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Steuervermeidung wird zum Trendsport bei Unternehmen

Neue Studie belegt: Legale Steuervermeidungsmodelle kosten den Staat Milliarden. Unter den Steuertricksern sind auch Firmen, die mit Staatsgeld vor der Pleite gerettet werden.

Durch die Verlagerung von Gewinnen in Länder mit besonders niedrigen Unternehmenssteuern entgehen dem deutschen Staat im Jahr Einnahmen von 5,7 Milliarden Euro. So jedenfalls lautet die Schätzung des Münchner Wirtschaftsforschungsinstituts ifo, die die Ökonomen jetzt in einer Studie veröffentlicht haben. Vor dem Hintergrund der Pandemie, in der der Staat auch einige dieser Unternehmen mit Krediten und direkten Zahlungen unterstützt, ist die Studie brisant.

Die Untersuchung des ifo Instituts umfasst große und kleinere deutsche multinationale Unternehmen sowie die deutschen Tochtergesellschaften ausländischer multinationaler Unternehmen. Die für die Studie ausgewerteten Länderberichte der großen Firmen zeigen, dass nur neun Prozent ihrer gesamten globalen Gewinne von Tochterunternehmen stammen, die in Niedrigsteuerländern ansässig sind. Der Löwenanteil der Gewinne entsteht dagegen in Europa. „Unseren Schätzungen zufolge lassen sich 62 Prozent der Gewinne in Niedrigsteuerländern auf realwirtschaftliches Geschäft zurückführen, zum Beispiel in Ländern wie der Schweiz oder Irland. Aber 38 Prozent sind das Resultat von Gewinnverlagerung zur Vermeidung von Steuern“, sagt Studien-Co-Autor und ifo-Präsident Clemens Fuest.

Auch unter den Geretteten finden sich Steuervermeider

Die Ergebnisse sind vor dem Hintergrund einer anderen Auswertung politisch besonders heikel: Laut einer Untersuchung der Bürgerbewegung Finanzwende des ehemaligen finanzpolitischen Sprechers der Grünen, Gerhard Schick, haben von 16 größeren Unternehmen, die staatliche Hilfen erhalten, 13 Verbindungen zu Schattenfinanzzentren und nutzen das in der Regel, um Steuern zu sparen. Unter den Betroffenen sticht die Lufthansa hervor, die mit neun Milliarden Euro Empfänger des größten Rettungspakets ist, das der Bund an ein einzelnes Unternehmen vergeben hat. Sie beschäftigte vor der durch Corona ausgelösten Wirtschaftskrise rund 138 000 Mitarbeiter – zwei davon in einer Tochterfirma auf Malta. Die beiden waren höchst produktiv: Sie haben 2019 fast 200 Millionen Euro Gewinn für die Fluggesellschaft gemacht. Insgesamt kommt die Lufthansa auf an die einhundert Tochtergesellschaften, von denen viele in steuergünstigen Ländern ihren Sitz haben.

Ein anderes Beispiel ist der Autovermieter Sixt, der sich auf dem Höhepunkt der Krise im Frühjahr eine Kreditlinie über bis zu 1,5 Milliarden Euro bei der KfW sicherte. Der Autovermieter betreibt mit der Sixt International Services GmbH eine Tochterfirma auf Malta, die andere Firmen des Sixt-Imperiums mit Krediten versorgt. Der Vorteil einer solchen Konstruktion besteht darin, dass die Schuldnerfirmen ihre Zinszahlungen steuermindernd vor Ort geltend machen, während die maltesische Firma ihre Zinseinkünfte weitgehend steuerfrei behalten kann. Ein ähnliches Bild ergibt sich beim Blick auf den schwer angeschlagenen Touristik-Riesen Tui. Er kann auf ein Rettungspaket des Staates zählen. Auf der anderen Seite lässt Tui seine Schiffe der Flotte „Mein Schiff“ unter maltesischer Flagge fahren.

Auch die Krisengewinner profitieren manchmal doppelt, wie etwa der Diagnostik-Konzern Quiagen aus Hilden bei Düsseldorf. Er ist an der Frankfurter Börse notiert und die Aktie klettert munter nach oben, weil Quiagen nicht zuletzt auch vom Geschäft mit Corona-Tests profitiert. Der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart würdigte Quiagen bei seinem jüngsten Besuch als „nordrhein-westfälische Erfolgsgeschichte“ und versprach Fördergeld in Höhe von 18,3 Millionen Euro. Sehr nordrhein-westfälisch geht es bei Quiagen allerdings nicht zu: Das Unternehmen hat Tochterfirmen in Steueroasen wie Luxemburg oder Malta. Die Muttergesellschaft sitzt in den Niederlanden.

Die Methode der konzerninternen Kredite ist keine Besonderheit, sondern macht laut Studien ein Drittel aller Steuersparmodelle bei internationalen Unternehmen aus. Steuervermeidung ist legal und zielt darauf ab, Gewinne aus Hochsteuerländern wie etwa Deutschland in Steueroasen zu verschieben, wo sie kaum oder gar nicht besteuert werden. So betonen alle Unternehmen denn auch, dass sie sich an „Recht und Gesetz“ hielten, insbesondere an die Einhaltung des „geltenden Steuerrechts." Allerdings versuche man, so gibt es beispielsweise ein Sprecher von Quiagen zu Protokoll, - unter strenger Beachtung der Gesetze - seine globale Steuerposition zu optimieren.

EU weite Regelung bislang auch an Deutschland gescheitert

Internationale Anstrengungen, unter anderem auch von der Europäischen Union, gegen Steuervermeidungsmodelle anzukämpfen, sind bisher weitgehend gescheitert. 2019 war die EU kurz davor, ein sogenanntes „Country by Country-Reporting“ einzuführen, dass die Firmen anhalten sollte, ihre internen länderübergreifenden Finanzströme offenzulegen. EU-Schwergewichte wie Frankreich, Spanien, Italien und Polen waren für den Vorschlag, denn sie profitieren, wenn Unternehmen dort ihre Steuern zahlen, wo sie sitzen - nämlich in der Regel in den großen Staaten. Kleinere Länder wie Malta, Irland und Luxemburg waren gegen die Regelung. Sie wollen die Steuern über Tochtergesellschaften bei sich verrechnen. Am Ende ging die Abstimmung knapp verloren. Unter anderem, weil Deutschland sich enthielt.

In dieser Situation ist die Studie des ifo-Instituts Sprengstoff. Fuest wird darin weiter aus, dass die Tochtergesellschaften großer deutscher Unternehmen in Hochsteuerländern einen Gewinn von etwa 41 000 Euro pro Beschäftigten erzielen. In den europäischen Niedrigsteuerländern sind es rund 130 000 Euro und in den außereuropäischen Steueroasen 73000 Euro. Dieses Ungleichgewicht sei vermutliche eine Folge von Steuergestaltungen.

oli


20.01.2021 | 11:45

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