Chefin des Deutschen Aktieninstituts: Christine Bortenlänger



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Macherin der Woche: Christine Bortenlänger

Die Chefin des Deutschen Aktieninstituts kämpft für eindeutige Kriterien, die DAX-Aufsteiger erfüllen müssen. Waffenproduzenten sollten von einem Einstieg ins Topbörsensegment nicht generell ausgeschlossen bleiben. 40 anstatt 30 Werte im DAX hält sie nicht auf Anhieb für eine gute Idee.

Sie ist die Hüterin der Aktienkultur hierzulande. Christine Bortenlänger, Chefin des Deutschen Aktieninstituts, hat das erklärte Ziel, „die Aktie als Finanzierungs- und Anlageinstrument“ zu fördern. Gemessen daran ist ihre Bilanz nach acht Jahren an der Spitze des Instituts nicht glanzvoll. Die Aktionärszahlen in Deutschland sind wie ein Sommer in Wuppertal: Die Sonne scheint zu selten, meistens kündigt sich Regen an. Bezogen auf die Zahlen heißt das, nur jeder siebte Bundesbürger in Deutschland, der älter ist als 14 Jahre Aktien besitzt. Es waren mal ein paar mehr, mal ein paar weniger. Klar ist, angesichts enttäuschender Renditeerwartungen andere Investitionsziele – wie etwa dem Sparbuch – ist dies ein trauriger Wert. Bortenlänger dafür verantwortlich zu machen, wäre aber etwa so, als würde der Papst die Verantwortung für sinkende Gottesdienstbesuche übernehmen. Der Zusammenhang ist jedenfalls sehr gedehnt.

Und während der Kirchenmann in gedehnten Abständen seine Enzyklika veröffentlicht, geht es bei Bortenlänger vergleichsweise Schlag auf Schlag. Derzeit beschäftigen sich ihr Team im Aktieninstitut mit dem, was die Deutsche Börse mit dem DAX vorhat. Er soll nach dem Wirecard-Skandal neu zusammengesetzt werden. Schwindelfirmen wie der bankrotte Finanzdienstleister sollen keine Chance haben, jemals in die oberste Börsenliga einzusteigen, was Bortenlänger richtig findet.

Nicht richtig findet sie allerdings, wie die Börse das anpackt. Zum Beispiel, dass sie anstrebt, dass Nachhaltigkeitsaspekte als Kriterium für die DAX-Zugehörigkeit dienen sollen. Hersteller sogenannter kontroverser Waffen, also Produzenten von Minen und Streubomben zum Beispiel, sollen draußen bleiben. Bortenlänger hält das für ein Problem, weil es keine Definition gibt, wer genau so ein Hersteller ist. Dabei geht es nicht um Minen und Streubombenhersteller, die sowieso geächtet seien. Aber: „Sind auch Atomwaffen, die im Rahmen der NATO- oder europäischen Sicherheitsstrategie eingesetzt werden, kontroverse Waffen?“, fragt sie. Deren Produkte dienten der militärischen Verteidigung, sie spielten für die EU und ihre Bürger eine entscheidende Rolle. „Sie dürfen nicht für Investoren tabu sein, die nur in Unternehmen investieren, die DAX-Mitglieder sind.“ Insgesamt sei die Zulässigkeit von Atomwaffen eine gesellschaftspolitische Debatte und eine Entscheidung, so ein Geschäftsmodell zu akzeptieren, sei Aufgabe der Politik. „Sie ist bei der Neuausrichtung des DAX fehl am Platz. Alle Aktiengesellschaften mit rechtlich zulässigen Geschäftsmodellen müssten die Möglichkeit haben, in diesen Index zu kommen, wenn sie nachvollziehbare, klar abgrenzbare Kriterien erfüllen. „Da die Definition von „kontroverse Waffen“ unbestimmt ist, ist sie als Kriterium für den DAX ungeeignet.“

Bortenlänger weist darauf hin, dass für Investoren, die sich nach gesellschaftspolitischen Kriterien ausrichten wollen, schon jetzt der DAX 50 ESG existiert, der die Kursentwicklung der 50 größten und liquidesten Aktien auf dem deutschen Markt abbildet, die nach Kriterien wie Umweltschutz, sozialer Verantwortung und guter Unternehmensführung ausgewählt sind. „Lassen wir doch die Investoren entscheiden, in welchen Index sie investieren“, meint die Institutschefin.

Auch den Vorschlag der Börse, die Liste der DAX-Mitglieder von 30 auf 40 zu erweitern sagt ihr nicht auf Anhieb zu. Natürlich sei es gut, wenn der Leitindex mehr Branchen und Werte abbilde. Nur seien dadurch die darunterliegenden Indices unattraktiver: Der MDAX verlöre im vorgestellten Konzept erheblich an Gewicht. „Vor der Entscheidung müsste man sich also DAX, MDAX, SDAX und TecDAX zusammen ansehen und simulieren, wie sich Veränderungen auf die Segmente auswirken. Danach kann man dann ein Konzept für die gesamte DAX-Familie vorlegen“, sagt sie.

Die 53jährige weiß aus erster Hand, wie es um die Unternehmen in den unterschiedlichen Börsenligen bestellt ist. Sie selbst ist so etwas wie eine Multiaufsichtsrätin: Siemens Energie, der Werkstoff-Hersteller Covestro oder der Leuchten-Spezialist Osram gehören zu ihrem Portfolio als Aufsichtsrätin. Ihr Wort hat Gewicht, wenn sie beispielsweise begrüßt, dass nur die Firmen im DAX etwas zu suchen haben, die die Kriterien der Corporate Governance, der guten Unternehmensführung, erfüllen.
Muss ein Unternehmen Geld verdienen, um in den DAX zu kommen? Bei der Antwort auf diese Frage zögert sie kurz, was daran liegt, dass sie eine persönliche Meinung hat, die nicht immer deckungsgleich ist, mit dem was die Mehrheit empfiehlt: „Wenn die Börse das Gewinn-Kriterium durchsetzt, haben manch spannende Unternehmen viel zu lange keine Chance in den Dax zu kommen“, stellt sie fest. „Gäbe es ein deutsches Apple oder Amazon, wäre diesen der Einstieg ins Topsegment lange verwehrt gewesen und der Zugang zu bestimmten Investoren damit versperrt. Das ist nicht gut, meine ich persönlich.“

Ein Kandidat wie Biontech müsste dann auch lange warten? Bortenlänger lacht: „Wie wäre es mit einem DAX der Herzen?“, schlägt sie vor. Ernstgemeint war der Vorschlag auf den ersten Blick nicht. Mit Blick auf die Aktienkultur, dieses eher regnerische Thema, wäre eine Herzensbörsenliga aber vielleicht gar keine schlechte Idee.                

oli

13.11.2020 | 11:46

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