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Mindestlohn wird zum Bürokratie-Monster

Höhere Personalkosten, extreme Nachweispflichten, weniger Flexibilität: Auch nach Monaten reißt die Kritik aus der Wirtschaft am Mindestlohn nicht ab. Nun ringt die Politik um Korrekturen.

Der Mindestlohn sorgt für jede Menge Ärger in der Wirtschaft. Weniger die Höhe des Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde ist dabei das Problem. Die Wirtschaft stößt sich vor allem an den umfassenden Nachweispflichten. Deutschlandweit laufen die IHK-Gremien Sturm gegen die neuen Regelungen, die alle Branchen betreffen. Selbst Unternehmen, die klar über dem Mindestlohn zahlen, müssen laut Gesetz tagesgenaue Aufzeichnungen über die Arbeitszeiten von Aushilfen und 450-Euro-Kräften führen. Auch für kurzfristige Aushilfen, beispielsweise Ferienvertretungen, muss die tägliche Arbeitszeit erfasst und jeder Stundenzettel zwei Jahre archiviert werden. In Branchen wie der Gastronomie und im Speditionsgewerbe gilt das für alle Arbeitnehmer unter der Verdienstgrenze von 2 958 Euro im Monat.

In einer Zwischenbilanz zum flächendeckenden Mindestlohn mahnen die Arbeitgeber dringend eine Überarbeitung des Gesetzeswerks an. Kritik kommt unter anderem vom Zentralverband des deutschen Handwerks und von Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer. „Wir setzen hier auf die Zusage der Bundeskanzlerin, nach Ostern tätig werden zu wollen“, sagte der Generalsekretär des Zentralverbands des deutschen Handwerks, Holger Schwannecke, an die Adresse von Regierungschefin Angela Merkel (CDU). Schließlich gebe es zahlreiche Probleme bei der Umsetzung des Gesetzes.

Schwannecke kritisiert, mit umfassenden und teilweise unsinnigen Dokumentationspflichten zum Mindestlohn stelle der Gesetzgeber Zehntausende Familienbetriebe im Handwerk unter Generalverdacht. Das Metzger-, Bäcker- und Konditorenhandwerk müsse ohne jeden Anhaltspunkt mit dem Besuch schwer bewaffneter Zöllner rechnen. „Hier gilt es, auf den Zoll einzuwirken, in Friseursalon oder Bäckereifiliale nicht auf­zutreten wie bei der Verfolgung organisierter Kriminalität auf einer Großbaustelle“, mahnt Schwannecke.

Auch Arbeitgeberpräsident Kramer kritisiert die „viel zu bürokratischen Dokumentationspflichten“ sowie Rechtsunsicherheiten beim Umgang mit flexiblen Arbeitszeiten. „Betriebe, die zum Beispiel viel höhere Löhne als den gesetzlichen Mindestlohn zahlen, müssen vollständig von den bürokratischen Regelungen ausgenommen werden“, forderte Kramer. Auch der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Christian von Stetten (CDU), fordert eine Änderung des Mindestlohngesetzes. Andrea Nahles (SPD), Bundesministerin für Arbeit und Soziales, sei „mit ihren Dokumentationspflichten zum Mindestlohn weit über das Ziel hinausgeschossen“.

Doch Nahles zögert mit Korrekturen. „Den versprochenen Bürokratieabbau gibt es offenbar nur in Sonntagsreden“, sagt An­dreas Bensegger von der IHK Rosenheim. Für die heimischen Betriebe sei das Gesetz ein weiteres Signal, dass unter­nehmerisches Engagement in Deutschland nicht gefördert, sondern behindert werde. „Von meinen 130 Mitarbeitern kann ich jetzt einen komplett zum Dokumentieren abstellen“, sagt ein Vertreter aus dem oberbayerischen Groß- und Einzelhandel. „Wie viel muss ich zusätzlich verkaufen, um mir das leisten zu können?“, fragt sich der Junior-Chef eines Traditionsunternehmens. Ein weiterer Geschäftsführer berichtet, dass wegen des Mindestlohngesetzes eine Zeiterfassungs-Software für 25 000 Euro angeschafft werden musste; dazu kommen Kosten für Schulungen und den laufenden Betrieb der Anlage. „Dabei bekommen bei uns alle mehr als den Mindestlohn“, beschwert sich der Vertreter aus der Verkehrsbranche.

Eine Geschäftsführerin aus dem Einzelhandel kritisiert zusätzlich, das Mindestlohngesetz schränke die Flexibilität stark ein. „Wir arbeiten von jeher mit Jahresarbeitszeiten für unsere 450-Euro-Kräfte, was jetzt nicht mehr möglich ist“, klagt die Unternehmerin. Laut Gesetz dürfen nun in einem Monat maximal 50 % mehr Stunden aufgezeichnet werden als vertraglich als Monatsleistung vereinbart. „Selbst wenn der Arbeitnehmer das möchte, kann er jetzt nicht mehr ganze Monate aussetzen und das Pensum später abarbeiten.“

10.05.2015 | 09:41

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