Ökostrom aus ehemaligen Sowjetrepubliken soll russische Lieferungen ersetzen
Ein Strom- und ein Glasfaserkabel aus Aserbeidschan und Georgien, das jeweils durchs schwarze Meer verläuft, soll den Energie- und Datenaustausch zwischen Ost nach West fördern. Die EU treibt das Projekt voran, um die Unabhängigkeit von Russland zu vergrößern.
Ausgerechnet Ökostrom aus den beiden ehemaligen sowjetischen Gebieten Aserbaidschan und Georgien soll die EU unabhängiger von Energielieferungen aus Ländern wie Russland machen, die politisch nicht mehr auf ihre Agenda passen. Dafür ist der Bau eines Unterwasserkabels durch das Schwarze Meer nötig, ein entsprechendes Abkommen hat EU-Kommissionspräsidentin inzwischen unterzeichnet.
Es geht um 1100 Kilometer langes Unterwasserstromkabel mit einer Leistung von 1000 Megawatt, das von Aserbeidschan über Georgien durch das Schwarze Meer verlaufen soll, bis es das Gebiet der EU in Rumänien erreicht. Von da aus soll es via Ungarn Österreich und Westeuropa erreichen. Die Staats- und Regierungschefs Aserbaidschans, Georgiens, Rumäniens und Ungarns haben ein entsprechendes Abkommen mit der EU geschlossen, das Projekt soll bereits in drei Jahren fertiggestellt werden. Aserbaidschan will durch das Kabel Strom aus Offshore-Windparks nach Europa exportieren. „Um einen wachsenden Anteil erneuerbarer Energien zu integrieren, brauchen wir in der Tat stärkere Stromverbundnetze", sagte von der Leyen. Deshalb sei das Schwarzmeer-Energiekabel zwischen Rumänien, Georgien und Aserbaidschan so wichtig.
Die EU sei bereit, das Projekt finanziell zu unterstützen. Es werde dazu beitragen, die Versorgungssicherheit zu stärken, indem es Strom aus erneuerbaren Quellen über Rumänien und Ungarn in die EU bringe. Zudem könne das Schwarzmeerkabel Georgien zu einem Stromdrehkreuz machen und es in den EU-Binnenmarkt integrieren. Nach Angaben von von der Leyen und des rumänischen Präsidenten Klaus Iohannis wird das Unterseekabel auch der Republik Moldau und der Ukraine zugutekommen, deren Energiesicherheit durch die Stromabschaltungen von Gazprom und die russischen Bombardierungen des ukrainischen Netzes beeinträchtigt ist.
Laut dem aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliyev produziert Aserbaidschan derzeit 27 Gigawatt Wind- und Solarenergie und entwickelt Projekte wie weitere Offshore-Anlagen im Kaspischen Meer, die diese Kapazität bis Ende 2027 um vier Gigawatt erhöhen sollen, das entspricht etwa einem Viertel der Kapazitäten, die derzeit in Deutschland am Netz sind. Georgien wiederum erzeugt etwa Dreiviertel seines Stroms mit eigenen Wasserkraftwerken, der Rest stammt aus fossiler Energie. Das Land war jahrzehntelang auch energietechnisch von Moskau abhängig, konnte aber diese Abhängigkeit inzwischen deutlich verringern. Allerdings braucht es stärker dimensionierte Netze, um Strom auch exportieren zu können.
Das Unterwasserstromkabel soll durch ein Glasfaser-Projekt ergänzt werden. Es soll die europäische Datenverbindung nach Asien über Georgien beschleunigen. Zugleich wird das Kabel abseits von russischem Gebiet verlaufen und ist damit russischer Kontrolle entzogen, Die Europäische Kommission will damit gezielt die Abhängigkeit der Region von russischer Netzinfrastruktur verringern. Wie sicher beide Kabel sind, ist offen. Der Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer (Grüne/EFA) hat darauf hingewiesen, dass Russland bereit sei, gezielt auf sensible Infrastrukturen zu zielen. Im Schwarzen Meer sind bislang allerdings in jüngerer Zeit keine russischen Sabotageakte dokumentiert. Im Jahr 2022 hatte es einige ungeklärte Angriffe auf Datenleitungen gegeben. Im Fernen Osten hat China gerade einige Projekte zur Verlegung und Wartung von Unterwasser-Internetkabeln durch das Südchinesische Meer behindert. Peking versucht, auch wegen der Taiwanfrage, mehr Kontrolle über die Netzinfrastruktur zu erlangen.
Oliver Stock
05.06.2023 | 15:54