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Sparquote auf Rekordhoch – Strafzins für Sparer auch

Sparkassen und Volksbanken waren lange Zeit die Anwälte der Kleinsparer. Das hat sich geändert: Während Sparer immer mehr Geld zurücklegen, knöpft ihnen knapp jede zweite Bank dafür ein sogenanntes „Verwahrentgeld“ ab. Für die Geldhäuser kann das zum Geschäft werden.

Von Oliver Stock / WirtschaftsKurier

Die Deutschen sparen sich um Kopf und Kragen. Dabei treten Mensch und Bank einen Wettlauf an: Der eine legt immer mehr auf die hohe Kante, die andere nimmt sich davon einen immer größeren Teil. Die Rede ist von den Sparanstrengungen der Deutschen auf der einen Seite und den Strafzinsen, die Sparkassen, Volksbanken und Privatbanken gleichermaßen auf der anderen Seite auf das angehäufte Vermögen ihrer Kundinnen und Kunden erheben.

Angesichts von Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit und einer als ungewiss empfundenen Zukunft nach der Pandemie und angesichts geschlossener Geschäfte, abgesagter Reisen und verschobener Veranstaltungen halten derzeit viele Menschen ihr Geld zusammen. Die Folge: Im Corona-Jahr 2020 haben die Deutschen mehr gespart als jemals zuvor. Nach Berechnungen der DZ Bank nahm das Geldvermögen der privaten Haushalte um 393 Milliarden auf den Rekordwert von 7,1 Billionen Euro zu. Das entspricht im Vergleich zum Vorjahr einem Plus um fast sechs Prozent. Die Bank geht von einer Sparquote von 16 Prozent aus. Jedem Haushalt ist es also gelungen, von 100 Euro 16 auf die hohe Kante zu legen.

Das Problem: Sie liegen dort nicht sicher. Denn beim Sparvermögen der Deutschen schlägt der zweite Trend voll zu. Nahezu täglich kommen neue Banken und Sparkassen hinzu, die 0,5 Prozent Strafzinsen und manchmal auch mehr auf private Einlagen berechnen. Geht es in diesem Tempo weiter, so hat das Finanzportal Biallo jetzt errechnet, wird Ende 2021 mehr als jedes zweite Geldhaus in Deutschland offiziell ein sogenanntes „Verwahrentgelt“ erheben. Allein in den ersten beiden Monaten dieses Jahres haben mehr als 60 Geldhäuser Negativzinsen für Privatkunden eingeführt, heißt es in einer fortlaufend aktualisierten Studie des Portals. Gut ein Drittel davon habe den Freibetrag, der von den Strafzinsen ausgenommen ist, auf 25 000 Euro oder weniger gesetzt. Die Raffeisenbank Bad Kötzting zum Beispiel gewährt laut Preisaushang nur einen Freibetrag von 5000 Euro auf dem Girokonto. Die Sparkasse Ingolstadt Eichstädt lange für neu eröffnete Konten ab 10 000 Euro zu und beim Tagesgeld ab dem ersten Euro.

Die bisher höchsten Sparquoten in Deutschland waren nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes kurz nach der Wiedervereinigung 1991 und 1992 gemessen worden - damals mit jeweils knapp 13 Prozent, wozu die Ostdeutschen, die ihr Geld erst einmal zusammenhielten, ihren Teil dazu beigetragen haben. Im Vergleich zu den 16 Prozent im Coronajahr 2020 war die Quote jedoch bescheiden. Sie hatte allerdings damals noch ihren Grund: Die Bundesbank maß einen Realzins von 4,5 Prozent, auch Guthaben wuchsen so ohne Zutun der Sparer. Inzwischen sieht es anders aus.
Nicht nur Geschäfts- und Depotbanken, sondern auch große Volksbanken und Sparkassen, die sich bisher stets als Anwälte der Kleinsparer bezeichneten, senken die Freibeträge drastisch: Die Frankfurter Sparkasse etwa hat den Freibetrag für Neukunden zum 1. Februar von 500.000 auf 100.000 Euro gesenkt. Im Bestandsgeschäft richtet sich die „Verwahrentgelt“ genannte Sparerstrafe nach der „individuellen Gesamtgeschäftsverbindung des Kunden“. Das heißt: Kunden werden in andere Produkte als das einfache Sparen gedrängt. Oder sie verlassen mitsamt ihrem Vermögen die Bank, um nicht 0,5 Prozent Strafe auf ihr Gespartes zu zahlen.

Die Hamburger Sparkasse (Haspa), größtes Geldhaus im Sparkassenverbund, geht noch massiver vor. Sie senkt die Freibeträge von bislang 500.000 Euro zum 1. Mai auf 50.000 Euro. Für Firmenkunden sinken sie von 250.000 Euro auf 100.000 Euro. Beträge, die darüber hinausgehen, werden mit Negativzinsen von 0,5 Prozent belegt. Der Grund ist ein Geldzufluss, den die Bank so noch nicht gesehen hat: 2,8 Milliarden Euro waren es nach Auskunft eines Sprechers im Jahr 2020. Das Geld bei der EZB zu parken, kostet die Hamburger nach eigener Auskunft einen zweistelligen Millionenbetrag. Und da man bei der Haspa derzeit jeden Euro umdrehen muss, um noch irgendwie in den schwarzen Zahlen zu bleiben, gehört die Sparerstrafe zur neuesten Masche. „Für die Planungen 2021 und 2022 schauen wir uns jeden Euro, den wir ausgeben, zweimal an“, sagte Haspa-Chef Harald Vogelsang jüngst in einem Interview.

Auch neue Konten helfen den Kunden nicht. So berechnet die Depotbank Comdirect den Freibetrag, auf den noch keine Strafe fällig wird, nicht pro Konto, sondern pro Kundenverbindung. Das heißt, alle unter einer Kundennummer registrierten Konten – auch Verrechnungskonto und Wertpapierkreditkonto – werden zusammengerechnet und die Guthaben dürfen insgesamt nicht mehr als 100.000 Euro betragen. Dazu führt die Comdirect fürs Tagesgeld ein Kontoführungsentgelt in Höhe von 1,90 Euro pro Monat ein.

Das Finanzportal Biallo kommt zu dem Ergebnis: Gut 40 Sparkassen und Genossenschaftsbanken gewähren zum Teil nur noch Freibeträge von 10 000 Euro oder weniger auf dem Tagesgeld- oder Girokonto. 15 Geldhäuser kassierten bereits ab dem ersten Euro ab. Der Strafzins sei meist identisch mit dem negativen EZB-Einlagensatz (-0,50 Prozent pro Jahr), den die Geldhäuser zahlen müssen, wenn sie kurzfristig Liquidität bei der Europäischen Zentralbank parken. Manche Banken gingen sogar einen Schritt weiter und setzen das „Verwahrentgelt“ höher an. Die Bank 1 Saar ist bundesweit die erste Bank, die offiziell einen Strafzins von 0,75 Prozent berechnet – und zwar ab jeweils 10 000 Euro auf privaten Tagesgeld- und Girokonten, die ab dem vergangenen Jahr eröffnet wurden.

Aus Sparersicht sind die Strafzinsen aus zwei Gründen tückisch: Viele Banken weisen sie nicht aus, weil es bislang nicht Vorschrift ist, das zu tun. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat ein Musterexemplar erstellt, wie Kundeninformationen auszusehen haben – der Hinweis auf die Negativzinsen fehlt dabei bislang.

Der zweite Trick, mit dem die Banken arbeiten, besteht in der Begründung für die Sparerstrafe: Angeblich verlangt die Europäische Zentralbank einen Negativzins von 0,5 Prozent auf Einlagen, die die Banken bei ihr halten müssen. Das stimmt jedoch nur in der Theorie. In der Praxis gewährt die EZB Rabatt. Seit September 2019 gibt es einen Freibetrag für Banken, die ihr Geld bei der EZB parken, der zu einer geringeren Belastung der Kreditinstitute führt. Der Freibetrag umfasst die sechsfache Mindestreserve, die eine Bank vorhalten muss. Experten gehen deshalb davon aus, dass Banken durch den Strafzins, den sie Kunden in Rechnung stellen, selbst ein Geschäft machen können.

10.03.2021 | 10:09

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