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Können Schrottpanzer für 13 000 Euro den Krieg entscheiden?

Eine Flensburger Spezialfirma für „Kampfwertsteigerung“ soll 60 Jahre alte Leoprad-1-Panzer wieder kriegstauglich machen. Für das Unternehmen könnte es ein Bombengeschäft werden, und Veteranen schwören auf das Modell. Doch was können eigentlich längst abgewrackte Panzer wirklich ausrichten?
 
Irgendwo im Norden Flensburgs ganz nah an der dänischen Grenze stehen hinter einem Drahtzaun alte Panzer, eingehüllt in verwaschenen Abdeckplanen. Sie gehören derzeit einem Unternehmen, das früher einmal eine Werft gewesen ist und sich nun auf Kriegsgerät spezialisiert hat. Es trägt den Allerweltsnamen Flensburger Fahrzeugbaugesellschaft (FFG). Auf den Mitarbeitern dieses Unternehmens ruhen allerdings die Hoffnungen einer ganzen Nation. Die bald 60 Jahre alten Panzer unter den Folien, die die Flensburger geschätzt zum Schrottwert von 13 000 Euro pro Stück gekauft haben, und noch einige andere Modelle in der Halle nebenan, sollen fit gemacht werden: Klimaanlage, Heizung, Hydraulik für die Kanone überholen, den Motor Instand setzen. Anschließend gehen die an die 100 Modelle in die Ukraine und sollen den Krieg gegen Putins Truppen entscheiden.

Was klingt, wie aus einem mittelprächtigen Kriegsfilm ist alles andere als eine Fiktion. Die Kurzfassung der Geschichte geht so: 1872 haben Kaufleute die Flensburger Schiffbau-Gesellschaft aus der Taufe gehoben. Das Unternehmen hatte seine Hochs und Tiefs, wobei die wirtschaftlich guten Zeiten für die Flensburger jeweils während der Kriege stattfanden. Sie lieferten Schiffe für die Marine, das letzte U-Boot verließ noch Ende 1944 die Werft. Die Friedenszeiten waren stets etwas schwächer, zuletzt sehr schwach. Der schillernde Investor Lars Windhorst bewahrte die Werft vor der endgültigen Insolvenz, indem er sie kaufte und ihr gleichzeitig den Auftrag gab, ein Fährschiff zu bauen.

Letztlich erfolgreicher war es, dass die Flensburger sich auch intensiv mit dem Maschinenbau auseinandergesetzt haben. Das zahlte sich aus: Als die Bundeswehr in den 1960er-Jahren einen Partner für die Instandsetzung von Fahrzeugen und Ausrüstung suchte, konnte das Unternehmen den Auftrag an Land ziehen. Aus dem zunächst gegründeten Kettenfahrzeugbereich der Werft wurde 1980 die FFG. Damit war die Grundlage für eine eigenständige Entwicklung gelegt. Die FFG wechselte mehrmals den Besitzer, zuletzt kaufte die Unternehmerfamilie Erichsen das Unternehmen vom Nürnberger Rüstungsspezialisten Diehl. Norbert Ernst Erichsen führt es seither, er nennt seine FFG „Spezialisten für Kampfwertsteigerungen und Nutzungsdauerverlängerungen“. Von Flensburg aus geht der Wisent 1 Bergepanzer nach Litauen, der Wisent 2 Pionierpanzer nach Ungarn und Ersatzteile in alle Welt.

Stolz ließ Erichsen vor zwei Jahren einer staunenden Öffentlichkeit mitteilen, dass man sich vor Auftragsanfragen für die Konstruktion eines selbst konstruierten Hybrid-Panzers, eines Panzers der nächsten Generation mit neuartiger Antriebstechnik, nicht retten könne. FFG arbeitet nach eigenen Angaben seit 2018 an dem tauchgängigen Amphibienmodell namens „Genesis“, das einer bis zu 13-köpfigen Besatzung Platz bietet. Auf einem Symposium des Förderkreises Deutsches Heer erlebte ein erster Prototyp des 40-Tonners seine Premiere. Flensburg und die FFG mit ihren 900 Mitarbeitern könnten der Geburtsort des ersten Elektro-Panzers werden. Und wenn Erichsen wie jüngst bei einem Parlamentarischen Abend zum Zustand der Bundeswehr in Berlin von „Aufrüstung“ spricht, klingt die Hoffnung mit, dass vom 100 Milliarden Euro Sondervermögen, das die Bundeswehr erhalten soll, ein Teil bei seiner FFH landet.

Doch zurück zu den Panzern unter der verblichenen Folie. Erichsen hatte sie einst Dänemark zum Schrottwert abgekauft. Über den Deal berichtet der dänische Journalist Peter Rasmussen in einem Gespräch mit dem Norddeutschen Rundfunk. „Ich habe eine E-Mail von einer Quelle erhalten. Die Mail sagt, dass die Regierung in Betracht zieht, rund 130 Millionen Euro zu investieren, um die alten dänischen Panzer zurückzukaufen und wieder einsatzbereit zu machen", sagt er. Pro Panzer soll die FFG jetzt einen Preis von rund einer Million Euro aufrufen, was nach einem Bombengeschäft klingt. Dänisches Verteidigungsministerium und FFG bestätigen die Summe nicht. Allein neue Stoßdämpfer schlagen Experten zufolge pro Panzer mit 36.000 Euro zu Buche, Ketten kosten 120.000 Euro, ein überholter Motor 185.000 Euro und das Feuerleitsystem 500.000 Euro. Von Dänemark aus sollen die instand gesetzten Leopard 1-Modelle dann an die Front rollen. Die Bundesregierung hatte Anfang des Monats eine entsprechende Exportgenehmigung erteilt.

Sie seien „einfach eine entscheidende Waffe", sagt der ehemalige dänische Offizier Eigil Schjønning im Gespräch mit dem NDR. „In einigen Gebieten können sie die Kampfhandlungen für die Ukrainer entscheiden." Der heute 65-Jährige Soldat ist selbst in den Panzern gefahren. Im Bosnienkrieg war Schjønning als Kampfgruppenführer für den Kampfeinsatz mit Leopard-1-Panzern verantwortlich. Er ist davon überzeugt, sie werden „neue Bewegung“ in den Krieg bringen. „Es ist möglich, dass diese Bewegung dann auch zum Ende des Krieges führen wird." Das Kieler Institut für Sicherheitspolitik dämpft diese Erwartungen. „Alleine retten die Panzer aus Flensburg die Ukraine nicht“ stellt Institutsleiter Joachim Krause im NDR fest. Aber so räumt auch Krause ein: Die Lieferung „bringt der Ukraine mehr Sicherheit und damit auch uns." Obwohl der Panzertyp inzwischen fast 60 Jahre alt und mit seiner 105-mm-Kanone deutlich schwächer bewaffnet ist, habe er auch Vorteile im Vergleich zu moderneren Panzern.
 
„Die Digitalisierung ist bei den alten Panzern natürlich noch nicht so weit fortgeschritten, wie bei modernen Panzern. Das macht es einfacher, ukrainische Soldaten an den Panzern auszubilden.“ Außerdem sei der Leopard 1 mit seinen 42 Tonnen Gesamtgewicht deutlich leichter als das Nachfolgemodell und dadurch flexibler einsetzbar. „Das Gewicht macht einen großen Unterschied, wenn man überlegt, dass die Panzer über die ukrainischen Brücken und Straßen müssen", sagt Panzerfahrer Schjønning. „Für mich war es wie ein Wunder, dass die Panzer noch in Flensburg stehen und viele von der Firma sogar wieder einsatzbereit gemacht werden können. Diese Panzer sind einfach für den Krieg gemacht."  
 
Oliver Stock

22.02.2023 | 08:44

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