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Siemens: vor gewaltigen Herausforderungen

Am laufenden Band sorgt Joe Kaeser derzeit für Diskussionsstoff. Erst verkündete der Siemens-CEO die Zusammenlegung der Bahnsparten mit den Franzosen von Alstom, nun sind tausende Stellen bei Siemens-Gamesa und im Kraftwerksbereich in Gefahr. 2018 soll dazu  die gewinnträchtige Medizintechnik-Sparte an die Börse. Siemens-Alstom könnte folgen. Nun muss er unerwartet schwache Quartalszahlen erklären.

 

Joe Kaeser macht ernst und treibt den Siemens-Umbau hin zu einem Mehr an Holding-Struktur immer schneller voran. „Sie müssen mit den Spezialisten der Branche mithalten können und mindestens so gut sein wie deren stärkster Wettbewerber“, sagte der Vorstandschef und fügte an: „Wir haben verstanden, dass Konglomerate alten Zuschnitts keine Zukunft haben.“ Solche Sätze sind es, die – wie unschwer zu überhören – stark nach mehr Fokussierung in den einzelnen Konzernsparten klingen. Und damit auch nach großen Herausforderungen sowohl im kommenden Jahr als auch in den darauffolgenden. Denn so ein Konzernumbau läuft selten problemlos und ohne Einschnitte ab.

Und die könnten auf Arbeitnehmerseite schneller kommen als gedacht, denn die jüngsten Quartalszahlen scheinen Kaeser nun Recht zu geben in seinem Verlangen Siemens neu auszurichten. Denn auch wenn Siemens in Bezug auf das gesamte Geschäftsjahr 2016/2017 mit einer Umsatzsteigerung um vier Prozent auf 83 Milliarden Euro und einem operativen Ergebnis im industriellen Geschäft von 9,5 Milliarden (acht Prozent mehr als im Jahr zuvor) höchst-solide unterwegs ist, haben die Zahlen zum vierten Quartal Anleger zu recht enttäuscht. Hier nämlich gingen die Gewinne aus dem Industrie-Geschäft um zehn Prozent auf 2,2 Milliarden Euro zurück. In der Power und Gas-Sparte brach das Ebit gar um 40 Prozent ein. Zudem verbuchte man in der nicht zuletzt durch die eingeläutete Energiewende in Bedrängnis geratenen Sparte ein um 31 Prozent geringeres Auftragsvolumen in Höhe von 13,4 Milliarden Euro. Die Gewinn-Marge verschlechtere sich von 11,4 auf 10,3. Noch dazu musste Siemens-Gamesa, sprich das Windkraftanlagen-Geschäft des deutschen Großkonzerns, einen Verlust von 147 Millionen Euro ausweisen. Hier lief es über das gesamte Geschäftsjahr hinweg nicht besonders rosig. Das Ebit des spanisch-deutschen Unternehmens sank um 18 Prozent auf 774 Millionen Euro.

Trotz dieser mäßigen Quartalszahlen kommt Siemens aber alles in allem immer noch auf ein Nettoergebnis von 1,3 Milliarden Euro. Und das sind immerhin zehn Prozent mehr als vor einem Jahr. Richtet man den Blick auf das gesamte und abgelaufene Geschäftsjahr 2016/2017 ist Siemens dazu mehr als im Soll. Der Gewinn in Höhe von 6,2 Milliarden Euro soll sich daher auch in einer Erhöhung der Dividende um zehn Cent auf 3,70 Euro niederschlagen. In der Medizintechnik-Sparte „Healthineers“, die im kommenden Jahr an die Börse gehen soll, und der „Digitalen Fabrik“, läuft es zudem bestens. „Die meisten Geschäfte sind so stark wie nie und für das digitale Zeitalter bestens gerüstet“, sagte Kaeser und sprach von einem „weiteren herausragenden Jahr“ für den Münchner Konzern.

Die schlechten Zahlen des Windkraftgeschäfts und der Power & Gas-Sparte aber bleiben und sind für Kaeser alarmierend. So sollen bei Siemens Gamesa bis zu 6.000 Stellen in 24 Ländern gestrichen werden, in der Kraftwerkssparte sind 4.000 Arbeitsplätze bedroht. Auch Standortschließungen gelten hier als wahrscheinlich. „Unsere Division Power & Gas kämpft seit längerem mit sehr schwierigen Marktverhältnissen und strukturellen Herausforderungen“, kam es von Kaeser. Man müsse deshalb, um dem Geschäft eine Zukunft geben zu können, reagieren und die Kapazitäten anpassen, auch wenn dies schmerzhafte Einschnitte bedeute.

Die Analysten bleiben nach den vorgelegten Zahlen vorsichtig. Diese seien gemischt ausgefallen, genauso wie der Ausblick auf das kommende Jahr, schrieb JPMorgan-Analyst Andreas Willi in einer Studie. Sein Kursziel setzt er bei 128 Euro. Günther Hollfelder von der Baader Bank ist da optimistischer, empfiehlt mit einem Kursziel von 134 Euro noch immer den Kauf des Siemens-Papiers. Allerdings wies auch er auf die Schwäche im Energiegeschäft hin, die durch die Nachfrage nach Produkten mit kürzeren Zyklen nicht ganz ausgeglichen werden konnte. Ansonsten deckten sich aber die Aussagen des Managements zu den weiteren Geschäftsaussichten mit seinen eigenen Erwartungen.

Alles in allem präsentiert sich Siemens derzeit zweigeteilt. Auf der einen Seite die hochprofitabel laufenden Geschäfte in der Medizintechnik- und der Digitalen Fabrik-Sparte, auf der anderen Seite die Verluste bei Siemens-Gamesa und zunehmend schlechter werdende Ergebnisentwicklungen im Kraftwerksgeschäft. So winken mit „Healthineers“ ein 40 Milliarden Börsengang und in den letztgenannten Bereichen Massenentlassungen.

Vergleich man die Situation bei Siemens mit der von Großkonkurrent General Electrics, ist man allerdings auch zweigeteilt immer noch sehr gut unterwegs. Die Amerikaner verdienten im dritten Quartal 1,8 Milliarden US-Dollar und damit 200 Millionen US-Dollar weniger als ein Jahr zuvor. Zudem blickt GE nicht gerade hoffnungsfroh auf das laufende Geschäftsjahr. Kürzlich korrigierte der US-Konzern seine Prognosen nach unten und rechnet nur noch mit einem Ergebnis je Aktie in Höhe von 1,05 bis 1,10 US-Dollar. Zuvor war noch von 1,70 US-Dollar die Rede gewesen.

Siemens-Anlegern dürfte zudem Mut machen, dass Siemens schon im kommenden Jahr eine neue Strategie für die Zeit nach 2020 erarbeiten will. Die Ziele bis 2020 sind nach Aussagen Kaesers nämlich entweder bereits erreicht oder zumindest „auf einen tragfähigen Weg gebracht.“ Es sei Zeit, die Weichen über 2020 hinaus zu stellen, so Kaeser. Dem Konzern ist es also durchaus zuzutrauen, dass er die anstehenden Herausforderungen meistert. Oliver Götz

10.11.2017 | 20:54

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