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Rot-rot-grün macht Monsterschulden? Die Anleger lässt das ziemlich kalt.

Rot-rot-grün gilt an den Finanzmärkten als unwahrscheinlich. Und wenn doch? Dann steigt die Rendite deutscher Staatsanleihen, damit sie jemand kauft. Die Rente wird keinen Aktienanteil bekommen, was die Anleger etwas betrübt. Und wer reich ist, pfeift auf die steigende Vermögenssteuer, weil er ins Ausland zieht.

Rot-rot-grün und die Börse jubelt? Ja, das könne schon sein, sagt Alexander Berger vom Stuttgarter Vermögensverwalter Daubenthaler & Cie. „Allerdings nur im Ausland“, fügt er hinzu. Und auch der Grund wäre kein wirklich substanzieller. Anleger in Italien, Spanien und anderswo könnten nach einer rot-rot-grünen Regierungsbildung darauf setzen, dass Deutschland seinen hinhaltenden Widerstand gegen hohe Staatschulden aufgibt, voll auf die Linie einer sehr lockeren Geldpolitik einschwenkt und öffentliche Investitionen hochfährt. So was käme an bei manchen europäischen Anlegern, meint Berger.

Hierzulande jedoch, so meinen beispielsweise die Analysten der Landesbank Baden-Württemberg sei eine „Linksverschiebung“ nach der Wahl ein „Schreckgespenst“ vor allem für den Markt für Staatsanleihen. Der Hintergrund: Bislang gilt Deutschland als ein 1a-Schuldner, der seine Gläubiger niemals im Regen stehen lässt. Würde das Ausland ein Wappen für Deutschland entwerfen - es wäre die schwäbische Hausfrau, sagt ein Frankfurter Anleihehändler. Ein Linksbündnis allerdings würde eine deutlich laxere Schuldenpolitik wahrscheinlicher machen. Zu allem Überfluss könnte sich eine solche Regierung auch noch aufgeschlossen zeigen gegenüber einer dauerhaften gemeinsame Schuldenaufnahme in der EU. Und all das würde die Bonität der deutschen Staatsanleihen belasten, und es notwendig machen, den Zinssatz auf diese Papiere zu erhöhen, damit sie jemand kauft.

Aber: Rot-rot-grün wäre schon die größte Überraschung, meint der Ökonom Andreas Billmeier von der Fondsgesellschaft Western Asset, einer Tochtergesellschaft von Franklin Templeton. Die Konstellation habe bei den Buchmachern im Moment allerdings nur eine Wahrscheinlichkeit von 15 Prozent. „Wenn es zu einer solchen Regierungsbildung kommt, könnte das in der Tat sogar den Wechselkurs des Euro bewegen“, sagt Billmeier.

Auf den Aktienmarkt könnte sich negativ auswirken, dass ein solches Bündnis keinen Gedanken daran verschwendet, die private Altersvorsorge über Aktien voranzubringen. Alle drei suchen Lösungen allein im gesetzlichen Rentensystem, die Notwenigkeit für eine zweite, kapitalgedeckte Säule wird allenfalls bei den Grünen gesehen. Für SPD und Linkspartei sind das dagegen Zockereien der Wall Street. Der bisherige SPD-Kanzlerkandidat und Finanzminister Olaf Scholz hat für sich selbst Aktien als Altersvorsorgemodell abgelehnt. Seine Haltung neigt eher zum verlustreichen Sparbuch, als zum günstigen Indexzertifikat. „Anstatt breite Bevölkerungsschichten am Produktivvermögen mit steuerlicher Förderung und späterer Entspannung der Sozialausgaben zu beteiligen, brandmarkt ideologische Besserwisserei private Altersvorsorge als Teufelszeug“, bringt es Robert Halver von der Baader Bank auf den Punkt.

Die meisten Ideen der Parteien links von der Mitte sind nur über höhere Steuern oder mehr Schulden zu bezahlen. Alle wollen eine Vermögenssteuer und alle eine Reform der Einkommenssteuer, die Besserverdiener stärker belastet. Nur die Grenzen werden unterschiedlich gezogen: Die Grünen beginnen erst ab 100.000 Euro hinzusehen, für die Linkspartei heißen Besserverdiener jene Menschen, die mehr als 70.000 Euro im Jahr verdienen. Im Kern geht es der Linkspartei darum, dass alle weniger arbeiten, aber mehr Geld bekommen sollen - außer: „die Reichen“. Für Menschen mit einem Vermögen ab zwei Millionen Euro soll die Einkommenssteuer auf bis zu 75 Prozent geschraubt werden. Eine rot-rot-grüne Regierung könnte damit zur Folge haben, dass Vermögende ins Ausland ziehen und ihre Firmensitze gleich mitnehmen. In der Schweiz beispielsweise wird von Vermögensverwaltern und Immobilienmaklern die Wahl im Nachbarland besonders aufmerksam verfolgt: Schließlich könnte ein Linksrutsch neue Kunden bescheren.

Manche Idee aus der dunkelroten Denkfabrik hat das Zeug zu einer Kabarettnummer. Etwa die, die der Bundesgeschäftsführer der Partei Jörg Schindler im August einbrachte. Er schlägt eine Änderung der Arbeitnehmerschutzgesetze vor. Ab 26 Grad im Büro soll es staatlich verordnetes Hitzefrei geben. Dem zuzustimmen, dürfte aber selbst einem Kanzler Olaf Scholz zu heiß sein.

Von Oliver Stock

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24.09.2021 | 09:52

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