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Reißt der gefallene Kaufhaus-König jetzt auch noch Banken in den Abgrund?

René Benko hat der Galeria Kaufhof kein Glück gebracht. Noch immer steht ein Sanierungsplan aus. Doch das könnte nicht sein Hauptproblem sein. Inzwischen interessiert sich sogar die Aufsicht der Europäischen Zentralbank für sein milliardenschweres Imperium. Die Befürchtung: Benkos Fall könnte Banken schwer in Mitleidenschaft ziehen.

Die eine Seite sieht so aus: Da ist die Galeria Kaufhof, einst Mittelpunkt vieler Innenstädte, ist sie inzwischen Sorgenkind vieler Stadtväter geworden. Bis zu 60 von 131 Filialen stehen vor der Schließung. Seit Anfang Februar läuft das Insolvenzverfahren. Mehr als 17.000 Beschäftigten bangen um ihren Arbeitsplatz. Es ist schon der zweite Kahlschlag, denn 2020 wurden bereits 40 Häuser geschlossen. Seinerzeit haben die Gläubiger auf zwei Milliarden Euro verzichtet in der Hoffnung, dass der Konzern die Kurve kriegt. Rund 4000 Beschäftigte verloren damals ihren Job. Mehr als 680 Millionen Euro staatlicher Hilfen sind in die Sanierung des Konzerns geflossen. Offenbar vergeblich: Galerie Kaufhof liegt schon wieder im Graben. Sanierungschef Arndt Gleiwitz will eigentlich die immer wieder verschobenen Pläne für den Neustart noch in diesem Monat präsentieren. Zuletzt war die Rede davon, dass die Filialen „regionalen Anforderungen“ angepasst werden sollen. Das schließt mit ein, dass in den Häusern sogar einzelne Abteilungen aufgegeben werden, um das Ziel von 40 Prozent weniger Kosten erreichen zu können.

Doch da ist noch eine andere Seite dieser Geschichte – und die siehrt womöglich noch düsterer aus. René Benko, der Eigentümer des angeschlagenen Konzerns, hält sich angesichts der Misere auffallend zurück. Das war schon bei der ersten Pleite der Fall. Laut Sanierer Gleiwitz soll er sich diesmal mit 200 Millionen Euro an der Rettung beteiligen. Für den schillernden Milliardär, dessen Vermögen auf mehr als fünf Milliarden Euro geschätzt wird, ist das eigentlich eher Kleingeld. Eigentlich. Der Österreicher hat jedoch nicht nur mit dem Kaufhauskonzern Probleme. Im Heimatland ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn. Der 45-jährige soll unter anderem einen hohen Finanzbeamten bestochen haben. Vom Vorwurf der politischen Korruption eines ehemaligen Wiener Gemeinderats wurde er Ende Januar in erster Instanz mangels Beweise freigesprochen. Doch die Staatsanwaltschaft hat bereits ein Revisionsverfahren angekündigt.

Noch folgenreicher für den öffentlichkeitsscheuen „Ösi-garchen“ könnte sein, dass ihm auch die Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB) im Nacken sitzt. Die sorgt sich wegen der Kredite von Benkos Finanzholding Signa. Die Notenbank ist alarmiert, weil möglicherweise die Schulden von Benkos Finanzgruppe mehrere europäische Banken besonders belasten könnten. Hintergrund ist, dass Signa mit der russischen Sberbank zusammengearbeitet hat, der die EZB die Lizenz entzogen hat. Wackelt jetzt deshalb die ganze Gruppe?

Bei der EZB in Frankfurt „kommentiert man den Sachverhalt nicht“, was immerhin heißt, dass es hierzu tatsächlich einen Vorgang gibt. Vor allem bei der österreichischen Raiffeisenbank soll die Signa besonders heftig in der Kreide stehen. In Wien musste inzwischen sogar Finanzminister Markus Brunner (ÖVP) im Parlament Stellung beziehen, ob eine Schieflage von Benkos Gruppe den gesamten Finanzplatz Wien in den Abgrund reißen könnte.

Die Nervosität hat ihren Grund. Nicht nur die Zusammenarbeit mit der russischen Bank ist geplatzt. Es geht auch um die Wende an den Finanzmärkten, die Benko zu schaffen machen dürfte. In Zeiten billiger Kredite und steigender Immobilienpreise konnten Investoren wie Benko viel Geld verdienen. Doch jetzt sind Darlehen zu Refinanzierung merklich teurer geworden, während sich gleichzeitig der Wert von teuren Innenstadtgebäuden im Sinkflug befindet. Den Kreditgebern blüht nun, dass sie ihre Sicherheiten neu berechnen und möglicherweise hohe Beträge abschreiben müssen. Das könnte so manches Geldhaus in die Bredouille bringen. Deshalb will die EZB offenbar Klarheit über Benkos Finanz- und Immobilienimperium schaffen.  

Vor kurzem hat bereits Trigema-Chef Wolfgang Grupp kein gutes Haar an dem österreichischen Unternehmerkollegen gelassen. Dessen Verhalten könne er nicht mit seinem Rechtverständnis vereinbaren, so der schwäbische Textilfabrikant. „Herr Benko hat die Grundstücke und die Immobiliengesellschaft in die eine Tasche gesteckt und die Betreibergesellschaft in die andere Tasche. Und die Betreibergesellschaft hat er zweimal in die Insolvenz gehen lassen", stellt Grupp fest. „Wo ist seine Verantwortung den Mitarbeitern gegenüber?"

Kritisch beäugt auch Investor, Unternehmerkolleger und Milliardär Klaus Michael Kühne das Treiben Benkos. Der Mehrheitseigner von Kühne + Nagel Großaktionär bei Hapag Lloyd und der Lufthansa, ist auch mit zehn Prozent an Signa Prime Selection beteiligt, die zu Benkos Holding gehört. Im Gespräch mit dem „Manager Magazin“ lässt der Hamburger Patriarch durchblicken, dass er sich von dem schlagzeilenträchtigen Partner sogar mit Verlust trennen will. Von Benkos ehrgeizigen Immobilienpläne in der Hansestadt will Kühne auch nichts mehr wissen. Tatsächlich befürchtet man in Hamburg schon länger, dass der Österreicher mit dem Projekt „Elbtower“ mit 64 Stockwerken die größte Bauruine Deutschlands hinterlassen könnte.

Bei Signa sind eine Reihe von illustren Investoren vertreten: Dazu zählen unter anderem die französischen Peugeot-Brüder, der Schweizer Lindt & Sprüngli-Chef Ernst Tanner oder der Fressnapf-Gründer Torsten Toeller. Auch Baulöwe Hans Peter Haselsteiner, (Züblin und Strabag) sowie der österreichische Altkanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) mischen mit. Der frühere Porsche-Chef Wendelin Wiedeking ist hingegen bereits 2017 aus dem Konglomerat ausgestiegen. Eigentlich sollte Spitzenmanager Günter Helm zusammen mit Benkos Statthalter Dieter Berninghaus die Holding führen. Doch der frühere Chef der Lebensmittelkette Hofer (der österreichische Aldi-Ableger) und des Drogisten Müller hat es vorgezogen den Chefsessel des saudi-arabischen Handelskonzerns Cenomi Retail zu übernehmen.

Benkos Holding ist ein schwer zu durchschauendes Konglomerat von Einzelfirmen und Beteiligungen. Sie gilt unter anderem als eine der wichtigsten Akteure auf dem europäi¬schen Immobi¬li¬en¬markt mit einem Ver¬mö¬gen von 24 Milli¬ar¬den Euro. In der Schweiz ist er Miteigentümer der Globus-Gruppe, und in den USA sorgte er 2019 für Aufsehen, als er das Chrysler-Hochhaus in New York erwarb, ein Meisterwerk des Art déco. In Wien ist er unter anderem Eigentümer des aufwendig renovierten Hotels Park Hyatt. Die Einzelhandelstochter Signa Retail kam 2020 auf einen Umsatz von sieben Milliarden Euro. Die Mediensparte hält Anteile an den großen österreichischen Zeitungen Krone und Kurier. Benko kontrolliert über seine Familienstiftung 85 Prozent an der Signa Holding.

Der Milliardär zählt zu dem engen Wiener Kreis von Politik und Unternehmern. In der „Freundlswirtschaft“ schiebt man sich hinter verschlossenen Türen Aufträge, Posten und andere Gefälligkeiten zu, die Macht und Einfluss sichern – egal welche Partei gerade vorne liegt. Der Tiroler soll unter anderem eng mit dem zurückgetretenen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sowie dessen stramm konservativen Vize Heinz-Christian Strache (FPÖ) verbunden gewesen sein.

Der 1977 in Innsbruck geborene Benko ist aus einfachen Verhältnissen zu den reichsten Österreichern aufgestiegen. 2012 stieg er groß in die Handelsbranche ein, als er gemeinsam mit dem israelischen Geschäftsmann Beny Steinmetz das Berliner KaDeWe (Kaufhaus des Westens) und in der Folge 16 Immobilien der deutschen Karstadt-Gruppe für mehr als eine Milliarde Euro übernahm. Im Jahr 2019 schluckte der Österreicher den Kaufhof-Konzern, wodurch die Galeria-Karstadt-Kaufhof-Gruppe entstand.  

Ob eine Sanierung von Galeria-Kaufhof überhaupt gelingen kann, ist umstritten. Die jüngsten Pleiten der Ketten Goertz und Peek & Cloppenburg belegen, dass die Zeiten im Einzelhandel eher noch schwieriger geworden sind, weil Inflation und hohe Energiekosten den Verbrauchern die Kauflaune verdorben haben. Die Wettbewerber C&A, Primark, und H&M wollen deshalb ihr Filialnetz in diesem Jahr ebenfalls beschneiden. Viel Zeit zur internen Debatte bleibt allerdings nicht. Denn offenbar wird nicht nur bei Galeria die Luft immer dünner. Auch dessen Eigner könnte in Schnappatmung geraten.

Andreas Kempf

08.03.2023 | 11:55

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