Sven Höppner, Chef der Werner Wirth Gruppe mit 250 Mitarbeitern an fünf Standorten in Europa und Vorsitzender der energiepolitischen Kommission beim Verband der Familienunternehmer (Bild: WMG).



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Macher der Woche: Sven Höppner

„Ein Arbeitsplatz ist eine Lebensperspektive“, sagt der Unternehmer Sven Höppner und findet unkonventionelle Mittel und Wege, um ukrainischen Mitarbeitern und Flüchtenden zu helfen.
 
„Wir bieten jedem unserer ukrainischen Mitarbeiter Hilfe dabei an, außer Landes zu kommen, aber sie wollen dort bleiben“, beschreibt Sven Höppner gerade seine Lage als Hamburger Unternehmer mit Niederlassung in der Ukraine. Er versteht auch, warum seine Mitarbeiter eine überstürzte Flucht ausschließen. Noch. „Die Männer wollen ihre Stadt Dnipro verteidigen, die Frauen wollen sich nicht mit Kindern ins Ungewisse  stürzen.“ Also sucht der geschäftsführende Gesellschafter der Werner Wirth Gruppe nach anderen Wegen, seiner von russischen Angriffen um ihr Leben bedrohten Belegschaft zu helfen. Und findet sie in Litauen.
 
Dnipro, bis 2016 Dnipropetrowsk, am Ufer der Samara gelegen, war ein guter Platz zum Leben. Die viertgrößte Stadt der Ukraine, 400 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Kiew, fast eine Million Einwohner. Das Gebiet galt bis zur Invasion der russischen Armee als eine der wichtigsten Wirtschafts-, Industrie-, Metallurgie-, Transport- und Landwirtschaftsregionen der Ukraine. Zur Zeit der Sowjetunion war sie ein Zentrum der Kernenergie-, Waffen- und Raumfahrtindustrie. Heute ist sie nicht nur ein wichtiger Finanz- und Industriestandort, sondern auch Sitz des Operativen Armeekommandos Ost. In anderen Worten: Die Stadt ist eine Zielscheibe.

„Wir waren gerade im Aufbau unserer neuen Niederlassung“, sagt Höppner bitter. Corona hatte den Start 2020 auf Eis gelegt, aber 2021 ging es endlich, endlich los. Ein Pilotteam von 15 gut ausgebildeten ukrainischen Fachkräften sollte die Produktion für elektronische Verbindungselemente und Kabelkonfektion aufbauen. Die Werner Wirth Gruppe aus Hamburg ist ein Elektronik-Spezialist für Verbindungstechnik und Komponentenschutz. Das 60-Jähriges Firmenjubiläum steht ins Haus. Aber jetzt hat Höppner andere Sorgen.

„Wir stehen täglich in Kontakt mit unseren Kollegen und Kolleginnen in Dnipro und versuchen so effektiv zu helfen, wie es geht. Selbstverständlich werden wir auch ihre Gehälter bezahlen, egal was passiert“, sagt der Pragmatiker Höppner. „Natürlich haben wir alle unsere Mitarbeiter in Deutschland und in unserer Niederlassung in Litauen gefragt. Wie können wir euch unterstützen, wenn ihr Freunde und Verwandte aus der Ukraine oder von den Grenzen abholen wollt?“ Als klar war, dass das Team aus Dnipro die Stadt nicht verlassen will, startete er Plan B. „Denn ich bin zutiefst überzeugt, als Familienunternehmer erst recht, dass ein Arbeitsplatz zugleich eine Lebensperspektive bietet.“ Arbeit stabilisiert die wirtschaftliche Lage und die Nerven. „Den Transport von Säuglingsnahrung können andere besser organisieren, aber Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, das können wir“, erklärt Höppner seine Strategie.

Mit Kriegsbeginn stellte er der Niederlassung in Litauen ein Extra-Budget zur Verfügung, damit dort aus der Ukraine geflüchtete Frauen einen Arbeitsplatz bekommen. „Dort fertigen wir vor allem manuell. Wir haben eine Frauenquote von 70 Prozent im Betrieb - da findet sich auf jeden Fall Arbeit“, sagt der 52-Jährige und ergänzt seufzend, „aber wir brauchen noch Geduld. Die Situation gestaltet sich rechtlich sehr schwierig“. Er hofft und setzt sich dafür ein, dass die Litauer Behörden die nötigen Arbeitserlaubnisse möglichst unbürokratisch vergeben. Selbstverständlich ist das auch in der Not nicht. „Wir müssen unbedingt verhindern, dass die Geflüchteten nicht arbeiten , sondern nur ausharren dürfen und so psychisch immer stärker unter dem Krieg und seinen Folgen leiden werden“.

Seine Konsequenzen: „Solange sich der Krieg noch nicht auf unser Wirtschaft in Deutschland auswirkt - und das wird er noch -, verlagern wir so viel Arbeit wie möglich nach Litauen.“

Und die Unternehmensgruppe wird ab sofort bei Kenntnis russischer Beteiligung in der Lieferkette diese Geschäfte ablehnen. So lange, bis wie Russland Kampfhandlungen oder Besetzungen ukrainischen Gebietes betreibt. „Die russische Wirtschaft ist nicht zu 100 Prozent Putin und seine Oligarchen, das wissen wir“, sagt Höppner, „und wir bedauern die Auswirkungen auf die russischen mittelständischen Unternehmer. Aber die Situation erfordert eine klare Positionierung. Das werden wir in den Ablehnungen dann auch so kommunizieren..
 
Nicht nur als Unternehmer bringt ihn der Krieg in der Ukraine um den Schlaf. „Ich habe viel Verwandtschaft dort, auch in den östlichen Separatistengebieten“, erzählt der Hamburger. Wie kann er denen helfen? „Erstmal gar nicht“, antwortet er ein zweites Mal bitter. „Ein Verwandter von mir hat seit zwei Wochen seine Wohnung nicht mehr verlassen aus Angst. Wir können unsere Familienmitglieder nicht mehr einfach herausholen, nicht mal über Russland.“ Aber der energische Familienvater, Elektroingenieur, und Fachmann für agiles Projektmanagement wird dranbleiben. In Dnipro wie bei seiner Familie. Respekt!

Oliver Stock

04.03.2022 | 14:39

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