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Stauvermeidung: SAP präseniert Pläne auf der Cebit in Hannover

Autofahrer stehen häufig im Stau, weil die Strecke gesperrt ist. Der Softwareriese SAP will das mit einer Verkehrssteuerung verhindern. Smarte Straßenlaternen spielen dabei eine wichtige Rolle.

Gegen die Plagen der Menschheit helfen manchmal einfache Mittel. Zum Beispiel Straßenlaternen. Wer im Auto sitzt und missmutig darauf wartet, dass sich der Verkehr an der Baustelle vorbeischlängelt, der hat Zeit zu grübeln. Wann ist man wohl zu Hause? Was macht der Nebenmann eigentlich? Und wäre es nicht möglich, den Verkehr anders zu leiten? Sperrungen und Umleitungen stürzen ganze Stadtviertel ins Chaos, zumindest den autofahrenden Teil.

Am Stau haben sich schon viele Forscher und Unternehmen abgearbeitet. Die auf einer Autobahn verschwendete Lebenszeit ist gigantisch, auch die Lebensqualität leidet. Nun startet auch SAP einen Versuch: Der Softwareriese will den Verkehr so steuern, dass es erst gar nicht zu Engpässen kommt. Auf der Cebit in Hannover zeigt er ein System, das Daten sammelt, auswertet und daraus Prognosen erstellt. Es ist ein Beispiel für das Internet der Dinge (IoT), also die Vernetzung der Welt, die auf der Messe eines der großen Themen ist. Die IT-Branche erhofft sich ein Milliardengeschäft.

Die Straßenlaternen spielen eine entscheidende Rolle. Wobei der Begriff Laterne eine Untertreibung ist: Hersteller Smight, eine Tochterfirma des Energiekonzerns EnBW, rüstet die Geräte für die Städte des 21. Jahrhunderts aus. Sie enthalten WLAN-Sender für einen flächendeckenden Internetzugang und Ladestationen für Elektroautos oder Fahrräder. Mit einem SOS-Knopf können Passanten Hilfe herbeirufen.

Für die Stadtplaner ist aber ein anderer Teil der Ausstattung entscheidend. In den Masten baut Smight etliche Sensoren ein, die als Augen der Stadt dienen sollen. Sie messen beispielsweise Schadstoffe in der Luft – so entsteht eine hausnummerngenaue Karte der CO2- und Stickoxid-Belastung. Im Fuß ist ein Wasserfühler integriert, der bei Starkregen Überschwemmungen in Echtzeit meldet. Und eine Kamera oder ein Radar hat vorbeifahrende Autos im Blick.

Schon jetzt liegen viele Datensätze zum Verkehr in der Stadt vor, etwa von Radarsystemen auf Brücken und Induktionsschleifen, außerdem von den vielen Handys, die die Fahrer dabei haben. Wenn alle 50 Meter eine Laterne einen Blick auf die Straße wirft, lässt sich das Verkehrsaufkommen aber genauer messen denn je. „Wenn Sie diese Daten zusammenfassen, bekommen Sie ein komplett neues Bild auf die Stadt“, sagt Hans Jörg Stotz, der bei SAP die Strategie fürs Internet der Dinge verantwortet.

Ein Markt mit Milliardenpotential

Der Softwarehersteller hat ein System entwickelt, das alle verfügbaren Daten auswertet. Ein Stadtplaner soll damit beispielsweise simulieren können, wie eine Baustelle den Verkehr stört – und zwar zu unterschiedlichen Tageszeiten. Auf einem digitalen Stadtplan färben sich die Straßen rot, wo ein Stau zu erwarten ist, grüne Striche signalisieren normalen Verkehr.

Geplante wie unerwartete Ereignisse lassen sich bei der Simulation einbeziehen: Wenn etwa der FC St. Pauli ein Heimspiel hat, ist am Hamburger Hafen ohnehin viel los. Für die Bauarbeiten ist das kein guter Zeitpunkt. Auch wenn die Elbe über die Ufer zu treten droht, können sich die Planer die Auswirkungen anzeigen lassen und darauf reagieren. Etwa mit Warnmeldungen über den Verkehrsfunk oder direkt ins Cockpit, wenn denn eines Tages die Autos übers Netz erreichbar sind. „Die Vernetzung hilft, aus dem Stau den Druck herauszunehmen“, sagt SAP-Manager Stotz.

Die Sensoren helfen nicht nur bei der Staubekämpfung. In Buenos Aires misst SAP n den Abwasserkanälen die Richtung, Geschwindigkeit und Höhe des Wassers. So können die Einsatzkräfte die Leitungen reinigen, bevor diese verstopft sind, und so Überschwemmungen verhindern. Die Fühler für CO2 und Stickoxid wiederum helfen, gefährliche Gase zu entdecken. Für die Prognosen nutzt SAP Technologien, die große Datenmengen rasend schnell auswerten und Prognosen auswerfen. Experten sprechen von Big Data. Die Techniker beziehen neben den Messungen am Straßenrand auch andere Informationsquellen ein, etwa der Mobilfunkanbieter. „IoT-Anwendungen leben davon, dass wir möglichst viele Daten zusammenführen“, sagt Stotz.

Der Markt für die Vernetzung der Städte – im ranchensprech Smart Cities – gilt als vielversprechend. Der Marktforscher Navigant Research schätzt, dass der Umsatz 2016 weltweit zwölf Milliarden Dollar betragen und bis 2013 auf 28 Milliarden Dollar wachsen wird. Neben etablierten Anbietern drängen auch zahlreiche Start-Ups auf den Markt.

Bis die Kommunen den Stau mit modernen Mitteln bekämpfen, dürfte allerdings noch einige Zeit vergehen. „Viele europäische Städte tun sich schwer damit, neue Technologien in die bestehende Infrastruktur zu integrieren“, erklärte Roman Friedrich von der Beratungsgesellschaft Strategy& kürzlich gegenüber dem Handelsblatt. Das treffe insbesondere auch auf deutsche Städte zu. Ein Grund ist die mangelnde Finanzkraft der Kommunen.

Viele Städte seien noch in einer frühen Phase, beobachtet auch Stotz. Er hofft, dass sie sich nun mit dem Thema auseinandersetzen. „Die Daten sind da, jetzt müssen wir den Diskurs darüber führen, ob und wie wir sie nutzen wollen.“ Die Staubekämpfung sei eine gute Möglichkeit, die Bürger zu überzeugen. Wer steht schon gerne vor einer Baustelle herum? Handelsblatt / Christof Kerkmann

16.03.2016 | 22:05

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