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Umbruch auf den Auslandsmärkten

US-chinesischer Handelskrieg, Brexit, Seidenstraße: Welche Auswirkungen hat das auf den Mittelstand? Interview mit Michael Reuther, Vorstand der Commerzbank

WirtschaftsKurier: US-chinesischer Handelskrieg, Brexit, Seidenstraße, Exportrisiken: Die internationalen Märkte erfahren derzeit starke Umbrüche. Wirkt sich das auch auf die Absatzmärkte der deutschen Mittelständler aus?

Michael Reuther: Ja, die zunehmenden geopolitischen Turbulenzen, aber auch die Schuldenkrisen einzelner Länder beeinflussen das Gefüge traditioneller Handelspartner – und damit auch der Absatzmärkte. Denn jeder zweite Mittelständler handelt direkt mit dem Ausland. Das Risikomanagement hat somit deutlich an Bedeutung gewonnen, denn fast die Hälfte der befragten Unternehmen bewertet die zunehmenden Handelskonflikte als negativ für die Geschäftstätigkeit. Doch Patentrezepte für eine optimale Strategie gibt es nicht, denn das richtige Handeln hängt zu sehr von Größe und Auslandsaktivitäten der Unternehmen ab. Unsere Studie zeigt, dass exportierende Unternehmen aktuell fast durchweg in den Euroraum absetzen. Für 37 Prozent ist auch die Schweiz ein wichtiger Absatzmarkt. Daneben werden auch Länder mit schwierigen wirtschaftspolitischen Bedingungen von den Unternehmen als Absatzmärkte genutzt. Dazu zählen beispielsweise Großbritannien mit 29 Prozent, Russland mit 18 Prozent oder Brasilien mit 12 Prozent.

Führen die Turbulenzen zu einer Abkehr von bisherigen Handelspartnern?

Zu einer Abkehr nicht unbedingt, allerdings führt die aktuelle Ist-Situation dazu, dass sich das Vertrauen in die Handelspartner verändert. Bisher als verlässlich geltende Länder rutschen im Ranking der Handelspartner nach hinten. Nur noch acht Prozent der Unternehmen schätzen beispielsweise die Rahmenbedingungen in Großbritannien positiv ein. Auch Italien schätzen nur elf Prozent als verlässlich ein. Die traditionellen Handelspartner machen somit Platz für aufstrebende Volkswirtschaften. Ein Beispiel hierfür ist China: 30 Prozent der befragten Unternehmen beurteilen die Rahmenbedingungen als sehr gut oder gut. Damit ist China das Land mit den drittbesten Rahmenbedingungen. Die besten Rahmenbedingungen sehen 65 Prozent der Mittelständler allerdings im eigenen Land.

Spüren denn die Mittelständler bereits die Auswirkung  von zunehmenden Handelsbarrieren?

Zunehmende Handelsbarrieren sind definitiv ein Thema bei den Unternehmen. Unsere Studie zeigt, dass 37 Prozent der Unternehmen mit zunehmenden Barrieren in bestehende Auslandsmärkte rechnen. Starke Exportbranchen wie zum Beispiel der Maschinenbau oder die Chemie- und Pharmaindustrie befürchten sogar zu knapp zwei Dritteln zunehmende Handelsbarrieren. Damit einher geht auch, dass 47 Prozent der Unternehmen in den nächsten ein bis zwei Jahren mit globalen Handelskonflikten rechnen.

International also keine leichten Zeiten für den Mittelstand. Ist die Konsequenz davon weniger Internationalisierung?

Trotz solcher negativer Erwartungen zeigt sich der deutsche Mittelstand wie immer pragmatisch und passt seine Auslandsaktivitäten an die veränderten Rahmenbedingungen an. Die Herangehensweise der Unternehmen ist dabei aber von ihrer jeweiligen Größe abhängig: Größere Unternehmen mit einem Umsatz von über 100 Millionen Euro zieht es zu neuen Ufern: Knapp zwei Drittel erschließen neue Auslandsmärkte. 40 Prozent orientieren sich in Richtung Schwellenländer. Der kleine Mittelstand konzentriert sich derweil auf Altbewährtes: 50 Prozent der Unternehmen geben an, sich stärker auf den deutschen Markt zu fokussieren. Für 44 Prozent steht darüber hinaus der europäische Binnenmarkt im Fokus.

Der Aufbau einer Auslandspräsenz braucht einen langen Vorlauf. Stellen Sie eine Veränderung bei der Auswahl der Märkte fest?

Ja. Befragt man alle exportierenden Unternehmen nach potenziellen neuen Märkten, werden am häufigsten Länder in Übersee wie Indien und die USA genannt. Innerhalb Europas sind Polen und Frankreich attraktive Auslandsmärkte, im asiatischen Raum orientieren sich die Unternehmen nach China.

Neben geopolitischen Unruhen sehen sich Unternehmen im Auslandsgeschäft auch mit industriellen Krisen konfrontiert, wie beispiels-weise dem Dieselskandal. Inwiefern betreffen diese die Mittelständler, die häufig Zulieferer sind?

Inwieweit der Dieselskandal den mittelständischen Unternehmen bereits geschadet hat, haben wir in unserer Studie nicht abgefragt. Was wir aber sagen können, ist, dass der Dieselskandal eines von mehreren wirtschaftlichen Ereignissen ist, das negative Auswirkungen auf die Weltmärkte hat. Insgesamt rechnen 45 Prozent der Unternehmen damit, dass sich der Dieselskandal in den nächsten ein bis zwei Jahren negativ auf ihr Geschäft auswirken wird.

Bedeutet auf der anderen Seite der Hochlauf der Elektro-mobilität neue Chancen für den Mittelstand im Ausland?

Die Chancen durch Elektro-mobilität haben wir nicht erhoben. Die Studie zeigt aber, dass in der Geschäftsstrategie der Unternehmen die Intensivierung von Innovationsmöglichkeiten eine große Rolle spielt. Bei kleineren Unternehmen mit einem Umsatz von zwei bis 15 Millionen Euro Umsatz sagen das rund zwei Drittel (67 Prozent), bei Unternehmen mit einem Umsatz von über 100 Millionen Euro ist dieser Anteil noch höher. Hier setzen drei Viertel der Unternehmen auf neue Innovationen.

Welche Faktoren begünstigen die Internationalisierung des Mittelstands?

Am stärksten erscheint hier die hohe Wettbewerbsfähigkeit deutscher Produkte. Über 80 Prozent der Unternehmen heben diese als wichtigsten Faktor hervor. Aber auch digitale und wirtschaftliche Rahmenbedingungen spielen eine große Rolle: 78 Prozent der Unternehmen sehen in der Digitalisierung eine Erleichterung internationaler Geschäftsbeziehungen. 73 Prozent verweisen auf die derzeit günstigen finanziellen Rahmenbedingungen.

Daneben zeigt sich bereits das Wirken neuer Technologien auf die Internationalisierung. Ein Beispiel ist der zunehmende Fokus auf Blockchain-Technologien. Schon knapp ein Drittel der Unternehmen sieht hier Potenziale, den internationalen Handel einfacher und sicherer zu machen.

Wo sind die größten Hürden für exportorientierte Unternehmen?

Über drei Viertel der exportierenden Unternehmen haben mit bürokratischen Anforderungen zu kämpfen. Daneben sind aber auch die fehlenden Fachkräfte sowie politische Unberechenbarkeit oder Instabilitäten im Ausland für viele ein Thema. Preisschwankungen bei Rohstoffen und anderen Vorleistungsgütern sowie Einfuhrzölle empfindet mehr als die Hälfte der Unternehmen als Hindernisse im Auslandsgeschäft.

Welche Barrieren sollte die Politik stärker adressieren?

Die Politik muss insbesondere bei industriepolitischen Fragen stärker aktiv werden, um die Unternehmen bei ihrer Expan-sion wirkungsvoll zu unterstützen (86 Prozent). Ebenfalls 86 Prozent der Unternehmen fordern mehr Einsatz von der Politik bei der Sicherung von Patenten und anderen Schutzrechten im Ausland. Außerdem sind die Aufrecht-erhaltung und der Ausbau von guten Wirtschaftsbeziehungen mit bestehenden und neuen Märkten von essenzieller Bedeutung für die Unternehmen.

Wo können Bankpartner die Mittelständler unterstützen?

Banken sind besonders bei operativen Themen gefragt: Dazu zählt für 52 Prozent der Unternehmen die kundenorientierte Umsetzung von regulatorischen Vorschriften. Die Beurteilung von Risiken internationaler Geschäfte ist für 47 Prozent von großer Bedeutung, während jeweils 45 Prozent der Unternehmen sich Unterstützung bei der Bereitstellung von Informationen über Auslandsmärkte und Geschwindigkeit in der Abwicklung wünschen. Diese Art von Kundenorientierung ist Teil unserer Unternehmenskultur als Bank. Denn wir kennen die Themen des Mittelstands seit vielen Jahrzehnten: Währungsunsicher-heiten, Ausfallrisiken, aber auch bürokratische Hürden räumen wir für unsere Kunden aus dem Weg. Die Mittelständler erwarten aber auch eine auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Beratung: 38 Prozent der Unternehmen erhoffen sich von ihren Banken Unterstützung bei der Entwicklung individueller Lösungen für schwierige Länder. Ein Verständnis von den jeweiligen internationalen Geschäftsstrategien erwarten 37 Prozent.

Mit welchen Finanzinstrumenten können Mittelständler die Risiken des Auslandsgeschäfts begrenzen?

Im Finanzmanagement stehen Instrumente zur Absicherung von finanziellen Risiken zur Verfügung. Große Unternehmen (Jahresumsatz über 100 Millionen Euro) nutzen diese deutlich häufiger als der kleine Mittelstand (67 Prozent versus 48 Prozent). Daneben hat die Studie gezeigt, dass Instrumente zur Absicherung von Zinsrisiken und zur Absicherung von Währungsrisiken nachgefragt werden. Aber auch diese werden bevorzugt von großen Unternehmen eingesetzt.

Die Fragen stellte Elwine Happ-Frank

29.06.2019 | 10:23

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