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Mittelstand kommt immer schwerer an Kredite

Banken sind 2019 bei der Finanzierung von Investitionsvorhaben mittelständischer Unternehmen deutlich zurückhaltender als im Vorjahr. So das Ergebnis einer Umfrage der TU Darmstadt. Die Bundesbank behauptet das Gegenteil

Banken sind 2019 bei der Finanzierung von Investitionsvorhaben mittelständischer Unternehmen deutlich zurückhaltender als im Vorjahr, so das Ergebnis einer Umfrage, die die TU Darmstadt durchgeführt hat. Während dieses Jahr rund die Hälfte der Befragten Schwierigkeiten hatte, benötigte Kredite zu erhalten, waren es im Vorjahr nur ein Drittel. "Der Konjunkturmotor stottert, darauf reagieren die Banken sehr sensibel. Niemand möchte jetzt Problemkredite in sein Portfolio aufnehmen. Entsprechend vorsichtig finanzieren die Institute neue Vorhaben der Unternehmen", kommentiert Daniel Bartsch, Vorstand und Gründungspartner von Creditshelf, die Umfrageergebnisse. Professor Drin Schiereck, Leiter des Fachgebiets Unternehmensfinanzierung an der TU Darmstadt, hat die Studie wissenschaftlich geführt. Er kritisiert die defensive Kreditvergabe der Banken. "Vor allem in Anbetracht einer rasend schnell voranschreitenden Digitalisierung müssen die Unternehmen in Deutschland ihre Investitionen erhöhen, um langfristig konkurrenzfähig zu bleiben", so Schiereck. Der Mittelstand dürfe sich deshalb nicht allein auf die Hausbank verlassen, sondern sollte sich auch neue Finanzierungsmöglichkeiten ansehen.

Hier bringen Fintechs neue Angebote in den Markt. Im Gegensatz zu vielen Banken verlangen sie nicht unbedingt dinglichen Sicherheiten, sondern vergebe Kredite auf Grundalge einer unternehmensspezifischen Finanzanalyse. Eine Branchenstudie von Barkow Consulting hat 21 Anbieter identifiziert, die einen digitalen SME-Kredit in Deutschland vergeben oder vermitteln. Der digitale SME-Kredit zeichnet sich durch einen zumindest teilweise automatisierten Kreditvergabeprozess aus, der über das Internet initiiert wird. Obwohl viele der digitalen Anbieter erst wenige Jahre am Markt sind, ist bereits starkes Wachstum erkenntlich: Allein in 2018 wurden über diese schon fast eine Milliarde an digitalen SME-Krediten vermittelt. Im Jahr 2019 ermitteln Marktbeobachter bereits mehr als zwei Milliarden. Das Marktpotential ist enorm. Der Markt für digitale Mittelstandskredite wächst rasant. Insgesamt beträgt der Bestand an Mittelstands-Krediten aktuell 219 Milliarden Euro bei einem Wachstum von 6,9 Prozent pro Jahr. Damit wächst dieses Kreditsegment stärker als beispielsweise die Bereiche der privaten Baufinanzierung (4,9 Prozent p.a.) oder Konsumentenkredite (0,8 Prozent p.a.).

Bundesbank und BaFin sehen die Lage anders

Die Diagnose, dass klassische Banken restriktiv bei der Kreditvergabe seien, wird nicht von allen geteilt. Anfang des Jahres kam die Deutsche Bundesbank zu ganz anderen Ergebnissen als jetzt die TU Darmstadt in ihrer Umfrage. Die Bundesbank berichtete damals von einem Rekordhoch der insgesamt an deutsche Firmen vergebenen Kredite. Berichten zufolge werden Firmen mit Kreditangeboten geradezu überflutet - allerdings vornehmlich ebenfalls nicht von den traditionellen Hausbanken, sondern von neu auf den Markt drängenden Anbietern wie ABN Amro aus den Niederlanden oder BNP Paribas aus Frankreich. Den wachsenden Konkurrenzdruck könnten nach Informationen der Bankenaufsicht BaFin  vor allem kleinere und mittelgroße Häuser versuchen, durch höhere Risikofreudigkeit auszugleichen.

BaFin-Präsident Felix Hufeld warnt daher schon 2018 vor einer zu laxen Kreditvergabe durch die Banken. Er wiederholte diese Warnung erst kürzlich. Demnach registriere die Finanzaufsicht vor allem im Wettbewerb um den Mittelstand, "dass bei Krediten nicht nur die Margen verfallen, sondern auch die Bedingungen für die Rückzahlung, die Besicherung oder bestimmte Schwellenwerte aufgeweicht würden".

18.11.2019 | 09:03

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