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Karrierealle Jobs


Ungeimpfte rutschen in Hartz IV - der Staat zahlt

Wer sich nicht impfen lassen will und ohne Job dasteht, findet auch oft keinen, weil Arbeitgeber Impfausweise, Tests oder Genesungsnachweise sehen möchten. Arbeitslosengeld erhalten die Betroffenen trotzdem. Sanktionen lässt das Arbeitsrecht nicht zu. Die Behördenleiter sind genervt.

Ungeimpfte Menschen auf Arbeitssuche machen Arbeitsagenturen ratlos. Dabei ist das Muster stets ähnlich: Menschen, die ohne Arbeit und ohne Corona-Impfnachweis im Jobcenter landen, erhalten die Adressen möglicher neuer Arbeitgeber. Fordern die aber einen negativen Coronatest, einen Impfnachweis oder den Nachweis einer überstandenen Corona-Erkrankung und der Kandidat kann nichts davon vorweisen, landet er eher in den Akten statt auf der neuen Stelle. Ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld behalten Impfgegner dennoch. Auch das umgangssprachlich Hartz IV genannte Arbeitslosengeld II steht ihnen weiter zu.

Das Problem verschärft sich derzeit. „Wir haben dagegen keine rechtliche Handhabe. Der Grund ist, dass es keine allgemeine Test- oder Impfpflicht in Deutschland gibt, auf deren Basis man Impfverweigerer sanktionieren dürfte“, berichtet der deutlich genervte Geschäftsführer einer Arbeitsagentur im Westen Deutschlands.

Die Rechtslage ist komplex. Grundsätzlich muss, wer Arbeitslosengeld II bekommen will, dafür Auflagen erfüllen. Die Bezieher müssen versuchen, eine Arbeit zu finden und den Vorgaben der Arbeitsagentur, die ihnen entsprechende Stellen anbietet, folgen. Wer gegen bestimmte Pflichten zur ernsthaften Arbeitssuche verstößt, muss nach dem Sozialgesetzbuch mit Leistungskürzungen rechnen.

Impfgegner haben dennoch leichtes Spiel. Denn die Arbeitgeberseite hat bis auf wenige Ausnahmen etwa im Pflegebereich kein Recht auf Test oder Impfung als Einstellungsvoraussetzung. Impfgegner werden deswegen offiziell nicht wegen ihrer Weigerung, sich impfen zu lassen, abgelehnt, sondern es werden andere Gründe wie eine ungenügende Qualifizierung vorgeschoben. Eine andere Variante: Impfgegner bewerben sich so fehlerhaft, dass ein potenzieller Arbeitgeber auf eine Einstellung verzichtet.

Auch bis zur Nürnberger Bundesagentur für Arbeit hat sich das Problem herumgesprochen. Auf Anfrage teilt die Bundesagentur mit: „Derzeit gibt es keine allgemeine Impfpflicht, insofern ist es eine arbeitsrechtliche Frage, inwiefern der Arbeitgeber eine Impfung als Bedingung für eine Anstellung knüpfen kann. Auch beim Testangebot des Arbeitgebers besteht keine generelle Pflicht vonseiten der Beschäftigten, das Angebot anzunehmen.“ Deswegen können Menschen, die sich weder impfen, noch testen lassen wollten, nicht vom Bezug des Arbeitslosengelds ausgenommen werden. Das Gleiche gilt für Selbstständige, die in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben. Wenn ihnen die Kunden abhandenkommen, weil die nicht mit ungeimpften Menschen, die weder genesen noch getestet sind, zusammenarbeiten wollen, erhalten auch sie weiter finanzielle Unterstützung von der Arbeitsagentur.

Derzeit beziehen rund 3,9 Millionen Menschen in Deutschland Arbeitslosengeld II, in der Regel sind das 446 Euro im Monat. Die Zahl, die in den vergangenen drei Jahren in etwa stagnierte, dürfte vor dem Hintergrund der aktuellen Situation wieder zunehmen. Eine Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung hat ergeben, dass gerade unter den Geringverdienern die Impfzurückhaltung besonders groß ist: Nur 49 Prozent der Befragten dieser Gruppe geben derzeit an, zumindest ihre erste Impfdosis erhalten zu haben, verglichen mit 71 Prozent unter Besserverdienenden. Ein Grund dafür ist möglicherweise ein schwierigerer Zugang zu Impfungen.

Anke Henrich

16.09.2021 | 11:15

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