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Robert Habeck macht kehrt: Gasumlage wird überprüft

Weil die Gasumlage auch Konzernen zu Gute kommen sollte, die Gewinne einfahren, hat der Wirtschaftsminister viel Kritik einstecken müssen. Jetzt will er nachbessern. Ob das hilft, den Kreis der Nutznießer einzuschränken, bleibt aber offen. Denn viele Konzerne können gar nicht anders, als die Hand aufzuhalten.

„Wir haben ein politisches Problem.“ Wirtschaftsminister Robert Habeck räumt ein, dass die Gasumlage von 2,419 Cent plus Mehrwertsteuer zum Aufreger des Sommers geworden ist – und jetzt wahrscheinlich nachgebessert werden muss.

Grundsätzlich besteht Einigkeit, dass schwer angeschlagene Unternehmen wie der Energiekonzern Uniper abgesichert werden müssen, damit die Gasversorgung für Unternehmen und Verbraucher gesichert bleibt. Der Düsseldorfer Konzern, der bisher ein Viertel des in Deutschland verbrauchten Gases liefert, ist in Schieflage geraten, weil man sich bisher überwiegend günstig aus Russland eingedeckt hat. Jetzt muss Uniper den Brennstoff aus anderen Ländern teuer einkaufen. Das reißt ein Loch von rund 60 Millionen Euro in die Kassen des Konzerns - pro Tag.

Dieses Loch sollen die Gaskunden Kilowattstunde für Kilowattstunde mit einer Zusatzabgabe abstottern. Allerdings profitieren nicht nur der Düsseldorfer Konzern und die ebenfalls angeschlagene SEFE – die ehemalige Gazprom Germania – von der eilig zusammengeschusterten Gasumlage. An diese beiden Unternehmen gehen rund 75 Prozent der Umlage. Insgesamt halten elf Unternehmen die Hand auf. Mitkassieren soll auch die SEFE-Tochter WIEH und der Partner VNG, die Gastochter der Energie Baden-Württemberg (EnBW). „Das Umlagesystem ermöglicht für die VNG keine Gewinne, sondern mindert Verluste.“, heißt es erklärend aus Leipzig.

Kassieren ohne Not

EnBW-Chef Mastiaux hat allerdings kürzlich erklärt, dass eine Schieflage bei VNG unwahrscheinlich sei. Und die Konzernmutter ist im Gegensatz zu Uniper erst recht weit von einer Pleite entfernt. Dafür sorgen glänzende Geschäfte mit Strom. So haben die Karlsruher erst kürzlich ihren Kunden mitgeteilt, dass auch der Strompreis um ein Drittel steigen wird. Anders als der Konkurrent RWE in Essen will die EnBW dennoch nicht auf die geplante Gasumlage verzichten. „Die Situation ist nicht vergleichbar“, meint Finanzchef Thomas Kusterer Er beziffert die Ergebnisbelastungen im ersten Halbjahr durch höhere Kosten bei der Gasbeschaffung auf rund 550 Millionen Euro. Im ersten Halbjahr 2022 hat der Karlsruher Energieriese dennoch fast 1,5 Milliarden Euro Gewinn verbucht.

„Für einige dieser Unternehmen ist die Gasumlage nicht überlebenswichtig und daher nicht notwendig", meint Andreas Schröder, Leiter der Energieanalyse beim Energiemarktforscher ICIS. Dazu zählt sicherlich auch die deutsche Tochter des österreichischen Mineralölkonzerns OMV, der insgesamt für 2021 einen Gewinn von mehr als fünf Milliarden Euro ausgewiesen hat. Auch der Schweizer Energiehändler Axpo verdiente allein im ersten Halbjahr eine halbe Milliarde Schweizer Franken. Mitkassieren will auch der Energiehändler EWE, der nur 1,5 Prozent seines Gases aus Russland bezieht und somit keine erhebliche Umstellung finanzieren muss. Auch Energiehändler wie Vitol, Gunvor, DXT und ENET hätten Anträge gestellt, obwohl sie teilweise massiv von steigenden Preisen profitierten, bemängelt die Berliner Anwaltskanzlei Raue, die derzeit sogar eine Verfassungsklage prüft.

Den Unternehmen wird es leicht gemacht, die Hand bei der zuständige Trading Hup Europe (THE) aufzuhalten. Denn eine Verknüpfung des Antrags an eine Insolvenzgefahr ist in der Rechtsverordnung zur Einführung einer Gasumlage (Paragraf 26 des Energiesicherungsgesetzes) nicht enthalten. „Eine drohende Insolvenz zählt in der Tat nicht dazu“, bestätigte eine Sprecherin Habecks. „Wir stehen auf dem Standpunkt, dass ein Unternehmen auch Gewinne machen muss, um sich breiter aufzustellen und sich letztlich unabhängiger zu machen von russischen Gaslieferungen.“

Gesetzlich zum Abkassieren verpflichtet

Sind die Unternehmen „Trittbrettfahrer“ wie Habeck jetzt geltend macht? Eher nicht. Viele Topmanager müssen sich sogar um solche Leistungen bemühen, um sich nicht strafbar zu machen. So schreibt beispielsweise das Aktiengesetz den Vorständen vor, dass sie alle Möglichkeiten nutzen müssen, um die Entwicklung des Unternehmens im Sinne der Aktionäre so positiv wie möglich zu gestalten und Schaden abzuwenden. Die Aufsichtsräte sind wiederum verpflichtet, darauf zu achten, dass die Chefetage solche Möglichkeiten auch ausschöpft. Aus diesem Grund haben während Corona auch große Konzerne Kurzarbeitergeld oder Beihilfen beantragt, um dann am Ende des Jahres mit prächtigen Gewinnen dazustehen. Habecks Rat an Unternehmen, auf eine Erstattung aus der Umlage zu verzichten, ist also streng genommen ein Aufruf zum Rechtsbruch. Somit wird auch interessant, ob der Vorstand der börsennotierten RWE nicht noch von den eigenen Anteilseignern belangt wird, weil man nach eigenen Angaben auf die Umlage für die
Gas-Tochter Supply & Trading verzichten will.

Zoff in der Koalition

Wegen der Zwangsabgabe knirscht es inzwischen merklich in der Ampel. „Die Gasumlage muss sich so verändern, dass Firmen, die gigantische Gewinne machen, schlichtweg davon nicht profitieren. Das ist nicht vermittelbar“, erklärt Habeck Parteifreund Anton Hofreiter, der Vorsitzender des Europa-Ausschusses im Bundestag ist. Die SPD-Mitvorsitzende Saskia Esken droht sogar mit einer Blockade ihrer Fraktion im Bundestag. Finanzminister Christian Lindner ist für mögliche Nachbesserungen offen: „Eine Maßnahme der Solidarität kann nicht dazu dienen, dass einzelne Unternehmen ihre Rendite pflegen und Gewinne darauf machen“, so der FDP-Chef in der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“.

Mit heißer Nadel gestrickt

Die Gasumlage wurde offenbar mit heißer Nadel gestrickt. Und hat eine Vielzahl von Webfehlern. Die Kanzlei Raue rügt beispielsweise auch, dass Stadtwerke die staatlich verordnete Abgabe komplett einbehalten dürfen, wenn sie wollen.

Die Anwälte bemängeln auch, dass die Umlage nicht geeignet sei, Insolvenzen von Importeuren wie Uniper abzuwenden. Vielmehr würde die Maßnahme die Preise auf dem Gasmarkt noch weiter in die Höhe treiben. Außerdem seien Verbraucherinnen und Verbraucher von Gas unverhältnismäßig hoch belastet. Die Berliner Juristen sind der Überzeugung, dass dies gegen das Gleichheitsgebot gemäß Art.3 Grundgesetz verstößt. Dort heißt es: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ Eine Ungleichbehandlung ist nur möglich, wenn sie verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Hierfür gelten jedoch strenge Anforderungen. Deshalb prüft die Kanzlei im Auftrag „von zwei Handvoll Unternehmen“ die Möglichkeit einer Verfassungsklage.

Anrechnung auf Festpreisgarantie umstritten

Die Verbraucherzentralen Bundesverband (vzbv) bezweifeln zudem, dass die Gasumlage bei festen Lieferverträgen so einfach draufgerechnet werden kann. In einigen Fällen haben die Versorger einen Passus eingebaut, der die Weitergabe von so einem staatlichen Eingriff zulässt. Ob das rechtlich wasserdicht ist, ist umstritten. Verbraucherschützer empfehlen, den Versorgern schriftlich mitzuteilen, dass die Umlage lediglich „mit Vorbehalt“ entrichtet wird.

„Murks sondergleichen“

Als „schlechten Scherz der Bundesregierung“, bezeichnet der bayerische Wirtschaftsminister Huber Aiwanger (Freie Wähler), dass die Umlage auch auf Biogas gelten soll. Das sei genauso unsinnig als würden Windräder eine CO2-Abgabe zahlen müssen. „Ein solcher gesetzgeberischer Murks sucht seinesgleichen.“

Andreas Kempf

26.08.2022 | 15:44

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