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Teurer erben statt schöner wohnen – was auf Hausbesitzer zukommt

Etwas versteckt, aber doch deutlich winken im Entwurf des Jahressteuergesetzes 2022 höhere Steuern fürs Erben und Verschenken. Auch ohne dass eine Steuer im Wortsinne erhöht wird. Aber: Wer ein Eigenheim oder Mietshaus besitzt, muss womöglich schnell handeln. Bis Jahresende nämlich.

Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird – das ist insbesondere bei Gesetzesvorhaben der Fall. Entwürfe landen kaum je unverändert in den Gesetzeswerken. Eigentümer und prospektive Erben von Einfamilienhäusern oder Eigentumswohnungen dürften dies auch in Hinblick auf das Jahressteuergesetz 2022 erhoffen, das am 14. Oktober erstmals im Bundestag beraten und an den Finanzausschuss überwiesen wurde. Das Gesetzeswerk wird im Parlament mit dem erfreulichen Einleitungssatz „Staatliche Zahlungen an die Bevölkerung sollen einfacher abgewickelt werden können“ vorgestellt. Dann jedoch kommen eher die folgenschweren Bestandteile, die mit Zahlungen an die Bevölkerung rein gar nichts zu tun haben. Darunter einige Neuregelungen bei der steuerlichen Bewertung von Immobilien. Diese seien aufgrund der verfassungsrechtliche gebotenen Änderung bei der Wertermittlung nun in die Steuergesetzgebung einzuführen, begründet das Ministerium seinen Entwurf. Und der hat es in sich.

Es ist trockener Stoff, dieses Werk namens Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) vom 14. Juli 2021. Es machte Schluss mit dem jahrzehntelangen Ringen um die Bewertung von Häusern, die bis vor gar nicht langer Zeit noch nach fortgeschriebenen Einheitswerten aus den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts ermittelt wurde. Das Bundesverfassungsgericht stellte dann fest, dass Immobilienwerte auch für steuerliche Zwecke möglichst nahe am „gemeinen Wert“ festgestellt werden müssen. Das bezeichnet also einen Wert, wie er beispielsweise bei einem Verkauf zu realisieren wäre. Im Jahressteuergesetz werden nun also diese Daten und Anforderungen umgesetzt. Und da wird so mancher Häuslebauer am 1. Januar plötzlich steinreich, ohne seinem Gebäude auch nur einen einzigen Stein hinzugefügt zu haben. Die neuen Bewertungsregeln, sollte das Jahressteuergesetz in dieser Hinsicht unverändert die Beratungen und Beschlussfassungen von Bundestag und Bundesrat durchlaufen, machen ab Januar 2023 das Erben teurer, und zwar mitunter beträchtlich. Und das Beschenktwerden auch.

Die Preissteigerungen der vergangenen Jahre vor allem in gesuchten Lagen tun ein Übriges. So mancher Wohnungs- oder Hausbesitzer konnte in wenigen Jahren eine Verdoppelung der Preise beobachten, die in der Nachbarschaft bei Verkäufen aufgerufen wurden. Wer nicht verkaufen oder verschenken wollte, konnte gelassen zuschauen. Kaum jemand jedoch machte sich unmittelbar Gedanken ums Vererben oder die Abfassung eines angepassten Testaments. Das könnte nun plötzlich dringlich werden. Denn die Freibeträge bei der Erbschaft-/Schenkungsteuer ändern sich keineswegs, was den Wertsteigerungen angemessen wäre. So bleibt es etwa bei einem Freibetrag für direkte Nachkommen von 400.000 Euro. Schon für Enkelkinder halbiert dieser sich. Und: 400.000, das klingt nach sehr viel Geld.

Was es nicht ist, wenn ein eher gewöhnliches Einfamilienhaus in Großstadtnähe beim Bau oder Kauf vor Jahr und Tag diesen Wert hatte – der ist in wenigen Jahren auf mitunter das Doppelte gestiegen. So dass ein direkter Nachkomme beim Erben trotz privilegierter Stellung im Steuergesetz fünfstellige Beträge aufwenden muss – außer, er selbst wohnt im neuerdings so bezeichneten „Familienheim“, und dies für weitere zehn Jahre zum Beispiel. Oder zieht unverzüglich dort ein. Sind die Kinder aus dem Haus, und leben fern der Heimat, hilft alles nichts. Oder auch, falls die Wohnfläche mehr als 200 Quadratmeter beträgt, womit die Komplexität des Erbschaftsteuerrechts noch lange nicht erschöpft ist. Im Zweifelsfall bleibt den Erben nur, den Sachwert des Hauses, wenn möglich, gut belegbar niedriger einschätzen zu lassen.

Ebenfalls tiefgreifende Konsequenzen haben die Neuregelungen für Eigentümer und Erben von gewerblich genutzten Immobilien und vermieteten Objekten – allerdings, so ein Fachanwalt: „Die genannten Änderungen kommen nicht so überraschend, wie jetzt vielfach beklagt wird“. In der Tat stammt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts schon von 2006. Viele Betroffene haben sich allerdings mehr oder weniger darauf verlassen, dass sich in dieser Hinsicht jahrelang nichts Entscheidendes tat, und dies auch weiterhin so erwartet. Nun wird es ernst mit dem angepassten Ertragswertverfahren etwa für Mietobjekte. Die neu ermittelten Daten der Finanzverwaltung, etwa basierend unter anderem auf den Festlegungen von Gutachterausschüssen der Kommunen, sollen im übrigen auch bei der kommenden Neuregelung der Grundsteuer berücksichtigt werden, aber das ist erkennbar eine andere Geschichte. Jedenfalls dürfte eine Eigentumsübertragung ohne fachkundige Unterstützung kaum noch empfehlenswert sein – denn bei ungeschickter Handhabung drohe eine Schenkung extrem teuer zu werden: Ein Steuerberater spricht von der weitgehend unbemerkten stärksten Steuererhöhung seiner langen Laufbahn. Rein formal wird natürlich kein Steuersatz angehoben – dass die betroffenen Bürger gleichwohl heftig zur Kasse gebeten werden, ist dennoch Fakt.

Ebenfalls wie beiläufig ändert sich auch Grundsätzliches, was die lineare Abschreibung bei gewerblich genutzten Immobilien angeht. Für Gebäude, die nach dem 1. Januar 2023 errichtet werden, gilt die künftige Abschreibungsrate (AfA) von drei Prozent jährlich (statt bisher zwei Prozent). Das ist vordergründig steuersparend für den Eigentümer. Die angenommene Nutzungsdauer von Häusern sinkt damit aus steuerlicher Sicht von fünfzig auf 33 Jahre. Danach muss der Steuerbürger neu nachdenken. Inwieweit die Finanzpolitiker damit eine Einschätzung der heutigen Bauqualität abgeben wollten, ist allerdings nicht überliefert.

Reinhard Schlieker

17.10.2022 | 11:00

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