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Münster verbietet Einfamilienhäuser

Was die Grünen im Bundestagswahlkampf forderten, setzt die westfälische Stadt nun um. Vor allem aus ökologischen Gründen will sie keine Einfamilienhäuser mehr zulassen. Sie trifft damit einen Sehnsuchtsort der Deutschen: 16 Millionen Einfamilienhäuser gibt es hierzulande. Sie diesen nicht nur der Altersvorsorge, sondern sind auch Symbol für Individualismus und Wohlstand.

Als eine der ersten größeren Städte in Deutschland will die Stadt Münster in Westfalen den Bau freistehende Einfamilienhäuser bis auf weniger Ausnahmen verbieten. Eine entsprechenden „Klimagerechte Bauleitplanung Münster" ist jüngst im Rat der Stadt vorgestellt und von dem Gremium, in dem Grüne, SPD und die Europapartei Volt zusammen regieren, gutgeheißen worden. Damit allerdings wenden sich die Parteien gegen ein Ziel, das bei den allermeisten Deutschen einen hohen Stellenwert besitzt.

Das eigene Häuschen, freistehend, mit Platz im Garten und ausreichend Abstand zum Nachbarn ist noch immer die beliebteste Wohnform in Deutschland. Etwa 16 Millionen Eigenheime gibt es in Deutschland, sie sind häufig eine solide Altersvorsorge in Zeiten der Inflation, Symbol für Freiheit, Individualismus und Wohlstand. „Schaffe, schaffe Häuslebaue“, ist nicht nur in Schwaben eine Tugend des deutschen Bürgertums.

Nun sind allerdings Bauplätze hierzulande rar geworden; in Städten sowieso, aber auch im ländlichen Raum tun sich Kommunen schwer, Flächen zu versiegeln, um Neubaugebiete auszuweisen. Aus ökologischer Sicht ist der Traum vom Einfamilienhaus eher ein Albtraum. Für vergleichsweise wenig Menschen wird viel Fläche verbaut, viel Baumaterial aufgewendet und auch die Energiebilanz ist insgesamt schlechter als bei Gebäudetypen mit mehreren Wohneinheiten. In Hamburg-Nord dürfen deshalb bereits keine Einfamilienhäuser mehr gebaut werden. Eine größere Stadt, die auf ein Verbot setzt, hat es bislang allerdings so noch nicht gegeben.

Die Mehrheit im Rat der Stadt sieht die Sache jetzt so: NRW ist beim Flächenverbrauch bereits jetzt ein abschreckendes Beispiel. Große Teile sind zubetoniert mit Wohnhäusern, Industriebauten und Verkehrswegen - fast ein Viertel, laut Landesumweltministerium. Die Lösung seien Mehrfamilienhäuser, heißt es: Mehr Menschen wohnen da auf annähernd gleicher Grundstücksfläche bei kleinerem Investment, da jeweils nur ein Dach oder eine Heizung notwendig sind.

Der Trend setzt sich bereits durch. Die Zahl der Baugenehmigungen für Einfamilienhäuser ist im vergangenen Jahr in Deutschland stark gesunken. Laut dem Statistischen Bundesamt genehmigten die Baubehörden 78.100 neue Einfamilienhäuser, 15.800 weniger als 2021. Das ist ein Rückgang von 16,8 Prozent. Die Zahlen für den Wohnungsbau sanken ebenfalls, was allerdings auch mit den steigenden Finanzierungskosten zu tun hat.

Um mehr Menschen auf einer kleinen Fläche Raum zu geben, soll es beim Wohnungsbau künftig hoch hinaus gehen: Langgezogene Hochhäuser mit dutzenden Wohneinheiten auf mehreren Etagen, die rundum saniert wurden und mit begrünten Dachterrassen und Mehrgenerationenkonzepten - in den Plattenbausiedlungen und Trabantenvierteln im Osten der Republik wird es bereits gelebt. Eine Sanierung von alten Wohnhäusern müsse attraktiver sein als neu zu bauen. Dafür sprach sich Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) aus. Im Zusammenhang damit schlug sie außerdem einen „anderen Nutzungszyklus" vor: Senioren, denen ihr Haus zu groß wird, weil die Kinder längst ausgezogen sind, könnten auf kleinere Wohnungen ausweichen, so dass jüngere Familien die alten Häuser kaufen und entsprechend sanieren könnten. Das würde beides vereinbaren: Fläche sparen und den Wunsch vom eigenen Haus ermöglichen.

Die Bauplaner in Münster führen zusätzlich an, dass zum Beispiel bei Starkregen das Wasser schlechter ablaufen könne und die Gefahr von Überflutungen steige. Deshalb sollen künftig auch nur noch wenige Doppelhaushälften und Reihenhäuser neu entstehen, etwa 15 Prozent sollen es nur noch sein. Neue freistehende Einfamilienhäuser soll es nur noch in absoluten Ausnahmefällen geben. Die Stadtplaner arbeiten an Modell-Quartieren am Stadtrand. Hier sollen platzsparende Mehrfamilienhäuser entstehen, zwar mehrgeschossig, aber durch Gemeinschaftsgärten und große Dachterrassen mit Wohnqualität für junge Familien.

Die Oppositionsparteien in Münster sparen nicht mit Kritik. CDU-Ratsfrau Babette Lichtenstein van Lengerich moniert, Münster habe schon jetzt viel zu wenig junge Familien, nur 16 Prozent. Und Familien locke man eben mit Einfamilienhäusern. Außerdem hörten sich die geplanten mehrgeschossigen Modellquartiere gut an, aber schnell seien dies die Ghettos von morgen.

Was die Stadt jetzt macht, hatte im zurückliegenden Bundestagswahlkampf bereits für Furore gesorgt. Der grüne Spitzenpolitiker Anton Hofreiter hatte 2021 den Weg in dieser Debatte vorgegeben: „Einparteienhäuser verbrauchen viel Fläche, viele Baustoffe, viel Energie, sie sorgen für Zersiedelung und damit auch für noch mehr Verkehr“, lautete sein Credo. Nach heftiger Kritik wiederholte Hofreiter seine Forderung nicht mehr. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt fand dazu folgende Erwiderung: „Die Grünen haben offenbar das Einfamilienhaus als neues Feindbild entdeckt. Dahinter steckt der ideologische Kampf von links-grün gegen das Eigentum. Statt Eigentum zu fördern und zu schützen, setzen die Grünen auf Bevormunden, Enteignen und Verbieten.“  Auch die FDP ist beim Thema Eigentum geradezu elektrisiert: „Die Grünen wollen den Menschen den Traum vom Eigenheim madig machen", wetterte Daniel Föst, der bau- und wohnungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion über den damaligen Hofreiter-Vorstoß: „Statt Bürgerinnen und Bürger in DDR-Plattenbauten zu pferchen, müssen wir endlich mehr Menschen den Weg ins Eigenheim ebnen.“ Das allerdings ist der seither amtierenden Ampelregierung auch nicht gelungen.

Oliver Stock

16.05.2023 | 15:47

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