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So holen Sie noch das Beste aus der Rente raus

Weil überall Arbeitskräfte fehlen, will der Bundeskanzler ran an die Rente mit 63. Lange könnte das Modell nicht mehr halten. Wer vor der Regelgrenze in den Ruhestand gehen will, muss bald vermutlich auf viel Geld verzichten. Um wieviel es dabei geht und was man tun kann, um sich darauf vorzubereiten.

Manchmal meint es das politische Schicksal ironisch mit einem: Als Andrea Nahles (SPD) noch Bundesarbeitsministerin war, hatte sie die sogenannte „Rente mit 63“ eingeführt. Ziel des Gesetzes war, die Menschen zu belohnen, die mindestens 45 Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben. Sie müssen nicht bis zum 65. Lebensjahr arbeiten oder gar länger, sondern können mit 63 abschlagsfrei in Rente gehen. Jetzt ist Nahles Chefin der Bundesagentur für Arbeit, und es ist eine ihrer Hauptaufgaben, Betrieben und Behörden hinreichend Personal zur Verfügung zu stellen. Dass so viele diesen frühzeitigen Renteneintritt nutzen, kommt ihr da ganz und gar nicht gelegen. Angesichts von Fachkräftemangel und Arbeiterlosigkeit ist jeder Monat, der weniger gearbeitet wird, Gift für Deutschland. Laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sind derzeit 1,8 Millionen offene Stellen zu besetzen.

Und genau in dieser Situation verharrt das durchschnittliche Renteneintrittsalter in Deutschland bei rund 64 Jahren – nachdem es seit 2000 um knapp zwei Jahre gestiegen war. Dabei wurde die gesetzliche Eintrittsgrenze seit 2012 angehoben und wird bis 2031 von 65 auf 67 Jahre steigen. Derzeit liegt sie bei 65 Jahren und elf Monaten. Das mag die Menschen in diesem Alter eine sehr bedeutende Zahl sein, aber deutschlandweit betrachtet ist noch wichtiger, wann die Menschen real in Rente gehen. Und das ist eben immer noch mit nicht einmal 64 Jahren der Fall.

Der Staat hat einige Hebel, um das reale Renteneintrittsalter zu erhöhen. Der wesentliche ist, die Rente mit 63 abzuschaffen, sagen Ökonomen wie der Wirtschaftsweise Martin Werding. Olaf Scholz hat das offenbar vernommen und pfeift auf die Tatsache, dass seine eigene Partei die Rente mit 63 eingeführt hat. In einem Interview sagte der Bundeskanzler am Sonntag: „Es gilt, den Anteil derer zu steigern, die wirklich bis zum Renteneintrittsalter arbeiten können.“ Ein simpler Satz, der für die Rentenpolitik der SPD einen Epochenwandel einläuten könnte. Unabhängig von der Frage, was gerecht ist, fragt sich jetzt eine ganze Alterskohorte: Werde ich noch von der Rente mit 63 profitieren oder wie kann ich mit möglichst geringen Abschlägen früher in Rente gehen?

Die Antwort sieht so aus: 2021 nutzten nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung rund 270.000 Menschen die Rente mit 63. Das waren 26 Prozent aller neuen Renten – selten war der Anteil der Frührentner insgesamt so hoch wie derzeit. Gedacht war die Regelung vor allem für die geburtenstarken Jahrgänge 1951 bis 1963, wo viele gleich nach der Schule mit 15 oder 16 Jahren ihre Lehre begannen. Diese Möglichkeit ist bares Geld wert. Doch wer ohne die Rente mit 63 früher in Rente geht, verzichtet auf 3,6 Prozent seiner eigentlichen Rentenansprüche. Ein Rechenbeispiel: Wenn ein Arbeitnehmer, der pro Monat 1500 Euro Bruttorente beziehen würde, ein Jahr vor seiner vorgeschriebenen Altersgrenze in Ruhestand geht, verzichtet er eben auf 3,6 Prozent seiner Rente – was monatlich 54 Euro entspricht. Und das dauerhaft für die gesamte Laufzeit seiner Rente. Bei 20 Jahren wären das knapp 13.000 Euro.

Diese Weichen sollten Betroffene jetzt stellen

Genau das soll die Rente mit 63 Jahren verhindern: Wer mindestens 45 Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt, Menschen gepflegt oder Kinder großgezogen hat, konnte zum 1. Juli 2014 mit 63 Jahren in Rente gehen. Abschläge werden in diesen Fällen nicht vorgenommen. Diese Regelung betrifft alle, die 1952 oder früher geboren wurden. Im Laufe der Jahre stieg die Grenze an. Für den Jahrgang 1964 müsste die „Rente mit 63“ inzwischen strenggenommen „Rente mit 65“ heißen – denn erst dann können sie bei 45 Versichertenjahren abschlagsfrei früher in den Ruhestand gehen.

Doch wie lange es diese Frührente nach der Scholz-Aussage noch geben wird, ist nicht absehbar. Als sicher darf gelten, dass hier etwas passiert und deshalb sollten Betroffene gewisse Weichen schon jetzt stellen. Im Fokus steht die sogenannte „Frührente mit Abschlag“, die der Gesetzgeber frühestens mit 63 Jahren gewährt, wenn der- oder diejenige 35 Jahre rentenversichert waren. Dazu zählen in diesem Fall auch Phasen von Krankheit, Schwangerschaft, Ausbildung und Kindererziehung. Der Abschlag beläuft sich auf 0,3 Prozent für jeden Monat, den man früher in Rente geht. Wer beispielsweise vier Jahre vor dem regulären Renteneintrittsalter in den Ruhestand gehen will, würde 14,4 Prozent weniger bekommen.

Und wie profitieren die, die länger arbeiten wollen?

Es gibt aber die Möglichkeit, diesen Abschlag mit einer Sonderzahlung auszugleichen. Und ausgerechnet in diesem Jahr noch wäre das besonders günstig. Denn erstens liegt der Renten-Beitragssatz mit 18,6 Prozent noch auf dem Vorjahresniveau. Und zweitens spielt dem Antragsteller die Rechengröße „vorläufiges Durchschnittsgehalt“ in die Karten, nach der sich der Preis je Rentenpunkt richtet. Soll heißen: 2022 hat man einen Preisvorteil je Rentenpunkt von gut zehn Prozent im Vergleich zu 2023. Diesen Vorteil können Versicherte ab 50 nutzen, wenn sie eventuell vorhaben, irgendwann in Frührente zu gehen. Auch unter 50-Jährige können bei der Deutschen Rentenversicherung eine Rentenauskunft beantragen (Formular V0210), wenn sie ein „berechtigtes Interesse“ nachweisen können, was nicht näher definiert ist. Selbst wenn man keine Antwort in diesem Jahr mehr bekommt, wäre der Antrag noch gültig.

Wer übrigens gar nicht vorhat, früher in Rente zu gehen, sondern später als die gesetzliche Regelaltersgrenze es vorgibt, kann das tun. Denn grundsätzlich gilt: Jeder kann so lange arbeiten, wie er oder sie möchte – und profitiert finanziell davon: Wer zum Beispiel 38.000 Euro pro Jahr verdient – der Durchschnitt in Deutschland – und ein Jahr länger arbeitet, erhöht seine Rente um einen Rentenpunkt. Das entspricht rund 36 Euro pro Monat. Bei einem Gehalt von 76.000 Euro wären es zwei Rentenpunkte, also rund 72 Euro. Das klingt nicht nach viel, summiert sich aber über die Jahre. Und Andrea Nahles würde sich freuen, eine Arbeitskraft ein Jahr länger im deutschen Arbeitsmarkt zu wissen.

Thorsten Giersch

14.12.2022 | 12:07

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