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Morgen bleibt die Diele kalt, und die Küche auch schon bald

Im Wirtschaftskrieg mit Russland bereitet die Regierung uns alle auf Einschränkungen vor. Viele davon sind allerdings eine Illusion. Denn wer soll zum Beispiel seine Heizung optimieren, wenn es überall an Monteuren fehlt?

Von Reinhard Schlieker / WirtschafstKurier
 
Die gerade vorgestellten Pläne der EU-Kommission zu einer pauschalen Energie-Einsparung durch die Mitgliedsstaaten sind seit dem Wochenende wohl Makulatur – der Widerstand zahlreicher EU-Länder gegen die Brüsseler Vorhaben macht die Regeln der Kommission nicht durchsetzbar. Um so mehr flammt vor diesem Hintergrund aktuell die Diskussion um die Regierungspläne in Deutschland auf.

Denn angesichts der unsicheren Gasversorgungslage hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck weitere Energiesparmaßnahmen angekündigt – neben neuen Schwerpunkten bei der Stromerzeugung soll es vor allem um Vorgaben gehen, die im kommenden Winter auch die Verbraucher treffen werden. Just an dem Donnerstag, als wieder Erdgas aus Russland durch die Pipeline Nordstream 1 zu fließen begann und bei Sommertemperaturen jenseits der 30 Grad, sollte die deutsche Öffentlichkeit auf einen frostigen Winter eingeschworen werden. Mit vierzig Prozent der möglichen Auslastung ist der Durchfluss genauso spärlich wie vor der turnusgemäßen zehntägigen Wartung der Gasleitung. Angeblich fehlt es an einer bestimmten Turbine, heißt es nun aus Russland. Die Bundesregierung hält die russischen Einlassungen denn für Ablenkungsmanöver und will sich auf den Ernstfall vorbereiten, der da wäre: Kein Gas aus Russland mehr, wann immer es der Machthaber im Kreml befiehlt.

Vor diesem Hintergrund ist die Neuregelung über den Füllstand der Gasspeicher in Deutschland sinnvoll – in Schritten bis November soll der von momentan etwa 65% auf 95% erhöht werden. Ein solcher Vorrat würde üblicherweise reichen, um über den Winter zu kommen. Dass Habeck aber der Zielerreichung nicht sicher ist, offenbaren die weiteren Pläne, was den Verbrauch angeht. Bislang spielen zahlreiche Kommunen mehr oder weniger freiwillig mit und reduzieren bereits Temperaturen in öffentlichen Schwimmbädern, zum Beispiel. Da dies angesichts hoher Energiepreise auch eine schöne Kostenbremse ist, sind viele gern dabei. Im Herbst und Winter sollen zudem öffentliche Gebäude nur weit sparsamer beheizt werden als gewohnt. Auf den amtlichen Fluren geht es dann vermutlich deutlich unterkühlt zu.

Den Verbrauchern stehen, wie sich herumgesprochen hat, hohe Preissteigerungen ins Haus. Diese für weniger betuchte Haushalte abzufedern wird Aufgabe der Sozialpolitik sein – schon jetzt könnte man allerdings die abrupten Anstiege auch in laufenden Verträgen an die Kunden weitergeben, dafür müsste das Habeck-Ministerium die Preisanpassungsklausel im Energiesicherungsgesetz aufgrund der ungewöhnlichen Situation in Kraft setzen. Das kann immerhin einen noch erheblicheren Preisschock bei Vertragsverlängerungen und der Kostenaufstellung der vorangegangenen Abrechnungsperiode abmildern. Und der Staat könnte bereits jetzt viel zielgerichteter unterstützen, als wenn dies womöglich auf Verdacht oder nach dem berüchtigten Gießkannenprinzip erfolgt.

Die geplanten Einzelmaßnahmen der Einspar-Aktion des Ministers stoßen derweil teils auf Zustimmung, teils auf ungläubiges Staunen. Beispielsweise die Idee, das „Homeoffice“ aus Energiespargründen verstärkt zu nutzen. Das solle Heizkosten in den Firmen und Behörden sparen. Kein Unternehmen allerdings kann seine Gebäude auskühlen lassen, nur weil Teile der Belegschaft nicht anwesend sind. Homeoffice kostet die Firmen außerdem einiges an Reibungsenergie, zum Beispiel in der direkten Kommunikation untereinander. Und die betreffenden Mitarbeiter müssen sich oft mit weniger idealen Gegebenheiten zu Hause arrangieren – und dort natürlich ebenfalls heizen. Die Einsparung unter dem Strich, so es eine überhaupt geben würde, dürfte kaum messbar sein. Anders der vorgeschlagene verbindliche Check der Heizungen im Lande – bei vielen Anlagen dürfte es mit verhältnismäßig geringen Anpassungen möglich sein, Energie zu sparen. Wo allerdings die Installateure plötzlich herkommen sollen, die solche Arbeiten in Abermillionen Haushalten vor dem Winter noch schaffen können, sollte man klären, ehe man diesen Punkt mit Gesetzeskraft versieht. Mindesttemperaturen in Mietwohnungen ebenso wie in Büros sind in Deutschland selbstverständlich nicht frei wählbar. Sie sollen allerdings gesenkt werden können – sei es durch Ausnahmen in den üblichen Mietverträgen, wo sie zum Schutz vor Nässe und Schimmelbildung Standard sind, sei es in Unternehmen per Tarifvertrag oder gesetzliche Vorgaben. Mit den bevorstehenden heißen Debatten über dieses Vorhaben könnte bereits eine gewisse Wärmeentwicklung einhergehen. Private Pools nicht zu beheizen, ist das endgültige Abgleiten ins Klein-Klein. Besitzer eines Freibades im Garten werden schon angesichts der jetzigen deutschen Strompreise - nahezu Weltspitze, wie man weiß – nicht auf die Idee kommen, durchgehend ein Dampfbad im Freien vorzuhalten. Die wenigen, die es tun, werden ja intensiv zur Kasse gebeten. Der Wirtschaftsminister widerspricht der Befürchtung von staatlichen Heizkontrollen in Privathaushalten. „Das war nie so gemeint, dass wir eine Art Wärmepolizei einführen“, sagt er bei der Vorstellung seiner Pläne.

Kritiker aus der Wirtschaftswissenschaft sehen vor allem, dass beim Sparen und in der Lösungssuche seit dem Frühjahr wertvolle Zeit ungenutzt verstrichen ist. Der deutsch-amerikanische Ökonom Rüdiger Bachmann kritisiert zum einen, dass steigende Gaspreise seit Beginn des Ukraine-Krieges nicht für die Verbraucher spürbar wurden, was schon als Sparanreiz geholfen hätte. Auch die Suche nach Ersatz für russische Lieferungen, etwa Flüssiggas per Tanker, habe es erst spät gegeben. In der Tat waren sogar Überlegungen, die noch laufenden Kernkraftwerke über den 31. Dezember hinaus in Betrieb zu halten, vom Bundesumweltministerium schnell und kategorisch zurückgewiesen worden. Nun findet zwar eine erneute Prüfung statt, aber eine etwaige positive Entscheidung muss dann schon sehr bald getroffen werden. Weitere drei abgeschaltete Krenkraftwerke ließen sich reaktivieren. Entgegen Aussagen aus der Bundesregierung, dies helfe bei der Gaskrise nicht, verweisen Experten auf die zahlreichen Gaskraftwerke, die eben nichts anderes tun als Strom zu erzeugen. Auch das Argument, ein schnellerer Ausbau der Erneuerbaren hätte Unabhängigkeit vom Gas bringen können, hält wohl der Realitätsprüfung nicht stand. Der Ökonom Daniel Stelter sieht gar Bürgertäuschung am Werk: „Unterschlagen wird dabei, dass ein deutlich höherer Anteil der Erneuerbaren konventionelle Kraftwerke als Reserve verlangt, weil nicht genug Speicherkapazitäten vorhanden sind. Das ist am leichtesten mit Gaskraftwerken zu erreichen. Deshalb hat die Bundesregierung noch im Februar eine Vervielfachung der Gaskraftwerke als Brückentechnologie geplant, ohne zu wissen, wie lange diese Brücke tragen muss“.

Insgeheim hofft man allerorten wohl auf etwas, was nicht planbar, dennoch sehr hilfreich wäre: Ein milder Winter. Dazu weiß man dann im April 2023 mehr.

25.07.2022 | 12:54

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