(Foto: picture alliance/dpa/Sputnik | Alexey Vitvitsky)



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Schröder: Ist er ein Putinversteher oder der einzige, der dem russischen Präsidenten das Wasser reicht?

Der deutsche Ex-Kanzler könnte gezielt von Putin umgarnt worden und ihm am Ende auf den Leim gegangen sein, behaupten angebliche Quellen aus dem Bundesnachrichtendienst. Ist er damit als ein möglicher Emissär des Westens im Ukraine-Konflikt erledigt?

Von Oliver Stock / WirtschaftsKurier

Gerhard Schröder und Wladimir Putin – das sind zwei Vollblut-Politiker: Verliebt in die Macht, stark in dem, was sie umsetzen wollen, und mit einem Gespür für das, was bei den Menschen zu Hause ankommt. Der entscheidende Unterschied: Der eine, Putin, nutzt die formbaren Machtstrukturen seines Landes, das niemals eine Demokratie gewesen ist, um seine Macht mindestens ein Leben lang auszubauen. Der andere, Schröder, überlebt politisch zwei Legislaturperioden, dann wird er abgewählt, und er akzeptiert es leicht widerwillig, weil es ihm niemals einfallen würde, System und Verfassung in Frage zu stellen.

Beide gelten als Freunde, seit sie sich gegenseitig zu Hause und mit ihren jeweiligen Frauen besucht haben: Die Putins waren bei den Schröders zu dessen 60. Geburtstag in Hannover, und die Schröders sind mit den Putins auf einer lustigen Schlittenfahrt in Moskau gewesen. Die Schröders konnten russische Kinder adoptieren, was das Recht eigentlich nicht hergab. Beide haben sie sich von ihren damaligen Frauen inzwischen getrennt, sind sich aber gegenseitig verbunden geblieben. So erscheint das, was sie eint, eine echte Männerfreundschaft zu sein, der man ja nachsagt, dass sie Differenzen im Detail großzügig und vor allem unter Gebrauch von Hochprozentigem gern ignoriert.

Dass der eine dem anderen beisteht, funktioniert selbst in der brenzligen Situation, die der Aufmarsch von Putins Truppen entlang der Grenze zur Ukraine geschaffen hat. Als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), einst Generalsekretär seiner Partei unter Gerhard Schröder, letztlich erfolglos Putin vergangene Woche in Moskau besuchte und eine Lanze für den Frieden brach, erklärte ihm Putin ausführlich, wie sehr er Schröder schätze, bis Scholz klarstellen musste, dass er und nicht sein ehemaliger Ziehvater nun die Politik Deutschlands bestimme. Und als Schröder wiederum nun Tag für Tag wahrnehmen musste, wie Russland stets als Aggressor und die Ukraine stets als unschuldiges Opfer in Deutschland dargestellt wurden, provozierte er mit dem Begriff einer „säbelrasselnden Ukraine“, was Freund Putin gefallen hat.

Für die SPD als Partei, die gerade den Kanzler stellt, für Deutschland und den Westen geht es angesichts des Pulverfasses mitten in Europa jetzt darum, zu entscheiden, ob sie mit dem ehemaligen deutschen Kanzler Gerhard Schröder einen Putinversteher in den eignen Reihen hat, eine Art fünfte Kolonne, die enttarnt und zum Schweigen gebracht werden muss, - oder ob der Altkanzler als Vertrauter Putins nicht möglicherweise der beste Emissär des Westens ist, der durch seinen innigen Umgang mit dem russischen Freund den Frieden als einziger noch retten kann.

Ein Bericht, den die Bild-Zeitung nun mit Berufung auf Quellen aus dem Bundesnachrichtendienst zitiert, stellt Schröder als nützlichen Idioten des russischen Machthabers da. Demnach ließ der Kreml schon kurz nach der Bundestagswahl 1998 einen „Plan Schröder" entwickeln. Das Ziel: den frisch gewählten Kanzler zu locken und nach und nach an den Kreml zu binden. Anfang 1999 habe der BND das Bundeskanzleramt über den Putin-Plan informiert, zitiert der Bericht eine mit dem Vorgang vertraute Quelle. Schröder war damals gerade erst Kanzler, Putin war noch Chef des Geheimdienste FSB. Im Mai 1999 wurde er Ministerpräsident und ein Jahr später schließlich russischer Präsident.

Angeblich soll Putin auch früher als die meisten von der vorgezogenen Bundestagswahl 2005 erfahren haben, bei der Schröder alles auf eine Karte setzte, aber am Ende gegen Angela Merkel verlor.
Knapp zwei Wochen vor dieser Wahl 2005 unterzeichnete Schröder noch die Grundsatzvereinbarung zum Bau der Ostseepipeline Nord Stream 1. Auch das Vorgängermodell von Nord Stream 2 gehört zum größten Teil dem russischen Energiekonzerns Gazprom. Keine zwei Monate nach der Wahl lässt sich Schröder von Putin als Chef des Aufsichtsrates der Nord Stream AG anheuern, die russische Gas nach Deutschland pumpt. Wenige Tage nach dem offiziellen Ende seiner Kanzlerschaft hat der russische Präsident Schröder von der „europäischen Bedeutung des Projekts" überzeugt, wobei weder Polen noch die Ukraine, noch die baltischen Staaten von dieser europäischen Bedeutung sonderlich überzeugt sind.

2014 steht mal wieder ein runder Geburtstag an: Schröder feiert ihn auf Einladung von Nord Stream in Sankt Petersburg nochmal pompös nach, und umarmt Putin herzlich, berichtet der deutsche Auslandssender Deutsche Welle, der mit seinen Korrespondenten vor Ort das Geschehen begleiten darf. Der Altkanzler lobt Putin als äußerst verlässlichen Menschen. Über aktuelle Politik redeten die beiden Freunde nicht miteinander, erklärt Schröder damals.

Kurz zuvor hatte sich Russland die völkerrechtlich zur Ukraine gehörende Schwarzmeer-Halbinsel Krim einverleibt. Und im Osten der Ukraine war gerade ein Krieg ausgebrochen zwischen pro-russischen Separatisten und ukrainischen Soldaten. Ein rauschendes Fest also in Sankt Petersburg, während 1000 Kilometer weiter südlich Krieg herrscht? Eine Provokation, schäumt die deutsche Politik, "der russische Präsident ist keine Persona non grata", entgegnet Schröder, wie die Deutsche Welle zusammenfasst. „Vielleicht verbindet uns auch die Tatsache, dass unsere beiden Familien durch den Zweiten Weltkrieg viel gelitten haben. Ich habe meinen Vater verloren, Putins Bruder starb während der Belagerung von Leningrad durch uns Deutsche", zitieren die Radiomacher Schröder, „und alles, was er mir versprochen hat, hat er auch gehalten. Ich umgekehrt auch."

Ein Jahr später, 2017, werden wieder Versprechen eingehalten. Russland macht Schröder zum Aufsichtsratschef von Rosneft, aufgerechnet jenem Ölkonzern der wegen der Annexion der Krim auf der Sanktionsliste der Europäischen Union steht. „Es geht um mein Leben und darüber bestimme ich - und nicht die deutsche Presse", verteidigt Schröder seine Entscheidung sogar offensiv. Und überhaupt, „verglichen mit dem US-Präsidenten können wir froh sein, einen Putin zu haben", sagt der Altkanzler, während der Regierung von Donald Trump in den USA.

In seinem Podcast behauptet Schröder später, im Fall des vergifteten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny gebe es „keine gesicherten Fakten“, worauf ihn der mittlerweile inhaftierte russische Oppositionspolitiker als „Laufburschen Putins" bezeichnet. „Schröder schadet mit seinem Verhalten Deutschland", urteilt der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff im Gespräch mit der Deutschen Welle. Auch wenn Schröders Tätigkeit legal sein möge, so sei sie jedoch eines ehemaligen deutschen Regierungschefs unwürdig, betont Lambsdorff. „Konzerne wie Gazprom und Rosneft sind keine privatwirtschaftlichen Akteure, sondern gehören dem russischen Staat, der die Energiewirtschaft als Waffe gegenüber unseren europäischen Nachbarn einsetzt."

Schröder lässt sich auch davon nicht beirren. Derzeit steht er auf der Liste der Kandidaten, die bei der Hauptversammlung von Gazprom im Juni in den Aufsichtsrat des größten russischen Energiekonzerns gewählt werden sollen. Es sieht danach aus, als wäre seine Rolle als Vermittler des Westens im Ukraine-Konflikt damit ausgespielt, bevor sie angefangen hat.

23.02.2022 | 12:23

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