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Die neuen reichsten Deutschen

„Forbes“ legt seine Liste der Reichsten vor und krönt in Deutschland einen neuen Krösus. Die Schaeffler-Familie stand eigentlich vor der Pleite, doch jetzt ist sie ganz obenauf. Die Übernahme von Continental, die in den Strudel der Finanzkrise ­geriet, hätte für Schaeffler beinahe das Aus bedeutet – und für die Commerzbank. Heute steht der Tech­nologiekonzern glänzend da.

Zum 50. Lebensjahr gönnt sich der gemachte Mann normalerweise ein Motorrad (für die Alterslosen), eine Luxusuhr (für die Zeitlosen) oder eine Geliebte (für die Charakterlosen). Georg Schaeffler gönnt sich zum Jubeljahr das größte Privatvermögen Deutschlands. Das amerikanische Wirtschaftsmagazin „Forbes“ beziffert den Reichtum Schaefflers in diesen Tagen auf 26,9 Mrd. US-Dollar. Das ist ziemlich genauso viel wie der Staatshaushalt Bang­ladeschs mit seinen 160 Mio. Menschen. Oder doppelt so viel wie das Staatsbudget Boliviens, dreimal Äthiopiens oder viermal Islands Staatsfinanzen. Es gäbe aber auch fünf Mal den Skandalflughafen Berlins dafür. Georg Schaeffler könnte sich mit dieser Summe sogar zwei komplette Commerzbanken kaufen, was deswegen lustig ist, weil Schaeffler ohne die Commerzbank heute pleite wäre. Gemeinsam mit seiner Mutter Maria-Elisabeth Schaeffler wollte Georg den Autozulieferer aus Herzogenaurach im Zeitraffer zum weltumspannenden Imperium aufbauen. 2008 übernahmen sie den dreimal so großen Reifenhersteller Continental –

und gingen fast pleite daran, da zeitgleich die Weltfinanz­krise ausbrach. Strategisch hatten sich die Schaeff­lers über clevere Finanzgeschäfte an Conti herangepirscht und sich die Mehrheit der Aktien gesichert. Doch der Coup platzte. Mutter und Sohn verzockten sich. In den Untiefen der Finanzmarktkrise geriet die Übernahme viel teurer als gedacht. Plötzlich saß der Autozulieferer auf einem erdrückenden Berg von Schulden. Ein erbitterter Machtkampf zwischen den Konzernen entbrannte, die Fusion mit Continental ­drohte zum ruinösen Spektakel zu werden. Der Zulieferer Schaeffler war dem Desaster nahe. Tausende Beschäftigte zitterten um ­ihre Arbeitsplätze. Medien stellten die blonde Unternehmerin Schaeff­ler plötzlich als kalte Zockerin dar, vor allem nach einem unglücklichen Auftritt in Kitz­bühel: Während ihr Konzern ums Überleben kämpfte, feierte sie in Kitzbühel Champagner-Partys und posierte im Pelzmantel. Die Reporter notierten süffisant: „Es gibt Champagner und Kartoffelsuppe mit Trüffel-Spänchen.“

Die Schaefflers waren nicht bloß in Schieflage, sie schienen ruiniert. Kaum einer in Deutschland hätte auch nur einen Cent auf sie gesetzt – selbst Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer lud sie, die Trägerin des Bayerischen Verdienstordens, nicht einmal mehr zu seinem jährlichen Empfang nach der Eröffnung der Bayreuther Wagner-Festspiele ein. Nur die Commerzbank setzte immer weiter auf die Schaefflers. Die blieb dem Autozulieferer selbst in der dunkelsten Stunde treu und riskierte zeitweise sogar die Existenz der ganzen Bank.

Aktienkurs hat sich glatt vervierfacht

Heute ist der Erfolg des Autozulieferers für beide – für Schaeffler wie die Commerzbank – ein grandioses Comeback, eine späte Genugtuung. Der rasante Vermögenszuwachs der Schaefflers hängt vor allem mit dem boomenden Aktienkurs der Tochter Continental zusammen: Seit 2012 hat er sich von 50 auf derzeit 200 Euro glattweg vervierfacht.

Das fränkische Unternehmen steht insgesamt blendend da. Der Boom der deutschen Autoindus­trie beschert Rekordgeschäfte. Mit mehr als 80 000 Mitarbeitern ist Schaeffler heute eines der weltweit größten Technologieunternehmen in Familienbesitz und verfügt mit rund 170 Standorten in 49 Ländern ein gewaltiges Netz aus Produktionsstandorten, Forschungseinrichtungen und Vertriebsgesellschaften. Für das Gesamtjahr 2014 wird zum ersten Mal in seiner Geschichte ein Umsatz von mehr 12 Mrd. Euro ausgewiesen. Und der Gewinn hat die Marke von 1 Mrd. Euro klar überschritten.

Für Georg Schaeffler ist der Thron des reichsten Deutschen eine ambivalente Ehre. Er ist scheu und sucht die Öffentlichkeit nicht, er überlässt – obwohl ihm 80 % des Konzerns gehören –seiner dominanten Mutter Macht und Bühne. Er ist das Gegenteil einer schillernden Persönlichkeit, eher der Typ trockener Jurist. Nach dem Abitur 1984 in Herzogenaurach diente er zunächst als Reserveoffizier in der Luftwaffe. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre (Universität St. Gallen) ging er in die USA und wurde Jurist. An der Duke University schloss er 1999 als Juris Doctor und Master of Laws ab und arbeitete danach als Wirtschaftsanwalt in der Kanzlei ­Haynes and Boone in Dallas. Schaeffler ist ­geschieden, ­Vater von vier Kindern – vor allem aber Sohn.

Das „Manager Magazin“ stellt ihn sogar als unbeholfenes Müttersöhnchen dar: „Und so sehr sich Georg abzunabeln versucht; am Ende entscheidet oft immer noch die Mutter. ,Die Mami hat gesagt‘, ,ich hab mit der Mami gesprochen und ...‘; immer wieder ziehe sich Georg bei schwierigen Entscheidungen auf solche Formulierungen zurück, erzählen Vertraute.“ Öffentlich lobe Maria-Elisabeth den „gescheiten Sohn an meiner Seite, mit dem ich mich sehr gut ergänze“. Vertrauten gegenüber äußere sie dagegen „immer wieder Zweifel, ob Georg der Aufgabe als Mehrheitseigentümer und Aufsichtsratschef gewachsen ist“. „Die Welt“ bezeichnete ihn in einer Schlagzeile als „überforderten Kronprinzen“. Wenn er die Geschicke des Konzerns übernehme, sei das so, als ob ein Hobbyfußballer bei Bayern München mitspielen wolle.

Die Gefolgsleute Georg Schaeff­lers halten das für bösartig und falsch. In Wahrheit sei er ein kundiges, ernstes Korrektiv seiner intuitiven Mutter. Zusammen seien sie ein schräges, aber sehr erfolgreiches Tandem. Vor allem die verblüffenden Erfolge der vergangenen Jahre lassen die Kritiker zusehends verstummen. So oder so – man sollte Georg Schaefflers Rolle nicht unterschätzen. Er ist seit dem Tod seines Bruders – durch einen Stromschlag im Kindesalter – nicht nur der einzige Erbe. Er ist auch ein genauer Prüfer seines Hauses, und immer häufiger der letzte Entscheider – mit rund 24 Mrd. Euro im Rücken.

23.05.2015 | 10:25

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