Für den deutschen Mittelstand ist Nachhaltigkeit entscheidend für die eigene Zukunft, allerdings besitzt nur rund ein Drittel der Firmen eine konkrete Nachhaltigkeitsstrategie, so das Ergebnis einer Studie der Commerzbank (Foto: Shutterstock).



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Nachhaltigkeit ist schön und gut. Aber wie geht das?

Im Mittelstand gibt es genauso wie bei den großen Unternehmen ein Megathema: Nachhaltigkeit. Doch allenfalls ein Drittel der Mittelständler haben eine Vorstellung davon, was das für sie konkret bedeutet. Die anderen, so ergibt eine Studie, haben Angst vor einer schwer einschätzbaren Aufwand-Ertrag-Relation, unübersichtlichen Förderprogrammen und unsicheren gesetzliche Rahmenbedingungen.

Von Vera König / WirtschaftsKurier

Der Mensch lebt von Widersprüchen und der Mittelstand ist menschlich: Auf diese Idee jedenfalls kann kommen, wer die jüngste Studie zum Mittelstand liest, die die Commerzbank jetzt veröffentlicht hat. „Wirtschaft im Aufbruch: Die Chancen des Green Deal“, heißt sie, ist unter unternehmerperspektiven.de abrufbar und in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut Forsa entstanden. Ihr Ergebnis deckt einen eklatanten Widerspruch auf: Der Mittelstand sieht Nachhaltigkeit als entscheidendes Thema für die Zukunft, aber nur ein Drittel der befragten Firmen verfügt auch über eine konkrete Strategie zu dem Megathema.

Die Bank ließ die Meinungsforscher zur Sicherheit zweimal abfragen: einmal vor Ausbruch und zu Beginn der Corona-Pandemie von November 2019 bis März 2020 und einmal mitten in der Pandemie von August bis Oktober 2020. Zunächst hat Forsa etwa 2000 Unternehmen befragt, dann weitere 700, um mögliche Veränderungen durch Corona zu erfassen. Gesprächspartner für die Telefoninterviews waren Führungskräfte der ersten Ebene von Unternehmen mit mehr als zwei Millionen Euro Jahresumsatz. In den wesentlichen Punkten unterscheiden sich Erst- und Zweitbefragung aber kaum – trotz Corona-Pandemie.

Nachhaltigkeit bedeutet für die Unternehmen nicht nur Umwelt- und Klimaschutz: Drei Viertel der Befragten verstehen darunter einen Dreiklang aus Ökonomie, Ökologie und sozialer Verantwortung. Rund 70 Prozent sehen Nachhaltigkeit als notwendig für die Zukunftsfähigkeit und als Chance für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit. „Nachhaltigkeit ist neben Digitalisierung das zentrale transformatorische Thema der Wirtschaft – daran hat auch Corona nichts geändert“, sagt Michael Kotzbauer, Vorstand im Firmenkundengeschäft der Commerzbank.

Dennoch liegt vor den Unternehmen noch ein weiter Weg: „Ein Drittel besitzt eine Nachhaltigkeitsstrategie, ein Drittel plant und ein Drittel besitzt noch keine Strategie“, berichtet Aleksa Möntmann von Forsa. Und lediglich 15 Prozent der Mittelständler geben an, dass sie bereits neue Geschäftsfelder erschlossen und aufgebaut haben – oft gemeinsam mit ihren Kunden. „Unternehmen sehen die Chancen, nutzen sie aber nicht umfassend“, ergänzt Kotzbauer. Dabei ist nachhaltiges Engagement für die meisten Unternehmen ein Image- und Reputationsthema. Als Chance sehen sie die Stärkung der sozialen Verantwortung, Imagepflege bzw. Verbesserung der Reputation sowie Stärkung der Kundenbindung. Als größte Hindernisse bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen nennen die Unternehmen eine schwer einschätzbare Aufwand-Ertrag-Relation, unübersichtliche Förderprogramme und unsichere gesetzliche Rahmenbedingungen.

Neben der Gesamtstudie existieren auch Einzelauswertungen je nach Unternehmensgröße. Für die Sonderauswertung für Unternehmen mit 15 bis 100 Millionen Euro Jahresumsatz, die dem „WirtschaftsKurier“ exklusiv vorliegt, hat Forsa bei der Erst- und Zweitbefragung 293 und 103 Unternehmen interviewt. Auffallend: „Je größer ein Unternehmen ist, umso eher besitzt es eine Nachhaltigkeitsstrategie“, fasst Kotzbauer zusammen. Dies trifft vor allem auf die Firmen ab 50 Millionen Euro Jahresumsatz zu. 41 Prozent in dieser Gruppe besitzen eine Nachhaltigkeitsstrategie, gegenüber rund einem Drittel bei der Gesamtstudie. Und 25 Prozent der Unternehmen in dieser Größenordnung gründen neue Geschäftsfelder zusammen mit ihren Kunden gegenüber 15 Prozent bei allen Unternehmen.

Gut die Hälfte der insgesamt in der Studie befragten Unternehmen hat in den vergangenen zwei Jahren verstärkt in Nachhaltigkeitsmaßnahmen investiert, Firmen zwischen 50 und 100 Millionen Euro Jahresumsatz sowie Unternehmen mit Nachhaltigkeitsstrategie jedoch 62 Prozent. Denn gerade bei größeren Mittelständlern entwickelt sich Nachhaltigkeit zunehmend zum Wettbewerbsfaktor, zum Beispiel bei Ausschreibungen.

29.04.2021 | 10:15

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