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Macher der Woche: Sven Giegold

Robert Habeck hat als Wirtschafts- und Klimaschutzminister ein Kernteam um sich herum gebildet. Das berät ihn nicht nur in Wirtschafts- sondern auch in Finanzfragen. Herausragender Kopf dabei ist Sven Giegold. In ihm findet Finanzminister Christian Lindner von der FDP einen Mitspieler. Vielleicht aber auch einen Gegenspieler.

Es war im Mai dieses Jahres. Der Wahlkampf lief gerade an. Alles konzentrierte sich auf die grüne Spitzenkandidatin Annalena Baerbock, die gerade einen Patzer nach dem anderen machte. Kaum einer nahm wahr, was Robert Habeck in dieser Phase machte: Er veröffentlichte sein Programm für eine grüne Finanz- und Wirtschaftspolitik. Es sollte die Grundlage für das bilden, was er machen wollte, wenn er als Finanz- oder als Wirtschaftsminister in die Regierung einziehen würde. Co-Autor damals war Sven Giegold, seit einem Dutzend Jahren Europaparlamentarier der Grünen und finanzpolitischer Sprecher der Fraktion. Gemeinsam ging es ihnen um die Finanzierung der Klimawende. Ob die inhaltliche Saat der beiden aufgeht, weiß niemand. Aber eine der wichtigsten Achsen in der neuen Regierung wurde damit erstmal sichtbar: die zwischen Habeck und Giegold. Der Europaabgeordnete war fünf Monate später in den Koalitionsverhandlungen für die grüne Finanzpolitik zuständig, jetzt sitzt er als beamteter Staatssekretär an Habecks Seite im Wirtschafts- und Klimaschutzministerium.

Giegold, einst Mitgründer des globalisierungskritischen Netzwerks Attac, hat sich in Brüssel einen untadligen Ruf erworben: Auf der einen Seite als lautstarker Kämpfer gegen Steueroasen, für mehr Transparenz im Finanzsektor und Warner vor allzu großen Hoffnungen in Kryptowährungen wie den Bitcoin. Auf der anderen Seite als einer, der über die Parteigrenzen hinausdenkt, der auch mit dem politischen Gegner fair verhandelt, wenn es um die Sache geht. Was Habeck und Giegold vorhaben, klingt aus Giegolds Mund so: Es gehe um die Energiewende von unten, sagt er. In seinem Abschiedsbrief an die Europaparlamentarier schreibt er: „Dieses wirtschafts- und energiepolitische Jahrhundertprojekt werden im Wesentlichen wir Grünen aus dem Wirtschafts- und Klimaministerium steuern.“ Und Giegold macht bereits einen möglichen Gegner in der Regierung aus: „Es ist kein Geheimnis, dass es mit der FDP nicht möglich war, eine Steuerpolitik zu vereinbaren, die hohe Einkommen und Vermögen stärker belastet“, schreibt er und fügt hinzu: „Aber das Staatsverständnis hinter dem Koalitionsvertrag ist eben kein marktradikaler Nachtwächterstaat.“ Der Satz richtet sich direkt an den neuen Finanzminister Christian Lindner. Ganz offenbar hätte Giegold lieber Habeck auf diesem Posten gesehen.

Zweiter Mann im Bunde, den Habeck jetzt als beamteten Staatssekretär in die Runde seiner engsten Berater aufnimmt, ist Udo Philipp. Er ist wie sein Kollege Giegold Mitgründer der Bürgerbewegung Finanzwende, des ehemaligen finanzpolitischen Sprechers der Grünen im Bundestag Gerhard Schick. Die Bürgerbewegung hat sich damit zu einem höchst aktiven Thinktank des neuen Wirtschaftsministers entwickelt. Philipp selbst war einst Trainee bei der Dresdner Bank und arbeitete zwei Jahre bei der Treuhandanstalt, ehe er persönlicher Referent des damaligen Wirtschaftsministers Günter Rexrodt wurde. 1995 wechselte Philip in die Wirtschaft und brachte es bis zum Senior Partner beim schwedischen Investor EQT, einem der größten Private-Equity-Fonds Europas.

Der neue Staatssekretär bezeichnet die globale Finanzkrise von 2009 „und wie die Bundesregierung damit umging“ als sein „Schlüsselerlebnis“. „Statt diejenigen zur Verantwortung zu ziehen, die die Krise verursacht hatten, rettete der Staat nicht nur die Banken, sondern auch ihre Gläubiger und Aktionäre. Dass bei Pleiteunternehmen die Aktionäre eine Abfindung kassieren, widerspricht jeder volkswirtschaftlichen Vernunft. Kein Wunder, dass in den Hedgefonds die Champagnerkorken knallten.“ Bei EQT handelten sie anders – und verloren Geld. Philipp hängte daraufhin seinen Job an den Nagel und verfasste später zusammen mit Schick und Giegold das Buch „Finanzwende – den nächsten Crash verhindern“. 2019 wechselte er als Staatssekretär ins Finanzministerium nach Schleswig-Holstein, wo er auf Habeck traf.

Neben den beiden grünen Finanzspezialisten, die Habeck auch in ein anderes Ressort begleitet hätten, kommt mit Patrick Graichen als Staatssekretär ein ausgewiesener Energiefachmann in den Beraterkreis. Graichen war unter der rot-grünen Bundesregierung von Gerhard Schröder im Umweltministerium, wo er federführend Deutschlands Beitrag zum Klimaprotokoll von Kyoto zumindest auf dem Papier ausgearbeitet hat. 2012 gründete er mit Agora eine Denkfabrik für die Energiewende. Der Strommarkt, der Ausbau der Erneuerbaren Energien, der Kohlekonsens – all das sind Themen von Agora.

Als rechte Hand von Habeck, der vor allem für die politische Abstimmung mit der Partei und anderen Ressort zuständig sein wird, gilt Michael Kellner, der bisherige Kampagnenorganisator. „Habecks Mastermind“, wie er genannt wird, ist nun Parlamentarischer Staatssekretär geworden. Der 43-Jährige Sohn eines Schuldirektors ist in der ehemaligen DDR aufgewachsen, er hat bisher im Hintergrund die Strippen gezogen und die Bühne für Habeck gebaut. Der ehemalige Büroleiter von Claudia Roth arbeitet daran mit, dass sich die Partei nach dem Abgang des Übervaters Joschka Fischer 2005 inhaltlich und personell neu aufstellte. Kellner hob zur strategischen Unterstützung der Parteigranden die Agentur „Neues Tor 1“ aus der Taufe und steuerte damit den Bundestagswahlkampf seiner Partei.

Alle vier sind sie nun im Team Habeck. Die Berufung der beiden Finanzspezialisten zeigt vor allem eines: Habeck wäre auch gern Finanzminister geworden. Der, der sich durchsetzen konnte, Christian Lindner (FDP), hat damit einen möglichen Gegenspieler in dem Kabinett, in dem er selber sitzt.

oli

17.12.2021 | 15:46

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