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Macher der Woche: Joachim Schulz

Im Südwesten der Republik werden oft die ersten Tarifpilotabschlüsse ausgehandelt. Mit dem Mittelständler Joachim Schulz steht jetzt ein neuer Verhandlungsführer an der Spitze des Arbeitgeberverbands. Seine Marschrichtung: „Keine Lohnerhöhung“ – und das bei monatlichen Inflationsraten von sieben Prozent. Es dürften harte Gespräch mit der IG-Metall ins Haus stehen.

Der Mann mag Herausforderungen. Seit 1988 hat Joachim Schulz das Traditionsunternehmen Aesculap im schwäbischen Tuttlingen durch die Untiefen des hart umkämpften Marktes für Medizintechnik gesteuert. Die vergangenen fünf Jahre sogar als Chef. Zudem saß der 66-Jährige im Vorstand der Konzernmutter B.Braun Melsungen, war Chef des Bezirks Schwarzwald-Hegau im Arbeitgeberverband Südwestmetall und im Aufsichtsrat des Sindelfinger Kühlmaschinenbauers Bitzer. Da blieb immer noch Zeit für ein Mandat als Kirchengemeinderat. Ende März sollte mit vielen dieser Aufgaben Schluss sein. Doch der Vater von fünf Kindern hat sich eine neue Herausforderung auserkoren: Chef von Südwestmetall, dem Verband, der für viele Pilotabschlüsse in der deutschen Metall- und Elektroindustrie verantwortlich ist.

„Mir war immer wichtig, dass Industrie in Deutschland ist und funktioniert. Und ich glaube, dass man das über Südwestmetall machen kann“, erläutert er sein Engagement. Noch vor dem eigentlichen Amtsantritt ausgerecht am „Tag der Arbeit“ hatte Schulz seine Marschrichtung vorgezeichnet: „Lohnerhöhungen sehe ich in diesen Zeiten nicht.“ Damit spricht der Ingenieur vor allem vielen mittelständischen Unternehmern aus der Seele. Ihnen galoppieren die Kosten davon und die Zeiten sind ohnehin seit dem Beginn des Ukrainekriegs nicht die Besten. Zwar sind die Auftragsbücher der meisten Betriebe zum Teil brechend voll, doch es fehlen Teile und Fachkräfte. Und die Kosten für Energie und Rohstoffe sind seit Monaten durch die Decke geschossen.

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Wilfried Porth, der als früherer Daimler-Arbeitsdirektor in der Großindustrie beheimatet war, ist Schulz sozusagen mittelständisch erzogen: „Sowohl mein Großvater als auch mein Vater waren mittelständische Unternehmer und haben mich mit ihrer typisch mittelständischen Sicht auf die Industriewelt sehr geprägt“, erinnert er sich. Diese Sicht sei sehr handfest, bodenständig, mitarbeiter- und heimatnah. Der typische mittelständische Unternehmer engagiere sich für die Menschen in der Region. „Er fokussiert sich nicht auf das letzte Prozent Rendite, sondern setzt sich für das langfristige Wohlergehen des Unternehmens ein - und das in der Regel mehr als zwölf Stunden am Tag“, betont Schulz.

Die Erwartung an den neuen Südwestmetall-Chef ist entsprechend: kein Dreh an der Lohnschraube, der die Kosten noch weiter in die Höhe treiben würde. Mit diesem Paket auf den Schultern wird Schulz im kommenden Herbst Roman Zitzelsberger gegenübertreten. Der mächtige Chef der IG Metall Baden-Württemberg bringt eine nicht minder schwere Erwartungslast in die Tarifrunde mit. Schon früh hat sich die Stuttgarter Gewerkschaft als Pilotbezirk erklärt. Das ist kein Zufall: Zitzelsberger will seinen Vorgänger Jörg Hofmann im kommenden Jahr erneut beerben: diesmal als Chef der IG Metall – der mächtigsten Einzelgewerkschaft der Welt. Soll das gelingen muss Zitzelsberger mehr als den Reallohnverlust durch die Inflation aushandeln. Bei derzeit mehr als sieben Prozent Inflation, Lieferengpässen allenthalben sowie hohe Energie- und Materialkosten ist die Ausgangslage dafür allerdings denkbar ungünstig.

Die Zeichen stehen also schon jetzt auf so beinharte Verhandlungen wie schon lange nicht mehr im Südwesten. Für Arbeitgeber und IG Metall im Land, die in der Vergangenheit bereits wichtige tarifpolitische Meilensteine gesetzt haben, wird es diesmal eng. Wobei mit Schulz nun ein erfahrener Tarifpolitiker an der Spitze von Südwestmetall steht. So weiß man bei der IG Metall sehr wohl, dass der passionierte Halbmarathonläufer auch am Verhandlungstisch einen langen Atem haben kann. „Ich kenne Joachim Schulz seit vielen Jahren aus dem Vorstand von Südwestmetall, aber auch von gemeinsamen Treffen und dem Austausch bei Aesculap. Wir haben ein gutes und vertrauensvolles Verhältnis und ich freue mich auf die Verhandlungen mit ihm. Ich setze darauf, dass er auch als Vorsitzender von Südwestmetall wie bisher unaufgeregt und besonnen agiert und gegenüber guten Argumenten offen ist“, hofft Gewerkschaftschef Zitzelsberger

Diese Tonlage ist bei aller Konfrontation typisch für die Tarifparteien im Südwesten. Somit ist gerade aufgrund der schwierigen Ausgangslage nicht ausgeschlossen, dass es erneut zu richtungsweisenden Tarifrunde, bei der man statt Lohnprozente andere innovative Lösungen verrechnet werden. Dem kommt entgegen, dass Schulz auch als Experte auf dem Feld der Digitalisierung gilt. Die hat er bei Aesculap entscheidend mit vorangetrieben und so das Unternehmen saniert. „Uns stehen immer weniger Arbeitskräfte für gleich viel oder mehr Arbeit zur Verfügung. Daraus folgt, dass jeder Einzelne immer produktiver arbeiten muss. Genau dabei kann uns die Digitalisierung helfen, indem neue Technologien uns bislang unbekannte Tore zeigen und aufstoßen“, meint Schulz. Das würde den Ingenieur für Maschinenbau und Luftfahrt einem weiteren Ziel näherbringen: Er will nämlich Südwestmetall auch für Bereiche attraktiv machen, die bisher einen Bogen um den Traditionsverband gemacht haben. „Eine Lokomotive für neue Industrien“, beschreibt der neue Chef, welche Rolle sein Verband künftig spielen soll. Wieder eine Herausforderung – aber die mag Schulz ja.

Andreas Kempf

06.05.2022 | 10:56

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