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Dieser Mann könnte Trump besiegen

Er ist der coolste Politiker der USA. Er will gegen Donald Trump antreten und startet eine moderne Lässigkeitskampagne. Seine Fans nennen ihn schon „texanischer Kennedy“ oder „weißer Obama“. Bei den Demokraten keimt plötzlich Hoffnung

Ich will dabei sein. Mann, ich bin geboren, um dabei zu sein.“ Mit dieser Schlagzeile auf dem Titelblatt der Zeitschrift „Vanity Fair“ tritt Beto O’Rourke in den Kampf um die Nominierung zum demokratischen Präsidentschaftskandidaten ein. Der Spruch trägt Pathos und Lässigkeit zugleich in sich. Und genau so wirkt der Texaner aus der Grenzstadt El Paso: „Ein weißer Obama“ sei er, „ein texa­nischer Kennedy“ sei gekommen, schwärmen seine Anhänger, als sei der politische Messias da, der den Teufel Trump besiegen könne. Schlagartig ist „Beto“ der neue Star im amerikanischen Vorwahlkampf.

O’Rourke ist anders als gängige Politprofis. Er redet politisch unkorrekt, er wirkt schlaksig – ein Kandidat der Internetgeneration, der sein Leben permanent über Facebook und Instagram ausbreitet. Keine Krawatten, keine Zwänge – hochgekrempelte Hemden sind sein Markenzeichen. Er redet und geht wie Obama, er sieht aus und ist katholisch wie Kennedy, er verbreitet freundlichen Optimismus wie weiland der junge Ronald Reagan.

O’Rourke muss das Nonkonformistische nicht spielen. Er war Gitarrist und Sänger der Punkband Foss und wurde wegen Einbruchs 1995 (eine Mutprobe auf dem Gelände der Universität von El Paso) und einer Trunkenheitsfahrt 1998 sogar jeweils kurzzeitig verhaftet. Er ist das Gegenteil eines Karrieristen, hat englische Literaturwissenschaft studiert, war Aussteiger und schlug sich als Babysitter, Kunsttransporteur, Lektor, Dichter, Musiker und Kongresspraktikant durch. Er spricht gern über Literatur oder Musik, und bei Wahlkampfauftritten greift er schon mal zur Rockgitarre und spielt auf.

Wie der Pfleger im Altenheim

Der große Vorteil O’Rourkes (46 Jahre) ist seine gefühlte Jugendlichkeit. In der verkrusteten politischen Klasse der USA wirkt er wie der Krankenpfleger im ­Altenheim. Von Donald Trump (73 Jahre) und den größten Favo­riten der demokratischen Herausforderer, Joe Biden (76 Jahre), Bernie Sanders (77 Jahre) und Elizabeth Warren (70 Jahre), unterscheidet ihn eine ganze Generation. O’Rourke betont seine Rolle als Kandidat der Jugend Amerikas durch Sprache, Umgangsform, digitale Kommunikation und eine konsequente Anti-Establishment-Methode. Er verzichtet auf Gelder von den mächtigen politischen Aktionskomitees ebenso wie auf Industriespenden. Er setzt ganz auf eine Basisbewegung mit Kleinspenden. So gelang es ihm bereits im Texas-Wahlkampf, über Kleinspenden die Rekordsumme von 38 Millionen US-Dollar einzunehmen. Ungefragt erhielt der Hobby-Gitarrist Unterstützung der Musiker Willie Nelson und Beyonce oder des Basketball-Profis ­LeBron James. Und auch diesmal hat er binnen 24 Stunden nach seiner Selbst-Nominierung die Rekordsumme von 6,1 Millionen US-Dollar eingesammelt.

O’Rouke stammt aus einer Familie irischer Herkunft, spricht fließend Spanisch, tritt offen für eine liberale Zuwanderungspolitik ein und wird von den zusehends wichtigen Hispanics massiv unterstützt. Schon durch die Ankündigung hat sich das Rennen der Demokraten völlig verändert. In den vergangenen Wochen bestimmten dezidiert linke Kandidaten wie Sanders, Harris und Warren mit ihrer ältlichen Kapitalismuskritik die Schlagzeilen. Das wirkte mitten im Aufschwung eher sektiererisch. Beto O’Rourke dagegen ist Marktwirtschaftler, kauft schon mal Twitter-Aktien, war Startup-IT-Unternehmer. Er positioniert sich als die mittige Option, um breite Bürgerschichten und Wechselwähler anzusprechen. In der Klima- und Migrationsdebatte ist er freilich entschieden auf Anti-Trump-Kurs.

O’Rourke verkörpert das Prinzip eines lässigen, offenen Amerikas, das „keine Mauern braucht“. Die Medien finden Gefallen an ihm und seiner Familie, selbst die Fotografinnen-Legende Annie Leibovitz hat ihn schon ins rechte Licht gesetzt und das Cover-Foto von „Vanity Fair“ produziert. Da steht Beto neben einem Pick-up in der Prärie mit Hündin, Hände in den Hosentaschen und einem fordernden Nachdenk-Blick wie dem von Robert Kennedy. Die Botschaft lautet: Das wahre Amerika freier Menschen holt sich das Land zurück. Ausgerechnet aus dem konservativen Texas und nicht aus den liberalen Küstenstaaten könnte also der kommen, der Trump stürzt. Und so spielt O’Rourke geschickt mit dem Cowboy-Mythos.

Bevor er sich aber mit Trump wirklich messen darf, muss er erst einmal die Schar innerparteilicher Konkurrenten besiegen. 16 Bewerber sind bereits im Rennen. Neben den Oldies ragen die prominenten afroamerikanischen Politiker wie Kamala Harris und Cory Booker heraus, ebenso der in Umfragen überraschend starke, schwule Bürgermeister von South Bend (Indiana), Pete Buttigieg. Beto O’Rouke ist hingegen – bei all seiner Jungenhaftigkeit – auch der klassische Familienvater mit drei Kindern, Mann, weiß, Toyota-Fahrer. Sein achtjähriger Sohn Henry kündigt ihm bereits an: „Papa, wenn du Präsident werden willst, werde ich den ganzen Tag weinen.“ Beto O’Rourke antwortet: „Nur einen Tag?“ „Jeden Tag“, kontert Henry, woraufhin seine zehnjährige Schwester witzelnd ausmalt: „Das ganze Weiße Haus wird nass. Aber ich würde gern im Weißen Haus leben!“ Der älteste Sohn Ulysses zieht schließlich ein Fazit: „Ich möchte, dass du nur antrittst, wenn du auch gewinnst.“ Das hat er vor.

19.07.2019 | 13:26

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