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Macherin der Woche: Andrea Nahles

Die kantige Politikerin wurde von der SPD als Parteichefin vom Hof gejagt. Jetzt holt sie Kanzler Scholz zurück und setzt sie an die Spitze der Bundesagentur für Arbeit. Er hofft auf eine kraftvolle Unterstützung für seine Sozialpolitik. Doch Nahles hat einen eigenen Kopf.

In der Ampelkoalition stehen die Grünen fürs Klima, die FDP für Modernisierung und die SPD fürs Soziale. Und sechs Wochen, nachdem sich die drei auf diese Arbeitsteilung geeinigt haben, holen sie sich diejenigen an ihre Seite, die sie dabei nach Kräften unterstützen können. Jüngster Zuwachs auf Seiten der SPD: Andrea Nahles. Kanzler Olaf Scholz und Arbeitsminister Hubertus Heil haben die ehemalige Parteivorsitzende, frühere Parteigeneralsekretärin und Arbeitsministerin, die einst vom Hof gejagt wurde, zurückgeholt. Sie soll künftig die Bundesagentur für Arbeit leiten und Chefin von 100 000 Mitarbeitern werden. Sie ist der Beweis, dass in der Politik Freundschaft wie Feindschaft stets taktische Zustände sind.

51 Jahre alt, stammt sie aus der ländlichen Osteifel, wo sie auch heute noch auf einem alten Bauernhof lebt, katholisch, bodenständig, ursozialdemokratisch - also im Zweifel links. Manchmal schrill, etwa als sie den letzten erfolgreichen Kanzler der SPD, Gerhard Schröder als „Abrissbirne“ der Sozialdemokratie bezeichnete, als sie der Union, mit der die SPD nach einer verlorenen Wahl 2017 dann doch wieder koalierte, kurzzeitig eins „in die Fresse hauen“ wollte. Später milderte sie das ab und rief dem dann doch wieder genehmen Verhandlungspartner ein „Bätschi“ zu, was nach Spott und nicht sonderlich ernsthaften Bemühen klang. Ihr Tonfall damals war ganz anders, als die professionelle Kompromisssuche, die die Ampelkoalition derzeit noch an den Tag legt, in der sich alle hüten auch nur eine Andeutung von Geringschätzung gegenüber dem politischen Koalitionär von sich zu geben.

Insofern ist Nahles ein Politikertyp, der oft gesucht, aber wenn er dann gefunden ist, schnell zur Zielscheibe wird. Wolfgang Kubicki bei der FDP oder Boris Palmer und Claudia Roth bei den Grünen gehören zu dieser Spezies, die manchmal vor allem den eigenen Leuten auf die Nerven gehen, aber am Ende durch ihr kantiges Auftreten Respekt einfordern. Politisch überleben können sie dann, wenn sie klare Kante mit Charme und genügend Rückhalt bei den Wählern verbinden, beides Gaben, die Nahles nicht in den Schoß gefallen sind.

2019 trat sie entnervt als SPD-Chefin ab, nachdem sie die Unterstützung in der Partei verloren hatte, sie überwinterte an der Spitze der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation, wo die tägliche Arbeit mehr aus Verwalten, als aus Gestalten besteht. Die Behörde kümmert sich seit mehr als einem Vierteljahrhundert um die Angelegenheiten der ehemaligen Post-Beamten in den Nachfolgeunternehmen, was gut bezahlt aber weit unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung passiert. Immerhin hat Nahles bewiesen, dass sie als Ministerin und als Behördenleiterin managen kann – eine Fähigkeit, die sie nun an der Spitze der Bundesagentur für Arbeit gut gebrauchen kann.

Sie löst dort Detlef Schele ab, der in den Ruhestand geht. Der SPD-Politiker verkörperte zuletzt nicht mehr ganz das, was sich seine Partei von ihm wünschte. In der Debatte zur Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens bezeichnete Scheele das Konzept als „unehrlich“ und „völliger Blödsinn“. Den Hartz IV-Regelsatz von 446,- Euro für Alleinstehende hält er für „absolut vertretbar“ und „im europäischen Vergleich großzügig“. Eine Erhöhung für nicht zielführend, weil er bezweifle, „dass jemand mit 600 Euro deutlich zufriedener wäre“. „Wer sorgenlos leben möchte, der muss sich berappeln und möglichst gut entlohnte Arbeit finden,“, lautete Scheles Haltung. Nahles wird sich dazu positionieren – im Schulterschluss mit Arbeitsminister Hubertus Heil. Spannend wird die Arbeitsteilung zwischen dem Minister, der formal ihr Chef ist, und der Behördenleiterin, die selbst einmal auf dem Ministersessel Platz genommen hatte. Bleibt Nahles der kantige Typ, der sie stets gewesen ist, könnte die Abstimmung zwischen beiden nicht einfach sein.

Oliver Stock

28.01.2022 | 16:08

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