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Selbstständig, digital, jung: Wie eine neue Gründergeneration Deutschlands Wirtschaft formt

Ein leiser, aber unüberhörbarer Wandel geht durchs Land. Während Konzerne mit Strukturwandel, Lieferketten und globalen Krisen ringen, formiert sich abseits des medialen Rampenlichts eine Bewegung, die die deutsche Wirtschaft in ihrer Substanz berührt: Immer mehr Menschen wagen den Schritt in die Selbstständigkeit. 585.000 Existenzgründungen wurden 2024 gezählt – ein Plus von drei Prozent. Die meisten davon im Nebenerwerb. Es ist kein donnerndes Crescendo, das da ertönt, eher ein kontinuierliches Anschwellen von Stimmen, Ideen, Geschäftsmodellen. Und es verdient Gehör – vor allem im Mittelstand.

Eine neue Generation stellt sich auf die eigenen Beine

Das Durchschnittsalter der Gründerinnen und Gründer ist auf 34,4 Jahre gefallen – der niedrigste Stand seit Beginn der Erhebungen. Das ist nicht weniger als ein leiser Generationenwechsel. In Zeiten, in denen der demografische Wandel zunehmend zum wirtschaftlichen Risiko wird, zeigt sich hier eine erstaunliche Widerständigkeit: Junge Menschen wollen gestalten, Verantwortung übernehmen – und das nicht in Konzernen, sondern auf eigene Rechnung.

Dabei geht es nicht um die Wiederholung alter Erfolgsmuster. Wer heute gründet, gründet anders. Digitale Technologien sind bei über einem Drittel der Gründungen essenzieller Bestandteil des Geschäftsmodells – Tendenz steigend. Klassischerweise ist der Einstieg vorsichtig, oft zunächst im Nebenerwerb. Rund ein Viertel dieser Teilzeitunternehmer plant jedoch bereits konkret den Wechsel in den Vollerwerb. Das bedeutet: Hier wächst etwas heran, das unser Wirtschaftsgefüge in den kommenden Jahren stärker prägen wird, als es die Zahlen zunächst vermuten lassen.

Digitalisierung schlägt Industrie: Gründer spiegeln den Strukturwandel

Der Dienstleistungssektor ist das Rückgrat der Gründungstätigkeit. 70 Prozent aller Neugründungen sind dort angesiedelt – von der selbstständigen IT-Beraterin über lokale Gesundheitsdienstleister bis zum spezialisierten Onlineshop. Das Produzierende Gewerbe? Spielt nur noch eine Nebenrolle. Wer diese Entwicklung ignoriert, verpasst die Chance, die Transformation nicht nur zu beobachten, sondern aktiv zu gestalten.

Digitale Gründungen verdoppeln sich innerhalb einer Dekade – ein beachtlicher Trend, der tief in die Versorgungsstrukturen der Regionen reicht. 61 Prozent der Gründerinnen und Gründer orientieren sich stark an lokalen Märkten. Das ist kein Rückzug ins Private, sondern gelebte Resilienz: Wer dort gründet, wo er wohnt, weiß, was gebraucht wird – und schafft oft das, was Konzerne verlernt haben: Nähe.

Risiko? Ja. Aber auch Verantwortung und Chance.

Natürlich ist Gründen kein Selbstläufer. Finanzierungsprobleme, bürokratische Hürden, Angst vor dem sozialen Abstieg – all das bremst potenzielle Unternehmerinnen und Unternehmer noch immer aus. Wer 2024 mangels Kapital scheiterte, tat das mit 1,6-fach höherer Wahrscheinlichkeit. Es ist eine Zahl, die zum Nachdenken anregt. Denn die Innovationskraft, die Deutschland so dringend braucht, stirbt oft nicht an Ideenlosigkeit – sondern an fehlendem Zugang zu Ressourcen.

Und dennoch: Die Gründungstätigkeit wirkt wie ein Seismograf für das Vertrauen in die eigene Gestaltungskraft. Trotz wirtschaftlicher Unsicherheit – die 2024 von drei Viertel der Bevölkerung als „eher oder sehr hoch“ eingeschätzt wurde – nimmt die Zahl der aktiven Gründungsplaner wieder zu. 4,9 Prozent der Erwachsenen in Deutschland planten im vergangenen Jahr konkret eine Selbstständigkeit. Eine Zahl, die angesichts der konjunkturellen Lage bemerkenswert ist.

Fazit: Die Saat ist ausgebracht. Jetzt braucht es Nährboden.

Die Zahlen aus dem KfW-Gründungsmonitor 2025 erzählen keine Revolution. Aber sie beschreiben eine stille Transformation, die das Potenzial hat, Deutschlands Wirtschaft von innen heraus zu erneuern. Wer hinschaut, erkennt: Gründergeist ist kein romantischer Mythos vergangener Jahrzehnte, sondern Realität im Hier und Jetzt. Es liegt am Mittelstand, sich nicht nur als wirtschaftliche Säule, sondern auch als aktiver Partner dieser neuen Bewegung zu begreifen. Denn wenn neue Ideen auf Erfahrung treffen, entsteht Zukunft. Und die wird, da sind sich Ökonomie und Geschichte einig, immer dort geschrieben, wo Menschen bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.

Zum KfW-Gründungsmonitor 2025

05.06.2025 | 20:44

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