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Beginn einer neuen Ofenreise

Nach 21 Jahren hat er seine Ofenreise beendet: der größte Hochofen Europas, der Hochofen 2 in Duisburg-Schwelgern. Mitte Juni wurden zunächst die Temperaturen des Aggregats ­heruntergefahren und danach Erneuerungsarbeiten an diesem Kernaggregat aufgenommen. Ende September soll der am 28. Oktober 1993 angeblasene Hochofen wieder in Betrieb gehen.

Dann beginnt seine zweite Ofenreise – so nennt man die Produktionszeit zwischen zwei Modernisierungsphasen. Bis zum vergangenen Jahr hatte die Anlage mit einem Gestelldurchmesser von 14,9 Metern insgesamt bereits 75 Mio. Tonnen Roheisen geschmolzen. Mit der bisher produzierten Menge könnten etwa 3 200 Exem­plare der 400 Meter langen Kölner Hohenzollernbrücke gebaut werden – die daran angebrachten Tausenden von „Liebesschlössern“ nicht mitgerechnet.

Hohe Investitionen in die Wartung

Die sogenannte Neuzustellung des Hochofens 2 ist mit erheblichen Investitionsmitteln verbunden. Inklusive Demontage und weiteren Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten wendet ThyssenKrupp Steel Europe insgesamt mehr als 200 Mio. Euro auf. Zur Vorbereitung der erstmaligen Neuzustellung des Hochofens 2 war im Oktober 2013 der Hochofen 9 in Duisburg-Hamborn wieder angeblasen worden, um die für den Produktionsablauf erforderliche Menge in der Flüssigphase herzustellen.

In einem Hochofen werden eisenoxidhaltige Erze mit Koks und Kohlenstaub zu metallischem Eisen reduziert. Durch die Zufuhr heißer Luft wird die feste Masse eingeschmolzen. Dabei entstehen Temperaturen von über 2 000 Grad. Das Roheisen fließt in den unteren Teil des Hochofens, wo es aus Abstichlöchern abgelassen wird. Von hier aus wird es in feuerfesten Gefäßen zu einem der beiden Oxygenstahlwerke transportiert und zu hochwertigem Rohstahl weiterverarbeitet, aus dem Stahlbrammen und am Ende Stahlbleche entstehen. Daraus werden dann Automobilteile oder Haushaltsgeräte.

Der 90 Meter hohe Hochofen Schwelgern 2 erschmilzt täglich rund 12 000 Tonnen Roheisen. Dafür müssen knapp 19 000 Tonnen aufbereitetes Eisenerz sowie bis zu 4 000 Tonnen Koks von oben in das Hochofengefäß gefüllt werden. Tag für Tag verarbeitet das Aggregat etwa 25 Güterzüge à 20 Waggons mit Erz, Sinter, Kohle und Koks. Beim Bau des Hochofens 2 wurden damals unter anderem 75 000 Kubikmeter Beton, 43 700 Tonnen Stahl, 800 Kilometer Elektrokabel und 35 Kilometer Kühlrohre verwendet.

Das Aggregat wird rundum auf den neuesten Stand der Technik gebracht. Beispielsweise muss die etwa zwei Meter dicke feuer­feste Ausmauerung vollständig erneuert werden. Allein für das etwa 75 Meter hohe Hochofengefäß werden rund 7 100 Tonnen Feuerfestmaterial benötigt. Ein Spezialunternehmen führt die Mauerarbeiten zeitgleich über sechs in unterschiedlicher Höhe angebrachten Arbeitsbühnen aus. Zusätzlich wird die Kühlung des Ofengefäßes modernisiert. So werden mehr als 2 300 Kupferkühlplatten ausgewechselt. Weitere Reparatur- und Erneuerungsarbeiten finden unter anderem in der Gießhalle sowie in den Bereichen Winderhitzer, Gasreinigung, Schlackengranulation und Entspannungsturbine statt.

Ein rund 300-köpfiges Team von ThyssenKrupp Steel Europe­ stemmt dieses gigantische Modernisierungsprojekt ­mithilfe von rund 100 nationalen und internationalen Fremdfirmen – ein erheblicher Teil der Arbeiten wird von Unternehmen aus anderen Segmenten des ThyssenKrupp-Konzerns ausgeführt. Die Neuzustellung macht einen zusätzlichen externen Personaleinsatz von rund 1 100 Mann pro Tag erforderlich. Koordiniert wird die Neuzustellung aus einem eigens errichteten 10 000 Quadratmeter­ großen Containerdorf. In den mobilen Büros laufen die Fäden des Planungsteams zusammen – es gibt aber auch ausreichend Platz für Fertigung und Lagerung.

Die bisherige Laufzeit des Duisburger Hochofens 2 von mehr als 20 Jahren ist ungewöhnlich lang für ein solches Aggregat. Vor diesem Hintergrund war jetzt eine Modernisierung dringend notwendig. Das Projekt wurde seit eineinhalb Jahren minu­tiös und generalstabsmäßig geplant, um die Stillstandszeit so kurz wie möglich zu halten. Das Projektteam hat den reichen Erfahrungsschatz früherer Neuzustellungen genutzt, um vorauszuplanen, Arbeitsabläufe zu optimieren und eine Reihe von Arbeiten – beispielsweise an den Nebenaggregaten – schon vor der eigentlichen Stilllegung bei laufender Produktion zu beginnen oder abzuschließen.

Viele Arbeitsplätze bei Partnerfirmen

Der Hochofen Schwelgern 2 bietet rund 550 Arbeitsplätze für Mitarbeiter von ThyssenKrupp Steel Europe. Hinzu kommt ein Mehrfaches an Arbeitsplätzen bei Partnerfirmen für Dienstleistungen im Umfeld. „Mit der Neuzustellung des Hochofens 2 bringen wir ein weiteres Kern­aggregat in unserer Produktionskette auf den neuesten technischen Stand“, betont Dr. Herbert Eichelkraut, Vorstand von ThyssenKrupp Steel Europe. „Das ist eine Investition in die Zukunft und ein gutes Zeichen für den Standort Duisburg und unsere Mitarbeiter.

Handelsblatt/hp

08.10.2014 | 09:56

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