Karrierealle Jobs


Neues von der Zombifizierung

Es ist so viel von den Schrecknissen der bevorstehen Präsidentschaftswahl die Rede, alles bebt und zittert und zagt ob der denkbaren Ausgänge jener Wahl, und in der Tat sind die Aussichten düster. Dabei werden all die martialischen Sprüche, vom einen, dass man Amerika in den Mittelpunkt stellen und das Globale den eigenen Interessen unterordnen solle, von der anderen ähnlich, nur höflicher, niemals eins zu eins Realität werden. Und was die eigenen Interessen betrifft – war das je anders? Haben die USA stets zuerst an andere gedacht und dann an sich selbst? Na, die wären schön blöd gewesen.

Von Reinhard Schlieker

Denkt etwa in Europa nicht auch jeder zuerst an sich? Kann man gar nicht so genau sagen, weil man nie weiß, ob Europa überhaupt denkt. Jedenfalls gäbe es zu solchem Tun genügend Anlässe, und zwar ganz ohne Wahlen auf fernen Kontinenten. Ganz einfach schon deshalb, weil Europa, und da insbesondere die Eurozone, dermaßen viele hausgemachte Probleme haben, dass ein amerikanischer Präsident dagegen geradezu eine zu vernachlässigende Größe sein dürfte.

In dieser Woche haben sich Finanz- und Wirtschaftsexperten in Frankfurt zu den anstehenden Problemen geäußert, und nein, es waren nicht die sogenannten Wirtschaftsweisen, denn im Unterschied zur Reaktion der Bundesregierung auf die fundierten Erkenntnisse jener Forscher in Berlin lauschte man den Ausführungen der Professoren in Frankfurt mit Interesse. Noch nie, so entfuhr es einem Teilnehmer, habe man bei einer der regelmäßigen Bestandsaufnahmen solch pessimistische Grundstimmungen registrieren müssen. Das stimmt in der Tat – denn nur die Bundesregierung glaubt von sich, oder behauptet wenigstens, zu glauben, dass sie sich im permanenten Reformmodus befinde.

Mit der Realität hat das nichts zu tun, und das Schlimmste daran ist, dass jemand, der fälschlicherweise behauptet, auf dem richtigen Weg zu sein, niemals den Antrieb verspüren wird, nach dem richtigen Weg zu suchen. Notwendige Reformen unterbleiben, die Zinspolitik der EZB richtet Verheerungen an, von denen noch Generationen erzählen werden, und die Verschuldung der Eurostaaten wächst selbst in Zeiten, in denen es billig wäre, die Schulden zurückzuführen.

Nur eine kleine Hoffnung am Rande: Sollten Staaten mit dem weiteren Schuldenmachen es nicht gewaltig übertreiben, könnte der Nullzins zusammen mit einer milden Inflation das Debit nach und nach etwas abtragen. Sobald ein Politiker das aber merkt, wird es aus sein mit der richtigen Richtung – dann kommen blitzschnell die Verlockungen großer Gesten, die den Politiker nichts, die Bevölkerung aber viel kosten werden. Nachdem weder die Stabilitätskriterien noch das Bail-Out-Verbot der Eurozone von irgend jemandem noch beachtet werden, kommen die kritischeren unter den Professoren zu dem Schluss, dass ein Ende des Euro unvermeidlich wird – nur über die Dauer, die jene Verzerrungen und die Mentalität des Durchwurstelns noch halten werden, will niemand eine Prognose wagen.

Prof. Stefan Kooths vom Kieler Institut der Weltwirtschaft prägte das feine Wort von der „Zombifizierung“ der europäischen Wirtschaft: Die Fehlsteuerungen der EZB halten Unternehmen, – jawohl, auch Banken – künstlich am Leben, mit billigen Krediten und Anleihenkäufen. Das Kartenhaus wird zusammenbrechen, und es wird sicher interessante Forschung geben dereinst, wie eine Zentralbank aufbrach, Krisen zu meistern und dabei eine viel größere Krise auslöste. Da lauern Promotionsthemen in Fülle. Unsereinem bleibt, das Schauspiel zu genießen, solange es eben dauert und das Horrorstück auf der Bühne bleibt, mit Zombies und allem. Wer braucht da noch Trump oder Clinton?

08.11.2016 | 15:33

Artikel teilen: