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Netter Versuch

Kryptowährungen und NFT’s erleben einen Hype. Angetrieben durch Spekulanten, die sich zu Unrecht Anleger nennen, und zusätzlich befeuert durch politische Entscheidungen, die das Weltfinanzsystem durcheinanderbringen, scheint ihrer Entwicklung keine Grenze gesetzt. Doch sie werden einbrechen. Denn sie sind reine Kopfgeburten und alles andere als nachhaltig.

Von Oliver Stock

Ist es ein Magnet, dessen Kraft sich niemand entziehen kann? Ist es eine Sucht, die einen nicht loslässt? Oder ist es nur eine Mode, die morgen wieder vorbei ist? Kryptowährungen sind bei Anlegern gefragt, ihre Zahl nimmt ständig zu. Und in ihrem Gefolge sind sogenannte NFT’s zum heißen Tipp geworden. Die Abkürzung NFT steht für „Non Fungible Token", was auf deutsch so viel heißt wie „nicht ersetzbares Andenken". Dabei ist es möglich, ein virtuelles Objekt gegen echtes Geld oder auch Kryptowährung zu erwerben. Doch wie nachhaltig ist das? Die kurze Antwort lautet: Überhaupt nicht. Die Schlussfolgerung daraus heißt: Finger weg.

Die längere Antwort sieht so aus: Die Zahl der Anleger, die Geld in Kryptowährungen investieren, hat sich binnen eines Jahres mehr als verdoppelt, ergibt eine aktuelle Umfrage der Postbank. Während 2021 nur drei Prozent der Befragten angaben, ihr Geld in digitale Währungen zu stecken, sind es inzwischen bereits sieben Prozent. Sie alle sind keine Sparer oder Investoren, sondern in Wahrheit Spekulanten oder auf den Punkt gebracht: Es handelt sich um Spieler. „Einige Kryptowährungen konnten in der Vergangenheit fantastische Wachstumsraten verzeichnen – allerdings auch beispiellose Kursabstürze. Dies macht digitale Währungen zu hochspekulativen Anlageobjekten mit einem erheblichen Verlustrisiko“, sagt Katrin Chrambach von der Postbank.

Solche Warnungen verfangen aber vor allem bei jungen Anlegern nicht. Sie lieben es, ihr echtes Geld in digitale Währungen zu tauschen: Laut Postbank Umfrage handeln unter den 25- bis 34-Jährigen 17 Prozent und unter den 18- bis 24-Jährigen zwölf Prozent mit Bitcoin, Ether und Co. „Menschen, die von Kindheit an mit digitalen Technologien aufgewachsen sind, stehen digitalen Produkten in der Regel viel aufgeschlossener gegenüber als viele Ältere“, beobachtet Chrambach. Männer zeigen dabei eine noch höhere Affinität zu Kryptowährungen: Während bei den männlichen Befragten neun Prozent Geld in Digitalwährungen anlegen, sind es bei den Frauen nur drei Prozent. Der Zocker, auch das ist eine altbekannte Wahrheit, steckt also häufiger im Mann.

Neben der privaten Vorliebe kommt die große, derzeit wenig erfreuliche Weltpolitik dazu. Der Ukraine-Krieg und die damit einhergehenden Sanktionen gegen Russland zeigen die politische Anfälligkeit von weltumspannenden Zahlungssystemen. Das bedeutendste davon heißt Swift, und es steht derzeit unter besonderer Beobachtung. Ein Ausschluss aller russischen Banken von Swift würde das Land, das den Krieg gegen die Ukraine angezettelt hat, massiv treffen. Die Drohung steht im Raum, teilweise wird sie von der EU und den USA umgesetzt, womit die Sanktions-Verfechter Russland zwingen, Alternativen zu Swift zu suchen. Zahlungsströme über Kryptowährungen abzuwickeln, die von keiner staatlichen Seite kontrolliert werden können, liegt da aus russischer Perspektive nahe.

Vor diesem Hintergrund kommt hier der Warnhinweis. Er lässt sich verstehen, wie der Hinweis auf der Zigarettenschachtel: „Rauchen tötet“. Trotz der Warnung steigt die Zahl der

Raucher, weil jeder einen kennt, der trotz Rauchen uralt geworden ist. Bei den Kryptowährungen und den mit ihrer Hilfe gehandelten NFT’s ist es das gleiche: Jeder ahnt, dass das Ganze eine Luftnummer ist, aber jeder kennt auch eine oder einen, der damit reich geworden ist.

Die Warnung geht so: Kaufe niemals Finanzprodukte, die Du nicht verstehst. Der Rat stammt übrigens in abgewandelter Form von Anlegerlegende Warren Buffett, der Investoren davon abrät, ihr Geld in Firmen zu stecken, deren Geschäftsmodell nicht verständlich ist. Mit Blick auf Finanzprodukte bewahrheitete sich diese Warnung in der Finanzkrise vor 15 Jahren. Damals hatte sich auch die kleinste deutsche Landesbank mit sogenannten ABS-Produkten vollgesogen, deren Ausfallwahrscheinlichkeit lange niemand wahrhaben wollte, weil sie kaum einer verstanden hatte. Die ABS-Produkte, sogenannte „Asset Back Securities“ von damals sind die NFT‘s, die sogenannten „Non Fungible Tokens“ von heute. Wer in diese reinen Kopfgeburten investiert, dem ist kaum zu helfen, schon gar nicht, wenn er oder sie es auch noch via Kryptowährung versuchen.

Der Grund: In Kryptowährungen sowie jenen virtuellen Objekten, die von ihrer verschworene Gemeinschaft von Fans jenes kryptische Kürzel NFT erhielten, steckt nichts, was für etwas anderes verwendet werden könnte, als irgendjemanden zu finden, der mehr dafür bezahlt, als man selbst. Das Dumme ist nur: Im Unterschied zum ebenfalls sehr abstrakten Geld lässt sich mit Kryptowährungen bislang in Wirklichkeit fast nichts außer ein paar Prestigeobjekten kaufen. Wer es nicht glaubt, kann es beim Supermarkt um die Ecke ausprobieren.

Da hilft es auch nicht, wenn Krypto-Fans die unveränderliche Menge von Bitcoin und Co. als Wert an sich preisen. Denn in Wahrheit ist gerade das eines der schlimmsten Makel. Denn wie soll Wachstum entstehen, wenn das Geld nicht mitwächst? Die Antwort gibt der Bitcoin. Sein Beispiel zeigt: In der Menge begrenzte Währungen fördern nur das Hamstern. Ohne zentrale Geldmengensteuerung koppeln sich Preise von der Realität ab und schwanken enorm. Macht nichts, sagen die Krypto-Jünger und bezeichnen ihren Liebling eben als Anlageklasse. Aber nicht einmal das stimmt, da sich jede Kryptowährung auf keine Anlage außer auf sich selbst bezieht.

Eine Kopfgeburt, nichts wert, es gibt nichts dafür zu kaufen und als Anlage durch nichts hinterlegt – was sind Kryptowährungen dann? Die naheliegendste Erkenntnis ist, dass es sich um einen gigantischen Betrug handelt, oder besser: Um einen Selbstbetrug von Gläubigen, die viel zu tief im System versunken sind, als dass sie sich das jemals eingestehen könnten.

Zum Aufwachen hilft eine einfache Rechnung: Bitcoin und Co. existieren nur, solange sie in Euro und Co. aufgewogen werden. Wer aber einen Bitcoin mit Gewinn verkauft, kann das nur, weil ein anderer ihn zu einem höheren Preis gekauft hat. Jeder Euro, der aus einem Bitcoin-Verkauf stammt, kommt von einem Käufer, der ihn in die Scheinwährung investiert. Kryptoinvestitionen sind damit in Wahrheit ein Nullsummenspiel. Sie leben davon, dass auf einen Narr ein noch größerer folgt. Bis das ganze zusammenbricht. Der einzig passende Name für eine Kryptowährung müsste deswegen nicht zum Beispiel Bitcoin, sondern „Snowball“ also „Schneeball“ lauten – entweder er schmilzt in der Sonne, oder er zerplatzt beim Aufprall.

Genauso steht es um NFT’s, egal, ob Spieleanbieter, Künstler oder zuletzt auch grundsolide Firmen wie Adidas in das Geschäft eingestiegen sind. Der Sportklamotten-Hersteller verkauft orange Mützen für digitale Welten, die vielleicht die Köpfe von Avataren wärmen, aber nicht die von Anlegern.

Solche digitalen Objekte sollen in der Regel nicht kopierbar sein. Es gibt inzwischen Kunstwerke, Musikstücke, Filme oder digitale Inhalte für Videospiele oder eben auch coole Mützen als NFT. Ihre Echtheit garantieren sogenannte Blockchains, also vorgeblich fälschungssichere Aneinanderreihungen von Datensätzen. Bei einigen NFT-Modellen ist der neue Besitzer die einzige Person, die mit dem Objekt durch dessen Verkauf noch Geld verdienen kann. In anderen Fällen wird der ursprüngliche Hersteller an allen weiteren Verkäufen beteiligt. So zumindest die Theorie, der namhafte Firmen wie Microsoft, Nike, Gamestop und Ebay huldigen, die entsprechende Inhalte anbieten oder zumindest geplant haben. Doch auch für sie gilt, was sich bei Kryptowährungen auch endlich herumsprechen sollte: Sie haben keinen echten Wert.

Es ist absurd, für ein digitales Objekt Geldsummen auszugeben. In dem Spiel „F1 Delta Time" wurde beispielsweise ein virtueller „Formel 1"-Rennwagen für mehr als 100.000 Dollar ersteigert. Dafür gibt es in der realen Welt Autos, die einen äußerst bequem von A nach B bringen, in der virtuellen Welt gab es für das Geld einen Quellcode. Der mag einzigartig sein, aber ein Screenshot des virtuellen Flitzers sieht genauso aus, taugt genauso viel und wäre damit eine Kopie, die vom Original jedenfalls nicht durch mangelnde Funktionalität zu unterscheiden wäre, wie die chinesische Rolex vom Schweizer Original.

Der Wert eines NFT‘s wird einzig durch seine Nachfrage bestimmt, die dann aber wieder in realer Währung gemessen werden muss. Ähnlich wie beim Handel mit Kryptowährungen kann es dadurch zu einem starken Preisverfall kommen. Dann ist der Rennwagen, der zuvor für tausende Dollar gehandelt wurde, plötzlich nur noch einige Cent wert. Die Blase droht ständig zu platzen, weil kein reeller Wert hinter den Kaufobjekten liegt.

Schließlich gilt für Kryptowährungen wie für NFT’s: Nachhaltig im Sinne von umweltverträglich sind sie auch nicht. Zwar verbraucht der digitale Rennwagen keinen Sprit, aber Strom. Und davon nicht zu wenig. Die NFT-Projekte basieren auf Kryptowährungen wie Ethereum oder Bitcoin und die hinterlassen bereits einen deutlichen CO2-Abdruck. Er lässt sich anhand des Stromverbrauchs errechnen, den jede einzelne, digitale Transaktion mit sich bringt. Der Handel mit NFTs ist keine einmalige Sache, sondern besteht aus mehreren Schritten, die alle unterschiedlich viel CO2 erzeugen: das Erstellen, das Bieten, die Rücknahme eines Gebots, der Verkauf und das Übertagen des NFTs - alle Interaktionen machen aufwendige Berechnungen in der jeweiligen Blockchain nötig. Unbewiesen, aber deswegen nicht falsch, ist die Einschätzung von Kritikern, dass der Stromverbrauch von Kryptowährungen inzwischen dem eines Landes wie Argentinien gleichkommt. Der Ressourcenverbrauch im Internet steigt damit deutlich an.

Dies ist die lange Antwort auf die Frage, ob der NFT- Krypto-Boom nachhaltig ist. Er ist es nicht. Er ist eher vergleichbar mit dem, was Lehrer manchmal am Ende der Chemiestunde eingestehen müssen: Der Versuch war ein Versuch geblieben.

31.03.2022 | 16:10

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