Der Linksruck in der SPD führte ihn zur FDP: Harald Christ.



Karrierealle Jobs


Macher der Woche: Harald Christ

„Entscheidung revidiert“ sagt Christ, wenn er über den Parteiwechsel von der SPD zur FDP vor fünf Monaten redet. Nun legt er bei den Liberalen eine Blitzkarriere hin. Der designierte Schatzmeister ist Manager, Unternehmer und vor allem eines: ein politischer Mensch.

In der FDP hat es jüngst einmal „Rums“ und einmal leise „Zoom“ gemacht. Der „Rums“ betraf die Generalsekretärin Linda Teutenberg, die Parteichef Christan Lindner gegen ihren Willen auswechseln und an ihrer Stelle den Wirtschafts- und Finanzpolitiker Volker Issing positionieren will. Der „Zoom“ betrifft einen anderen eher fließenden Übergang: Hermann Otto Solms soll mit 79 Jahren das Amt des Schatzmeisters in jüngere Hände legen. Harald Christ folgt ihm, putzmuntere 48 Jahre alt, gestandener Manager mit Wirkungsnachweis bei Großkonzernen wie dem Versicherer Ergo, der Postbank und der inzwischen untergegangen WestLB. Und Unternehmer, der seine Kapitalanlagegesellschaft HCI vor 15 Jahren an die Börse gebracht hat und sich seither als finanziell unabhängig betrachten darf. „Ich habe nie einen Euro in der Politik verdient und muss auch zukünftig nicht von einer Partei oder dem Steuerzahler bezahlt werden“, sagt Christ im Gespräch mit dem WirtschaftsKurier.

Homo Politicus

Der aus einer Wormser Arbeiterfamilie stammende Christ ist das, was Soziologen einen homo politicus nennen würden, jemand also, der ausgestattet ist mit einer Mischung aus ökonomischem Sachverstand und dem Gefühl für soziale Verantwortung, jemand, der sich fest in einer Gemeinschaft eingebettet am wohlsten fühlt. Politisch drückt sich das aus, in dem Christ politische Salons an seinem Wohnsitz in Berlin organisiert, bei denen sich Politiker, Künstler, Manager und Journalisten die Hand geben. Im Wirtschaftsleben landet so jemand schnell im Vertrieb, wo es darum geht, Menschen von einem Produkt zu überzeugen – oder immerhin zu überreden. Der heutige Bundespräsident und ehemalige SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier war bereits auf den umtriebigen Unternehmer Christ aufmerksam geworden. Und weil der seit Jugendzeiten SPD-Mitglied war, als Landesschatzmeister in Hamburg und Berlin seinen Job und sich in Wirtschaftsfragen seinen Namen gemacht hatte, ernannte ihn Steinmeier zum Schattenminister für Wirtschaft. Ein desaströses Wahlergebnis Steinmeiers sorgte damals dafür, dass Christ aus dem Schatten nie heraustreten konnte. „Die SPD, in die ich eingetreten war, die gibt es nicht mehr“, sagt Christ heute. „Das war damals die SPD eines Helmut Schmidt.“ Was das politisch bedeute? „Wir werden die Schwachen nicht stärken, indem wir die Starken schwächen“, meint Christ, der für sich in Anspruch nimmt, stets zu den Rechten in der SPD gehört zu haben.

Verstrahlte SPD-Größen


Vor fünf Monaten zog Christ die Reißleine und trat aus. „Entscheidung revidiert“ lautet seine Beschreibung des Vorgangs, der von außen betrachtet ein Parteiwechsel war, weil Christ die Sozialdemokraten verließ, um bei den Liberalen ein neues Dach für seine politischen Überzeugungen zu finden. Dass am gleichen Tag 574 weitere Neumitglieder in die FDP eintraten, erfüllt ihn mit einer gewissen Genugtuung. Auslöser war der Linksschwenk seiner Partei unter ihren neugewählten Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, denen Christ im Gespräch mal eben das Attribut „verstrahlt“ anheftet. Fein austariert ist dagegen seine Einschätzung zum ehemaligen SPD-Weggefährten und frisch gekürten Kanzlerkandidaten Olaf Scholz: „Scholz kann Kanzler. Er ist ein solider Mann. Aber wer ihn wählt, bekommt ihn mit einem rot-rot-grünen Programm. Es besteht das Risiko, dass er der Brückenbauer für eine linke Regierung wird“, meint Christ und tritt selbst in den Wahlkampfmodus ein, wenn er hinzufügt: „Das kann nur eine starke FDP verhindern“.

Daran will er nun arbeiten. Seine neue Funktion als Schatzmeister, in die ihn die Partei noch offiziell wählen muss, eröffnet ihm Möglichkeiten: Christ rückt damit automatisch ins Präsidium und knüpft Kontakte bis an die Basis. Vorgänger Solms erfüllte diese Aufgabe im Hintergrund, was nicht ganz dem Naturell seines Nachfolgers entspricht. Aber Christ übt sich in Selbstbeschränkung: „Für das Amt des Bundesschatzmeisters der FDP muss man eine gewisse Demut mitbringen“, sagt er. Er stelle sich natürlich nicht in eine Reihe mit Parteigrößen wie Rainer Brüderle oder einem Grafen Lambsdorff. Auch stehe er nicht für eine „berufspolitische Funktion“ zur Verfügung. „Minister oder Staatssekretär zu werden ist für mich keine Option“, sagt er. Jedenfalls nicht nach der nächsten Wahl. „Bis ans Ende meines Lebens kann ich das aber nicht ausschließen, wer kann das schon?“, fügt er hinzu.

An Selbstbewusstsein mangelt es ihm dafür auf keinen Fall. Die personelle Neuaufstellung – zu der er gehört – werde die FDP aus ihrem Tief befreien. „Das Jamaika-Aus und Thüringen haben der Partei sicher nicht geholfen“, stellt er fest und demonstriert damit eigenständiges Denken abseits des Vorsitzenden Lindner. Und auch, was die Zukunft anbelangt, bezieht er Positionen: Wenn es gegen Corona endlich eine Impfung gebe, dann soll die freiwillig sein. „Ich bin gegen eine Impfpflicht und für die Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger in dieser Frage“, sagt er und signalisiert Kampfeslust für jene politischen Debatten, die jetzt auf ihn zukommen.

Oliver Stock

21.08.2020 | 11:27

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