Top-Managerin mit klarer Haltung in der Emanzipationsfrage: Melissa Di Donato.



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Macherin der Woche: Melissa di Donato

1,4 Milliarden Euro will der Software-Mittelständler Suse durch einen Börsengang in den nächsten Wochen einnehmen. Die Chefin verfolgt ein ungewöhnliches Geschäftsmodell.

Wenn Melissa Di Donato einen Job antritt, dann hat sie an ihren neuen Arbeitgeber eine nicht verhandelbare Forderung: „50 Prozent der Vorstandskandidaten müssen Frauen seien.“ Und sie fordert das nicht nur, sie zieht das auch durch. Nicht umsonst ist Di Donato auch Vorsitzende des Technologie-Ausschusses des "30-Prozent-Clubs". Diese Organisation will unter anderem durchsetzen, dass 30 Prozent der obersten Führungspositionen in großen Firmen von Frauen besetzt werden.
Zudem sieht sich auch als Vorbild für Mädchen und setzt sich dafür ein, dass mehr Mädchen und junge Frauen programmieren lernen und den Weg in die männlich dominierte IT- Branche finden. Damit das gelingt, hat sie im Sommer 2020 die Stiftung „Inner Wings" gegründet.

Vor allem aber ist Melissa Di Donato nicht nur Vorbild und Aktivistin – sie ist auch Top-Managerin. Und als Vorstandschefin des Nürnberger Software-Mittelständlers Suse zeigt sie, dass sie in diesem Metier zu den Besten gehört. Sie legt mit Suse nämlich wohl einen der größten Börsengänge des Jahres hin. 1,4 Milliarden Euro will sie so noch im zweiten Quartal einspielen, 29 bis 34 Euro soll eine Aktie kosten. Angesichts der hervorragenden Geschäftsperspektiven gilt der avisierte Erlös als realistisch. Was sowohl mit ihr als auch mit Suses sehr speziellem Geschäftsmodell zusammenhängt: Die Firma arbeitet mit Open-Source-Software, teilt also all ihre Programmcodes unentgeltlich.

Karriereplan mit Umwegen

Dass sie einmal eine der führenden Frauen in der IT-Branche wird, war eigentlich nicht der Karriereplan von Melissa Di Donato, 47. In New York, Washington und Sankt Petersburg hat die Amerikanerin mit italienischen Vorfahren in den 90er-Jahren Politik, Russisch und Wirtschaft studiert. Nach ihrem Masterabschluss wollte sie eigentlich US-Botschafterin in Russland werden. Aber weil Di Donato fürchtete, mit einem Regierungsjob ihren Studienkredit nicht zurückzahlen zu können, folgte sie dem Rat ihres Studiendekans und machte zunächst ein Praktikum beim US-Computerkonzern Hewlett-Packard.

Dort lernte sie SAP-Software kennen und bildete sich als Programmiererin und Entwicklerin weiter. Es folgten Stellen mit Führungspositionen bei US-Softwareunternehmen wie Oracle und Salesforce; 2016 wechselte sie zum Walldorfer Softwarekonzern SAP. Dort war sie zuletzt als Chief Operating Officer und Chief Revenue Officer für den weltweiten Umsatz, den Gewinn und die Kundenzufriedenheit verantwortlich.

Im Sommer 2019 übernahm Di Donato, die seit mit Mann und drei Kindern in Großbritannien lebt, den Chefposten bei Suse. Im Geschäftsjahr 2019/2020 machte das Unternehmen einen Umsatz von 503 Millionen Dollar. Durch den Erlös des Börsengangs will Di Donato das Geschäft nun weiter ankurbeln.

Der Boom eines einstigen Nischen-Geschäfts

Das Besondere an Open-Source-Unternehmen wie Suse ist, dass sie den Programmcode ihrer Software kostenlos zur Verfügung stellen.

Das Prinzip ermöglicht Innovation und digitalen Fortschritt in einem Tempo, das noch vor wenigen Jahren unmöglich erschienen wäre. Dabei galt Open Source vielen Tech-Unternehmern noch vor gar nicht allzu langer Zeit als Bremse und Störer der Wissensgesellschaft. „Open-Source-Entwickler sind Kommunisten!“ So ließ sich noch vor 16 Jahren der damalige Microsoft-Chef Bill Gates zitieren – und meinte das durchaus ernst. Microsoft bekämpfte das Open-Source-Betriebssystem Linux mit harten Bandagen. Gates wusste sich damit damals auf einer Linie mit vielen Tech-Größen seiner Zeit. Das Prinzip frei lizensierter und transparenter Software-Quell-Codes, die es jedem ermöglichen, sie weiter zu entwickeln, schien vielen Unternehmern verdächtig.

Open Source, das schien trotz bereits damals auch kommerziell erfolgreicher Projekte nichts für ernstzunehmende Unternehmer zu sein – sondern nur ein Spielzeug für Idealisten, für Bastler und Nerds, für linke Träumer.

Heute dagegen enthält nahezu jede Software-Anwendung Open-Source-Komponenten – nicht zuletzt die Basis-Programme für das World Wide Web, das dank frei verfügbarer Protokolle seinen rasanten Siegeszug antreten konnte. In einer internationalen Unternehmens-Umfrage geben 95 Prozent der IT-Manager an, dass der Einsatz frei lizensierter Software ein wichtiger Bestandteil ihrer IT-Strategie ist. Das internationale IT-Marktforschungsinstitut Gartner sagt voraus, dass im Jahr 2022 rund 70 Prozent der Unternehmenssoftware auf Open-Source basiert. Und Microsoft ist vom Gegner längst zu einem der größten und mächtigsten Unterstützer des Open-Source-Prinzips geworden. Der Tech-Konzern besitzt inzwischen eine der wichtigsten Plattformen für Open-Source-Programmierer, Github. Allein dort arbeiten derzeit mehr als 56 Millionen Entwickler aus der ganzen Welt gemeinsam an allein im Jahr 2020 60 Millionen neuen Open-Source-Projekten, sogenannten Repositories. 1,9 Milliarden individuelle Beiträge zu Open-Source-Quellcodes sind so entstanden.

Geld verdienen Firmen wie Suse mit Diensten wie dem Anwendungssupport. Viele Firmen setzen mittlerweile auf  Open-Source-Software, weil sie oft flexibler als herkömmliche Software ist und dank der weltweit vernetzten Open-Source-Community Fehler wie Sicherheitslücken schneller gefunden werden. „Wenn man eine Open-Source-Firma führt, geht es darum, eine unglaubliche Gemeinschaft zu stärken und darum, gemeinsam Probleme für unsere Kunden zu lösen", hat Di Donato ihre Führungsrolle bei Suse mal in der SZ beschrieben. Und diese Gemeinschaft wächst auch dank Di Dontao: Zu den Kunden von Suse gehören mittlerweile auch SAP und Microsoft. Auch wenn die die 50 Prozent Frauen im Management noch nicht erfüllt haben.                    

Sven Prange


14.05.2021 | 12:33

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