Macher der Woche: Michael Jaffé
Michael Jaffé wickelt als Insolvenzverwalter den Dax-Konzern Wirecard ab. Der "doppelt Begabte" ist ein Spezialist für komplizierte Fälle.
Korrekter Dreiteiler, hohe Stirn, kurze Haare, randlose Brille. Der Mund oft ein wenig spöttisch nach unten gezogen: Michael Jaffé ist der Mann der Stunde. Der 56jährige Anwalt aus München steuert als Insolvenzverwalter die Geschicke beim skandalumwitterten Finanzdienstleister Wirecard. Nach der Pleite der Muttergesellschaft hat er als erstes für sechs weitere Tochtergesellschaften die Insolvenz beantragt – jeweils mit dem Ziel, sie unter dem Schutz, den das ein Insolvenzverfahren bietet, fortzuführen und möglicherweise zu verkaufen. Die Zahl der Insolvenzverfahren rund um den gefallen Dax-Konzern Wirecard zeigt bereits, wie verzweigt das Unternehmen aufgestellt war und wie heikel damit seine Abwicklung über die Bühne gehen wird. Jaffé ist ein Spezialist für solche Fälle.
Der Anwalt hat sein Gesellenstück als Insolvenzverwalter bei der Kirch-Gruppe abgeliefert, jenem Imperium des Medienzars Leo Kirch, das in die Pleite geschlittert war, nachdem der damalige Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer öffentlich Zweifel an der Zahlungsfähigkeit Kirchs angemeldet hatte. Ein Jahrzehnte währender Prozess endete schließlich mit einer Milliardenzahlung der Deutschen Bank an die Kirch-Erben. Gestählt aus den Kirch-Verhandlungen begab sich Jaffé im Jahr 2009 als Insolvenzverwalter an die Spitze des in schwere Turbulenzen geratenen Halbleiterherstellers Quimonda, einer Ausgründung von Infinion. Quimonda hatte auf die falsche Technologie gesetzt und Jaffé gelang keine Rettung des insolventen Konzerns, anders als in Gera, wo er für die Stadtwerke eine Fortführung in neuer Struktur organisieren konnte, und anders als etwa beim Wohnwagenhersteller Knaus Tabbert, wo nach Jaffés Feuerwehreinsatz neue Investoren aus den Niederlanden bereitstanden, um das Geschäft wieder zu stabilisieren.
Der Jurist schreckt vor komplizierten Firmenstrukturen nicht zurück und legt auch schonungslos offen, wenn Firmen, in die er als Insolvenzverwalter einzieht, in halbseidene Machenschaften verstrickt sind. Der Staatsanwaltschaft dient er in solchen Fällen als Informant, der Vertrauen genießt. Als zwangsweise verordneter Chef von drei deutschen P&R Container-Verwaltungsgesellschaften verwertete er deren weltweite Containerflotte mit dem Ziel, die Schäden für die rund 54000 Anleger zu minimieren, die mehr als drei Milliarden Euro forderten. Dass sich am Ende deutlich weniger Container auf Schiffen und in Häfen fanden als auf dem Papier, könnte eine Erfahrung sein, die Jaffé jetzt auch bei Wirecard nutzen wird. Unterm Strich haben Jaffé und sein Team in den vergangenen 20 Jahren rund 100 große und kleine Insolvenzen über die Bühne gebracht und der Anwalt kann dem deutschen Insolvenzrecht einiges abgewinnen: Es biete einen ausgezeichneten Rahmen, um Sanierungen zügig und geschützt vor Zwangsvollstreckungen durchzuführen, heißt es auf seiner Website.
Endet sein Mandat, verschwindet auch Jaffé wieder aus dem Rampenlicht. Persönliche Spuren hinterlässt er nur spärlich: zu Schule gegangen in München, dort und in Regensburg studiert, anschließend eine eigene Kanzlei gegründet und auf Insolvenzrecht spezialisiert. Das Geschäft floriert, sieben Niederlassungen hat die Kanzlei in Deutschland bislang aufgemacht. Beruflich sei der Jurist eine Mischung aus Macher und Schlitzohr, heißt es in einem Porträt über ihn – womit die Rolle von Insolvenzverwaltern allgemein gut beschrieben wird: Sie müssen abwägen zwischen den Forderungen der Gläubiger und den Interessen der Mitarbeiter eines insolventen Unternehmens. Eine gewisse Doppelbegabung kann da nicht schaden.
Oliver Stock
03.07.2020 | 12:49