konnte unterm Strich einen Gewinn von mehr als 40 Millionen Euro verbuchen. Auch vom traditionellen Carsharing unter der Marke Drive Now hat sich Sixt  getrennt und stattdessen – und das gehört schon zum Vollgas-Teil des Manövers - die Mobilitätsplattform One gegründet. Sie bündelt Autovermietung (Sixt Rent), Carsharing (Sixt Share) und Fahrdienste (Sixt Ride) und ist über eine einzige App steuerbar. Statt aufs Leasing setzt Sixt jetzt auf Auto-Abo-Modelle. In den USA und mehreren europäischen Ländern biete das Unternehmen inzwischen erfolgreich Auto-Abos - also flexible Langzeitmieten - an, sagt Konstantin Sixt, der den Vertrieb steuert. Umsatzzahlen nennt er nicht, aber: „Es gibt schon 10.000 Abonnenten.“

Die Söhne setzen damit den Weg fort, den Vater Erich seit einem halben Jahrhundert beschritten hat. Geboren 1944 im österreichischen Mistelbach als Sohn eines Münchner Fuhrunternehmers brach er später sein Betriebswirtschaftsstudium ab, da er es für den weiteren Verlauf seines Lebens als „irrelevant“ befand. 1969 übernahm er vom Vater eine lokale Autovermietung mit 200 Autos. Zusammen mit seiner Frau Regine baute er das Unternehmen kontinuierlich aus, eröffnete Niederlassungen an allen deutschen Flughäfen, knüpfte Beziehungen zu Hotels und Fluggesellschaften weltweit und führte Anmiet-Automaten ein. 1986 wandelte er das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft um und brachte es an die Börse. Seine Vorliebe für provokante Werbebotschaften, die Familie Sixt gemeinsam mit dem Werber Jean-Remy von Matt entwarf, machten Sixt deutschlandweit zur Kult-Marke. Als beispielsweise der damaligen Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert über die Verstaatlichung von Autoherstellern orakelte, schoss der Autovermieter auf Plakaten an allen Flughäfen hinterher: „Lieber Kevin, gerne gleich auch alle Autobesitzer enteignen.“ Erich Sixt wollte sich ursprünglich im vergangenen Jahr aus dem operativen Geschäft zurückziehen. Die Pandemie trieb ihn in die Verlängerung.
Den Weg aus der Krise sollen nun auch Investitionen ins USA-Geschäft ebnen. Auf dem mit Abstand größten Markt der Welt investiert Sixt kräftig und erweitert sein Netz von 65 auf 100 Stationen. Das werde zu einem Umsatzschub führen, sobald die Corona-Beschränkungen gelockert würden - und das dürfte dank Impfungen in den USA schneller geschehen als in Europa, sagt Erich Sixt. „Außer uns gibt es dort nur noch drei große Spieler, von denen zwei wacklig sind. Da kann man natürlich angreifen.“

Der scheidende Patriarch und seine beiden Söhne wollen von einem Wunder nichts hören. Sie bleiben vorsichtig: Eine Prognose für das laufende Geschäftsjahr wäre unseriös: „Wir wissen nicht, wann sich der internationale Flugverkehr erholt und ob es eine halbwegs normale Urlaubssaison geben wird“, sagt Erich Sixt. In der Branche überwiegt dennoch die Anerkennung. Die DZ Bank zum Beispiel hat die Sixt-Stammaktien von „Halten“ auf „Kaufen“ hochgestuft und nennt ein Kursziel von 122 Euro. Dirk Schlamp heißt der Analyst, der hinter dieser Einschätzung steht. Auch er glaubt nicht an Wunder, aber an die Tatkraft der Unternehmenslenker: Der Autovermieter, schreibt er, stehe in den Startlöchern für den erwarteten Aufschwung.  

oli

05.03.2021 | 09:29

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