(Bild: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Daniel Schäfer)



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Thüringen sagt Elektroschrott den Kampf an

Bundesweites Pilotprojekt mit Reparaturprämie startet. Verbraucherzentrale verzeichnet hohe Nachfrage. Weitere Bundesländer liebäugeln mit der Idee.

Ein letztes Aufglühen, dann passiert nichts mehr. Der Toaster ist defekt. Und nun? Zum Recyclinghof? Mülltonne? In Thüringen heißt die Antwort jetzt: reparieren. Das Bundesland beteiligt sich an den Kosten und will so die Menge an Elektroschrott verringern. Ein bundesweit einmaliges Projekt.

In Deutschland fallen im laufenden Jahr nach Zahlen des Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung rund 2,1 Millionen Tonnen Elektroschrott an – vom Kabel über den Staubsauger bis zum Gefrierschrank. Rund 0,95 Millionen Tonnen werden recycelt, der Rest landet in der normalen Mülltonne oder lagert in Schubladen, alte Smartphones zum Beispiel.

100 Euro Reparaturprämie

Die Schrottmenge wäre wohl deutlich geringer, wenn die Geräte repariert und länger genutzt werden könnten. Thüringen bietet eine Prämie, wenn jemand sein defektes Elektrogerät wie Fön, Spielekonsole, Kochplatten oder Toaster reparieren lässt. Bis zur Hälfte des Reparaturbetrags, höchsten 100 Euro, zahlt die Verbraucherzentrale, die das Projekt des Landesumweltministeriums steuert. Insgesamt stehen 150.000 Euro zur Verfügung. Das Projekt läuft zunächst bis Ende 2022.

„Wir sind begeistert, wie groß der Zuspruch ist“, sagt Stefan Eisentraut, Projektleiter Reparaturbonus bei der Verbraucherzentrale. Seit dem Start am 15. Juni seien 266 Anträge eingegangen (Stand 27. Juni). Zudem gebe es viele Anfragen von Verbrauchern. „Wir scheinen da tatsächlich einen Nerv getroffen zu haben.“
Am häufigsten ließen die Thüringer den Daten zufolge Kaffeemaschinen reparieren. Sie sind entweder besonders anfällig oder dem Dauergebrauch doch nicht so gewachsen. An zweiter Stelle ermittelten die Verbraucherschützer Geschirrspüler, Platz drei belegen Waschmaschinen, gefolgt von Mobiltelefonen. Reparaturrechnungen einreichen darf nur, wer seinen Hauptwohnsitz in Thüringen hat. Allerdings haben sich andere Bundesländer bereits beim Umweltministerium in Erfurt über das Projekt informiert. Möglich, dass es bald auch an anderen Stellen in Deutschland eine Prämie für Reparaturen gibt.

Zweifel bei den Entsorgern

Skeptisch sind die Entsorger. Nicht, weil die Thüringer die Lebensdauer von Elektrogeräten verlängern wollen, sondern, wie sie es tun. „Ich glaube nicht, dass ein staatlicher Zuschuss der richtige Ansatz ist“, sagt ein Manager. Die Hersteller müssten gezwungen werden, Geräte langlebiger zu bauen – und vor allem auch so zu gestalten, dass sie gut repariert werden könnten. Das bedeutet etwa, weniger kleben, mehr schrauben und stecken. Mit der Produktionsweise bisher haben Reparaturbetriebe und Recycler Probleme: Die einen, weil sie Teile nur schwer auseinander und heil wieder zusammenbekommen, die anderen, weil sie die Geräte nur sehr mühsam zerlegen können.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen fordert schon lange, langlebigere Produkte und ein Recht auf Reparatur. In den vergangenen Jahren beobachteten die Verbraucherschützer allerdings eher, dass die Nutzungsdauer der Geräte schrumpfte. In 57 Prozent der Fälle mussten die Geräte ausgetauscht werden, weil sie defekt waren, wie eine Studie des Ökoinstituts ergab. Bei knapp einem Drittel der Geräte war die Software veraltet. Die Studie ermittelte auch, dass die Verbraucher die Geräte lieber länger nutzen wollten. beim Mobiltelefon liegt die Nutzungsdauer demnach im Schnitt bei zwei Jahren, telefonieren und surfen wollten die Verbraucher aber am liebsten vier Jahre lang.

3,63 Milliarden Euro lassen sich sparen

Das Ökoinstitut untersuchte 2020 wie lange Mobiltelefone, Waschmaschinen, Notebooks und Fernseher hielten und wie lange sie aus Sicht der Nutzer halten sollten. Wäre der Verbraucherwunsch das Maß könnten diese jährlich 3,63 Milliarden Euro sparen. Gleichzeitig schonte mehr Lebensdauer das Klima: Bei den vier Produktgruppen könnten jährlich 3,93 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalent gespart werden.
Ist ein Gerät wie der Toaster nicht zu reparieren oder lohnt es sich nicht mehr, sollte es auf keinen Fall im Hausmüll entsorgt werden. das gilt auch für anderen Elektroschrott. Denn in vielen Geräten stecken Gifte wie Blei, die fachgerecht entsorgt werden müssen. Und wertvolle Rohstoffe wie seltene Erden, Platin oder Aluminium kann die Industrie wieder verwenden.

Auch HDMI-Kabel sind Elektroschrott

Deutschland gilt zwar als besonders stark beim Recyceln, dennoch landet mehr als die Hälfte allen Elektroschrotts nicht bei kommunalen Sammelstellen oder werden von den Handwerkern, die neue Geräte liefern und aufstellen, wieder mitgenommen. Die Elektrozahnbürste endet oft in der Mülltonne, weil sich der Weg zum Recyclinghof nicht lohnt. Deutschland verfehlt hier die EU-Vorgaben von 65 Prozent Wiederverwertungsquote.

Oft ist auch nicht klar, was zum Elektroschrott gehört. Mikrowellen, Kühlschränke, Staubsauger oder Computer sind eindeutig. Dass inzwischen auch HDMI-Kabel, Kopfhörer und Steckdosen dazugehören, ist weniger bekannt. Seit 2018 zählen sogar Tonerkartuschen aus dem Drucker, wenn sie einen Sensor eingebaut haben, dazu. Und auch Turnschuhe mit eingebauten LED, die bei jedem Schritt bunt leuchten, sind Elektroschrott und müssten zur Sammelstelle.

Björn Hartmann

28.06.2021 | 14:27

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