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Überraschend viele wollen länger arbeiten

Die Diskussion um den Einstieg in die Flexi-Rente hat begonnen / Im Herbst will die Große Koalition entscheiden / Umfragen zeigen erstaunliche Einstellungen der Deutschen.

Die Pläne zu einer Flexibilisierung des Renteneintritts (Flexi-Rente) entsprechen den Wünschen großer Bevölkerungsteile. Jeder Fünfte (19,7 %) der über 60-Jährigen kann sich vorstellen, länger zu arbeiten, als es das gesetzliche Renteneintrittsalter vorsieht. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Befragung des Instituts für Demoskopie Allensbach. Damit ist die Bereitschaft zur Längerarbeit unter den Deutschen größer als bislang angenommen. Selbst die anfangs kritische Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles verspricht nunmehr: „Wer fit ist und das möchte, soll auch über das gesetzliche Rentenalter hinaus arbeiten dürfen. Wir werden damit die Rente den veränderten Lebensverhältnissen anpassen.“

Schlechte Noten bekommt Nahles freilich für ihre bisherige Rentenreform. Zwei Drittel (66 %) der Deutschen meinen, dass die jetzigen Rentenpläne der Bundesregierung die jüngere Generation benachteiligen. Bei den Unter-30-Jährigen gehen sogar mehr als drei Viertel (76 %) davon aus, dass das Rentenpaket sie benachteilige. Das Institut für Demoskopie registriert damit eine wachsende Kritik an der unzureichenden Berücksichtigung der Interessen der jüngeren Gene­ration. In der Umfrage beklagen 56 %, dass Lasten und Ansprüche im Rentensystem nicht gerecht zwischen den verschiedenen Generationen verteilt seien. Nur eine kleine Minderheit von 18 % hält unser Rentensystem derzeit für generationengerecht.

Weitgehend unstrittig ist, dass der demografische Wandel einen Umbau des Rentensystems erfordert. Nur 9 % halten diesen für nicht notwendig (für notwendig: 76 %). Nach wie vor rechnet ­ei­ne Mehrheit (53 %) der Deutschen damit, dass die Sozialleistungen in Zukunft eingeschränkt werden. Eine überwältigende Mehrheit (79 %) der Bürger glaubt daher, dass die jüngere Gene­ra­ti­on von heute später eine niedrigere Rente erhalten wird als heutige Rentner. Eine vergleichbare Rente erwarten 9 %, eine höhere nur 2 %.

Fragt man die Deutschen nach den Auswirkungen des Renten­pakets insgesamt, ergibt sich ebenfalls ein skeptisches Bild. Nur ein kleiner Teil (14 %) der Bevölkerung erwartet, vom Ren­­ten­paket zu profitieren. Die Mehrheit erwartet keine (45 %) oder ne­gative (25 %) Auswirkungen auf die eigene Situation. Die Mehrheit glaubt, dass das Rentensystem durch das Rentenpaket insgesamt belastet wird. Nur 13 % erwarten keine negativen Auswirkungen und lediglich 11 % mei­nen, das Rentenpaket würde das Rentensystem langfristig stabilisieren.

Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, sieht die bisherige Rentenreform der Großen Koalition sogar als „verheerendes Signal“: „Deutschland war in den vergangenen 15 Jahren höchst erfolgreich bei der Beteiligung Älterer am Erwerbsleben, mittlerweile haben wir eine der höchsten Erwerbsquoten Älterer in der OECD. Hier macht die Koalition etwas völlig Rückwärtsgewandtes, das dem demografischen Wandel zuwiderläuft. Das wird auch im Ausland stark beachtet, und es fällt schwer, von anderen Reformen zu verlangen, während wir unsere zurückdrehen.“

Wahre Kosten müssen offengelegt werden

Hubertus Pellengahr, Geschäftsführer der Initiative Neue So­ziale Marktwirtschaft, meint: „Die Bundesregierung sollte endlich die wahren Kosten des Rentenpakets für Beitragszahler und Rentner offenlegen und sich wieder an den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft orientieren, um das Rentensystem zukunftsfest zu machen. Die Bevölkerung will mehr Generationengerechtigkeit. Die Rente mit 63 und die Mütterrente bewirken das Gegenteil.“

Gleichwohl erhoffen sich zahlreiche Wirtschaftsforscher und Verbände nun von der Flexi-Rente eine gewisse Korrektur. Damit würde Deutschland als Ganzes gestärkt, die Sozialsysteme würden entlastet und vielleicht sogar ein zweiter Agendaschub ausgelöst, heißt es bei den Mittelstandsvereinigungen. Die konsequente Öffnung der Altersgrenzen brächte die Chance mit sich, dass Deutschland den Fleiß seiner Bevölkerung intelligenter mobilisiert, meint der BDI. Bislang würden Millionen von sehr erfahrenen und hoch motivierten Alten ohne Not in Rente geschickt und damit enorme Poten­ziale von Wissen und Tatkraft vergeudet. Gerade in Zeiten akuten Fachkräftemangels sei es keinem vernünftigen Menschen zu erklären, wieso es ein engagierter Ingenieur verboten bekommt, länger zu arbeiten, als der staatliche Stichtag das vorschreibt.

19.07.2014 | 10:07

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