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Portugal: Das Anti-Griechenland

Portugal ist der Musterschüler bei der Krisenbewältigung und das totale Gegenmodell zu Griechenland. Bei der Parlamentswahl hat das konservative Parteibündnis von Premier Coelho jetzt sogar die meisten Stimmen erhalten – trotz harter sozialer Einschnitte.

Der Wahlsieg der bürgerlichen Koalition in Portugal ist ein gutes Zeichen für Europa. Der Regierung im ärmsten Land Westeuropas ist es gelungen, linke und rechte Populisten von der Macht fernzuhalten – trotz strikten Spar- und Reformkurses. Vier Jahre nach drohendem Staatsbankrott, Hilferuf und Einzug der Troika hat Portugal die Krise hinter sich gelassen – wirtschaftlich und politisch.

Anders als Griechenland hat sich Portugal in den vergangenen Jahren für einen seriösen Kurs der Sparsamkeit und der liberalen Reformen entschieden. Passos Coelho, Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei (PSD), die trotz ihres Namens liberalkonservative Positionen vertritt, hatte gemeinsam mit der konservativen Volkspartei (PP) während der vergangenen vier Jahre ein hartes Sanierungsprogramm umgesetzt und das Land aus der Rezession geführt. Den Kurs der Austerität hatten der Internationale Währungsfonds, die Europäische Zentralbank und die EU verlangt. Diese „Troika“ hatte das hoch verschuldete Land 2011 mit Garantien für Kredite über 78 Mrd. Euro vor dem Staatsbankrott gerettet.

Verschuldung ist immer noch hoch

Seit Mai vergangenen Jahres finanziert sich Portugal wieder selbst am Finanzmarkt. Die Ratingagentur Standard & Poor’s stufte die Bonität jüngst wegen der Reformerfolge auf eine Stufe unter Investment-Grade hoch. Die Wirtschaftsleistung soll in diesem Jahr um 1,6 % zulegen. Die Verschuldung der Haushalte hat inzwischen deutlich abgenommen, auch die Staatsverschuldung sinkt, wenngleich sie mit 124 % des Bruttoinlandsprodukts immer noch sehr hoch ist.

Die finanzielle Situation der Unternehmen verbessert sich schrittweise: Die Gewinne erholen sich und die Insolvenzen gehen zurück. Die Industrieproduktion stieg im ersten Halbjahr überraschend stark. Gestützt wird der Aufschwung inzwischen auch vom privaten Konsum, der das wachsende Verbrauchervertrauen widerspiegelt. Der mit der Beschäftigungszunahme einhergehende Rückgang der Arbeitslosigkeit hat zu einem besseren Konsumklima beigetragen. Unterdessen gibt auch der Außenbeitrag stärkere Impulse, da die Importe leicht rückläufig sind und die Exporte steigen. Im ersten Quartal betrugt das Exportwachstum 4 %.

Nachdem die Arbeitnehmer bei Löhnen und Gehältern Zurückhaltung geübt haben und der Arbeitsmarkt umstrukturiert wurde, steigen die Gewinnspannen der portugiesischen Unternehmen spürbar an. Zudem geht die Zahl der Firmenpleiten seit 2013 wieder zurück, nachdem sie sich in den Jahren zwischen 2007 und 2012 mehr als verdreifacht hatte. Auch die vom französischen Kreditversicherer Coface registrierten Zahlungsausfälle, die Anfang 2012 einen traurigen Spitzenwert erreicht hatten, sind spürbar gesunken.

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Die Portugiesen mussten allerdings für diesen Erfolg einen hohen Preis zahlen. Die konservative Regierung erhöhte die Steuern kräftig, strich Feiertage, kürzte Gehälter und Pensionen. Sie ging so eifrig ans Werk, dass das Verfassungsgericht mehrfach einschritt und die Kürzungen begrenzte. Wegen der tiefen sozialen Einschnitte hatten viele Mitteleuropäer erwartet, dass sich die Portugiesen politisch radikalisieren. Doch bei der jetzigen Wahl zeigte sich das Volk besonnen und mittig. Das ist eine gute Nachricht für das restliche Europa und ein wichtiges Signal für das Nachbarland Spanien, wo gerade der Wahltermin auf den 20. Dezember festgelegt wurde.

Portugal war nach Griechenland und Irland das dritte Mitglied der Eurozone, das von den Partnern und dem Internationalen Währungsfonds aufgefangen werden musste. Das griechische Beispiel mit all den Turbulenzen der vergangenen neun Monate lag wie ein Schatten auf dem portugiesischen Wahljahr. Passos Coelho gehörte zu denen, die strikt gegen Konzessionen an den Athener Regierungschef Alexis Tsipras eintraten. Er musste eine Schwächung zu Hause fürchten. Es kam aber anders. Sogar die konkurrierenden Sozialisten distanzierten sich von der als unseriös eingestuften ersten Syriza-Regierung. So war die Frage, ob die 78 Mrd. Euro für Portugal nicht auch schmerzloser zu haben gewesen wären, am Ende nicht einmal mehr ein Thema.

Griechenland hat viel Zeit verloren

Von den fünf „Programmländern“, die gestützt werden mussten, haben sich inzwischen vier, nämlich Portugal, Irland, Spanien und sogar Zypern, ernsthaft bemüht, ihre Hausaufgaben zu machen. Nur das fünfte, Griechenland, hat viel Zeit und Geld verloren und die Kurskorrektur erst einmal nur versprochen. Portugal hatte schon eine lange Leidensstrecke mit einem Jahrzehnt des Nullwachstums hinter sich, als es von der Finanzkrise in die Insolvenz getrieben wurde. Es hat sich aber den Notwendigkeiten der Austeritätspolitik gefügt und so wieder Tritt gefasst.

Allerdings ist der Weg zu einem nachhaltigen Aufschwung noch steinig. Denn Portugal, das gerade mal 10 Mio. Einwohner hat, kämpft mit einer Massenabwanderung junger, gut ausgebildeter Menschen. Die Gesellschaft ist überaltert und die Demografie verspricht angesichts der niedrigsten Geburtenrate in Europa keine Linderung. Vielmehr verlassen die Portugiesen ihr Land ähnlich wie in den 1960er-Jahren mit den alten Zielen in Mittel- und Nordeuropa und mit neuen: den ehemaligen Kolonien in Angola, Mosambik und Brasilien.

09.11.2015 | 13:35

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