KI verändert den Arbeitsmarkt tiefgreifend: Industrie kürzt Stellen, IT schafft neue Jobs – wie Deutschland auf den Wandel reagiert, entscheidet die Zukunft. (Foto: ki-generiert, chatgpt)



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Studie: Wie KI den Arbeitsmarkt aufmischt


Die Zukunft des deutschen Arbeitsmarkts klopft nicht mehr an die Tür – sie steht längst im Flur. Und ihr Name ist Künstliche Intelligenz. Was euphemistisch nach technologischem Fortschritt klingt, entpuppt sich für viele Unternehmen als ein nüchterner Rationalisierungshebel. Eine neue Umfrage des Münchner Ifo-Instituts gibt der Debatte erstmals schärfere Konturen: Gut jedes vierte Unternehmen rechnet damit, dass durch KI in den kommenden fünf Jahren Stellen verschwinden werden. 27,1 Prozent erwarten einen Jobabbau. Nur eine verschwindend geringe Minderheit – 5,2 Prozent – glaubt an zusätzliche Arbeitsplätze. Der Rest wiegt sich in trügerischer Stabilität.


Industrie im Rückwärtsgang, IT auf dem Sprung

Die Spreizung zwischen den Branchen ist bezeichnend: Während die Industrie bereits das Skalpell wetzt – hier rechnet mehr als ein Drittel mit Personalabbau – gibt sich die IT erstaunlich gelassen. Oder vielmehr: optimistisch. Für Softwarehäuser, Datenverarbeiter und Cloud-Dienstleister ist KI kein Schreckgespenst, sondern ein neuer Motor. Arbeitsplätze könnten entstehen, dort wo Systeme trainiert, gewartet und mit Sinn befüllt werden müssen. Ein nüchternes Fazit von Ifo-Ökonom Klaus Wohlrabe: „KI ist nicht nur Werkzeug zur Effizienzsteigerung, sondern auch Ausgangspunkt neuer Tätigkeiten.“

Zwischen Euphorie und Enttäuschung: Was die Praxis lehrt

Doch Theorie und Praxis sind selten ein Herz und eine Seele. Der Zahlungsdienstleister Klarna etwa versuchte, seine Kundenbetreuung per KI-Chatbots zu revolutionieren – und erlebte ein böses Erwachen. Die Beschwerden häuften sich, die Servicequalität rauschte in den Keller. Der Mensch kehrte zurück, diesmal als Reparaturbetrieb der eigenen Digitalisierungsstrategie. Ähnlich erging es Duolingo: Die Sprachlern-App, bislang ein Liebling digitalaffiner Bildungshungriger, stolperte nach der Integration KI-generierter Inhalte über holprige Grammatik und fehlerhafte Lektionen. Nutzer wandten sich in Scharen ab, in den sozialen Netzwerken kulminierte der Unmut in einem öffentlichen Shitstorm. Eine Mahnung: Technologische Disruption ist kein Ersatz für inhaltliche Sorgfalt.


Zwischen Rechenzentren und Funklöchern: Die Landkarte der KI-Arbeit

Die Verteilung der KI-Chancen in Deutschland folgt altbekannten Mustern. Süddeutschland, mit seinen Technologiekonzernen und Automobilzulieferern, sowie die Metropolen Berlin und Köln sind Hotspots digitaler Innovation. In München beziehen sich fast 5 Prozent aller Stellenausschreibungen auf KI – ein Rekordwert. Doch jenseits der Ballungszentren herrscht digitale Dürre. In ländlichen Regionen fehlt es nicht nur an Bewerbern, sondern oft an der grundlegenden Infrastruktur: Glasfaser, Rechenzentren, digitale Kompetenz. Hannes Ametsreiter von der Bertelsmann Stiftung bringt es trocken auf den Punkt: „Ohne Datenautobahn keine KI-Revolution.“

KI als Heilsbringer für den Fachkräftemangel? Noch nicht.

Die Idee klingt charmant: Wenn Menschen fehlen, warum nicht auf Maschinen setzen? Doch auch hier mahnt die Realität zur Geduld. Ifo-Präsident Clemens Fuest spricht von einer „Erkundungsphase“. Unternehmen tasteten sich heran, prüften Anwendungsfelder, analysierten Kosten und Nutzen. Bis sich das in größeren Zahlen auf dem Arbeitsmarkt niederschlägt, dürften Jahre vergehen.
Dennoch: In einer alternden Gesellschaft könnte KI langfristig eine Lücke füllen, die durch den demografischen Wandel aufgerissen wird. Ob das genügt, bleibt offen. Wohlrabe warnt vor voreiligem Optimismus: „Die Dynamik ist zu groß, um seriöse Prognosen zu wagen.“

Ein Arbeitsmarkt im Experimentierstadium

Was bleibt, ist ein Bild des Übergangs. Der deutsche Arbeitsmarkt steht am Anfang eines umfassenden Transformationsprozesses. Ob dieser mehr Menschen überflüssig macht oder neue Tätigkeitsfelder erschließt, wird sich nicht am Reißbrett entscheiden, sondern in Produktionshallen, Callcentern und Softwarebüros.
Weiterbildung, Umschulung, digitale Alphabetisierung – das sind die Hebel, mit denen aus einem potenziellen Krisenmoment eine produktive Wende werden kann. Doch dafür braucht es mehr als Studien und Schlagzeilen. Es braucht politische Weitsicht, betriebliche Offenheit – und das Vertrauen, dass der Mensch auch in Zukunft mehr kann als seine Maschine.

red.

09.06.2025 | 13:27

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