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Macher der Woche: Hendrik Wüst

46 Jahre alt, politisch schon einmal auf die Nase gefallen, hat er das Amt von Armin Laschet als Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslands übernommen: Hendrik Wüst ist neuer Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen. Taugt er als Hoffnungsfigur für eine CDU in der Sinnkrise?

Was sich über ihn offiziell nachschlagen lässt, sieht so aus: Hendrik Wüst ist neuer Regierungschef im bevölkerungsstärksten Bundesland. Er ist viel fotografierter Fahrradfahrer und war Verkehrsminister, bevor er jetzt Armin Laschet nachfolgte, der politisch beinahe alles verloren hat, was man so in einem knappen Jahr verlieren kann: die Bundestagswahl, das Ministerpräsidentenamt, demnächst auch den CDU-Vorsitz. Für Wüst dagegen ist noch alles möglich: Er kann als Rohrkrepierer enden, denn schon bald sind Landtagswahlen, die für ihn als bislang eher Unbekannten hochriskant sind. Gewinnt er allerdings ist er die nächste Nachwuchshoffnung der Union.

Wüst ist 46 Jahre alt, was für Politiker jung ist. Dennoch hat er bereits einen Knick in der Karriere hinter sich: Als 30jähriger Generalsekretär der CDU in Nordrhein-Westfalen trennte sich der damalige Regierungschef Jürgen Rüttgers von ihm. Der Grund war eine Sponsoringaffäre, die unter dem Namen „rent den Rüttgers“ Furore machte: Der Ministerpräsident ließ sich gegen Geld von Sponsoren für Veranstaltungen buchen. Diese außerordentliche Geschäftstüchtigkeit kostet den Generalsekretär seinen Job und Rüttgers später die Wiederwahl. Einige Jahre war der Jurist Geschäftsführer beim Verlegerverband und beim Privatradio, sicherte sich die Führung der einflussreichen Mittelstandsvereinigung in der Landes-CDU und behielt sein Landtagsmandat. 2017 machte ihn Armin Laschet dann zum Verkehrsminister. Und Anfang dieses Jahres- auch die Bilder machen seither die Runde - wurde der gebürtige Münsterländer Wüst Papa eines kleinen Mädchens.

Soviel ist offiziell. Inoffiziell, aber nicht geheim ist seine Agenda. Wüst will in der nächsten Woche eine Regierungserklärung abgeben, und da muss er zur Sache kommen: Wie stellt er sich den Umgang mit der Pandemie vor? Eine erste Entscheidung hat er bereits getroffen. Am Sitzplatz fällt die Maskenpflicht für Schülerinnen und Schüler im Land. Wüst trägt mit, was seine Schulministerin bereits ankündigte. Alles andere wäre ein Affront gegen die Kabinettskollegin gewesen. Und natürlich hat er bereits mit dieser ersten Entscheidung Eltern gegen sich aufgebracht. Proteste wären ihm aber auch nicht erspart geblieben, hätte er andersherum entschieden.

Die Klimakrise bezeichnet der Neue als „das große Kernthema der Zeit“ - was so weit, so wahr sein kann. Ob das für ihn aber heißt, im Kohleland Nordrhein-Westfalen den Ausstieg aus der Kohle vor 2038 zu organisieren, darauf hat er bislang keine Antwort gegeben. Menschen in fünf Dörfer hinter Köln werden allerdings sehr darauf lauern, was der neue Landesvater zu sagen hat. Ihre Dörfer nämlich sollen dem Tagebau zum Opfer fallen. Ein Wort von Wüst könnte das verhindern.

Wüst muss also Lippenbekenntnisse in Politik umsetzen, und er wäre nicht der erste Politiker, bei dem die Diskrepanz zwischen Ankündigung und Umsetzung im Laufe der Amtszeit zunimmt. Er steckt dabei im gleichen Dilemma wie alle, nur ist er jetzt dafür verantwortlich: Zum Beispiel für die strenge Abstandsregel zwischen Windrädern und Häusern, die es unmöglich macht, genügend Windkrafträder zu bauen, um auf Kohlestrom wirklich weitgehend verzichten zu können.

Wer Wüst näher kennt, klebt dem neuen Ministerpräsidenten einen von zwei Charakteren an: Der eine ist der des schneidigen Haudegens und Hobbyjägers, der einst mit dem jungen Nachwuchspolitiker Markus Söder zusammen über „modernen, bürgerlichen Konservatismus“ sinnierte, als Generalsekretär mit Aussagen von sich reden machte wie: „Warum sollen Arbeitslose nicht Spielplätze sauber halten, die häufig mit Hundekot, Glasscherben und Drogenspritzen verschmutzt sind?" und inzwischen allenfalls nach außen geläutert und gemäßigt ist. Die anderen glauben ihm einfach, wenn Wüst sagt, dass die Geburt seiner Tochter ihn an seine Verantwortung für die Zukunft des Landes erinnert habe. Dass er stolz sei auf sein Land, für das er als Verkehrsminister immerhin schon einiges tun konnte. Er holte deutlich mehr Bundesmittel für Straßen und Schienen ins Land als seine Vorgänger. Die Ausgaben für den Bahnverkehr und vor allem für Radwege hat er erhöht.
Sein Vorgänger Laschet nannte ihn deswegen „einen Macher“. Und machen muss er jetzt. Schon allein, weil ziemlich genau in 200 Tagen Landtagswahlen anstehen. Vergeigt er sie, wird er als Ministerpräsident in Düsseldorf mit der bis dahin kürzesten offiziellen Amtszeit in die Landesgeschichte eingehen. Gewinnt er, stehen ihm alle Türen offen. Vor allem die in Berlin.                                      

Oliver Stock

29.10.2021 | 16:50

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