Macher der Woche: Karl-Theodor zu Guttenberg
Der Ex-Wirtschafts- und Verteidigungsminister war einst ein Politstar. Nach seinem tiefen Fall, kommt er jetzt zurück auf die Bühne: als Moderator bei RTL. Er tritt auf in einem Genre, das er besonders gut beherrscht.
Deutschrocker Marius Müller-Westernhagen, selbst einer, dem Zwischentiefs nicht fremd sind, reimte einmal so: „Ich bin wieder hier, in meinem Revier, ich war niemals weg, hab mich nur versteckt.“ Die Zeilen passen gut auf einen, der sich gerade wieder vor den Vorhang schiebt. Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (50) steht neuerdings beim Fernsehkonzern RTL unter Vertrag. Er soll als Moderator durch Streaming-Dokus führen. Man arbeite gemeinsam an „High-End-Dokumentationen“ teilte der Sender in dieser Woche mit. Zu Guttenberg wird als Moderator und Interviewer durch zwei 90-minütige Sendungen führen, die der Gattung „Docutainment“ angehören, also einer Mischung aus Erzählkunst und Wirklichkeit, die RTL dem ehemaligen Politiker offenbar besonders gut zutraut.
Dessen Karriere ist schließlich so bunt, dass sie einen eigenen Docutainment-Beitrag rechtfertigen würde: Zu Guttenberg, Spross eines fränkischen Adelsgeschlechts, ist 2011 von der Spitze des Verteidigungsministeriums zurückgetreten, nachdem er die Bundeswehr auch nicht saniert, dafür aber die Wehrpflicht eingestampft hatte. Auslöser war eine Plagiatsaffäre. Der CSU-Politiker und Jurist hatte seine Doktorarbeit zu großen Teilen von anderen Autoren abgeschrieben und dies nicht gekennzeichnet. Die Plagiatsaffäre führte letztlich dazu, dass ihm der Doktortitel von der Universität Bayreuth aberkannt wurde. Die Karriere des Politstars war damit beendet, anders als etwa im Fall der Berliner Bürgermeisterin Franziska Giffey, die das gleiche Vergehen politisch überlebte. Zu Guttenberg dagegen legte alle politischen Ämter nieder und zog mit seiner Familie in die USA. In Deutschland trauerten ihm viele lange nach. Laut einer Umfrage wünschten 2015 immerhin noch 39 Prozent der Unionwähler eine aktive Rolle des Ex-Verteidigungsministers in der Politik. Und auch im vergangenen Wahlkampf, als die Union mit Armin Laschet einen Kandidaten aufstellte, dem die wenigsten einen Sieg zutrauten, fiel noch ab und an der Name zu Guttenbergs als Hoffnungsträger.
Der hatte jedoch inzwischen eine andere Beschäftigung gefunden. Seine Beratungsfirma Spitzberg Partners half ihren Kunden, wenn es beispielsweise um gute Beziehungen in die Politik gehen sollte. Einer dieser Kunden war dummerweise Wirecard, das Skandalunternehmen landete mit Hilfe eines gigantischen Betrugsmanövers im Dax, und flog raus, als der Schwindel aufflog. Zuvor hatte zu Guttenbergs Firma dafür gesorgt, dass sich selbst die Bundeskanzlerin bei einer China-Reise für Wirecard eingesetzt hatte – weswegen sich der Ex-Minister vor einem Untersuchungsausschuss wiederfand. Zu keinem Zeitpunkt habe seine Firma Kenntnis von Bilanzbetrug oder Geldwäsche des ehemaligen Dax-Konzerns gehabt, rechtfertigte er sich. „Das war einfach nicht vorstellbar.“
Nicht RTL, sondern ausgerechnet die Konkurrenz von ProSiebenSat1 hatte dem Adligen zuvor einen eigenen Film gewidmet: „Der Minister“ enthielt mehr Entertainment als Dokumentation. Darin taucht eine Hauptfigur auf, die zu Guttenberg imitiert: Die smarte Sonnenbrille, die kugelsichere Weste über dem gutsitzenden Shirt, die Khakihose - ein Verteidigungsminister, der aussieht wie auf einem Werbefoto von Polo Ralph Lauren. Der „Spiegel“ schrieb über den Film: „Jede der berühmt geworden Posen Guttenbergs kommt vor: Auf dem Times Square in New York, in Afghanistan, auf zahlreichen Titelblättern. Der Minister wirkt so bunt und so atemlos wie Guttenbergs Zeit im Bundeskabinett, wo er zuerst fürs Wirtschafts-, dann fürs Verteidigungsressort verantwortlich war.“ Und der Film wirke ziemlich oberflächlich – was nur konsequent sei: Schließlich war der Minister das auch. „Ein Bundesminister der Äußerlichkeiten.“
Nach dem Bekanntwerden seines neuesten Jobs bei RTL gehen inzwischen Social-Media-Nutzer mit dem Ex-Politiker hart ins Gericht. „Die Qualität von RTL lässt dann aber gewaltig nach!“, schreibt eine auf Instagramm. Ein anderer tut überrascht: „Wahnsinn, nicht mehr bei Wirecard“, kommentiert er die neueste Verwendung des Ex-Verteidigungsministers. „Er war niemals weg“, würde Westernhagen wahrscheinlich darauf antworten.
Oliver Stock
01.07.2022 | 13:44