Unternehmen mit Gottes Segen
ESG-Kriterien sind für christliche Unternehmer nichts Neues. Aber zu wenige Christen bringen sich als Manager in die Wirtschaft ein. Unternehmer und Politiker appellieren: Ändert das!
Tue Gutes und rede darüber? „Das ist für viele christliche Unternehmen wirklich doppelt blöd“, sagt Peter Leibinger, halb im Scherz, halb im Ernst. Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Maschinenbauers Trumpf bringt das christliche Dilemma so auf den Punkt. „Was heute ESG-Kriterien heißt, leben solche Familienunternehmen seit Generationen. Aber weil sie Bescheidenheit praktizieren, wollen sie das keinesfalls wie eine Monstranz vor sich hertragen.“
Von gelebten christlichen Werten profitieren Unternehmen wirtschaftlich: Führungskräfte durch ein klares Wertesystem, Mitarbeiter durch gelebte Wertschätzung, die Gesellschaft drumherum durch einen zuverlässigen Partner und Arbeitgeber. Aber wie weit reicht die Strahlkraft? Darüber diskutierten evangelische Manager und Managerinnen auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel am Tegernsee.
Christliche Werte als Gewinn
„Was kommt nach dem Gewinn?“ Die Sinnfrage stellen sich Stephanie Renda, Mitgründerin von Moinland, auch in der Berliner Start-up-Szene vielen Gründern. „Aber die Antwort lautet für viele nicht mehr: Kirche“, stellt sie enttäuscht fest. Es gebe also Handlungsbedarf. Aus ihrer Sicht vergrößert der Konsens über christliche Werte ihr tägliches Leben enorm. „Mein Gründerpartner teilt diese Werte und das macht es viel einfacher für uns beide: Wir müssen viele Fragen gar nicht verhandeln, wir stehen auf derselben Seite.“
Die gesellschaftliche Anforderung an christliche Unternehmer und Unternehmerinnen liegt hoch. Peter Barrenstein, der Vorsitzende des Kuratoriums des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer in Deutschland, hält das für berechtigt. Auch in diesem Sinne dürfte der ehemalige Direktor bei McKinsey und Multi-Aufsichtsrat in seinem Berufsleben einige schwierige Situationen zu meistern gehabt haben.
Glaube schenkt Managern Hoffnung
Heute zieht Barrenstein, Jahrgang 1950, einen dreiteiligen Schluss: „Es gibt nicht per se eine christliche Unternehmensführung, es hängt immer am Menschen. Aber von Christen erwarte ich zum Beispiel, dass sie die Spielräume der Legitimität nicht ausreizen. Aus der Überzeugung ihres breiten Menschenbildes als Christen sollten sie Mitarbeiter entwickeln und halten, Beruf und Berufung leben.“
Das sind hohe Ansprüche, aber sein dritter Punkt gibt den nötigen Rückhalt. „Der Glaube schenkt Führungskräften mit seiner Hoffnung, Vertrauen und Jesus Christus als Vorbild ein hohes Maß an Resilienz.“ Verbunden damit ist der Gedanke der Demut. „Ein Christ kann einen Schritt zurücktreten und anerkennen: Erfolg kann ein Geschenk sein, das im Team erarbeitet wurde und vielleicht auch Hilfe von oben bekommen hat.“ Die Freiheit des Christenmenschen bedeute für Christen in schlechten Zeiten die Gewissheit: Auch für Unternehmer gebe es nach einer Niederlage die Wiederauferstehung.
Die frohe Botschaft für Unternehmen
Eine frohe Botschaft, aber noch selten sichtbar. Auch deshalb appellierte Nicola Beer, Vizepräsidentin des EU-Parlaments und FDP-Politikerin, leidenschaftlich aus dem Auditorium heraus an die versammelten Unternehmer. „Werben Sie für Ihren Glauben! Unsere Gesellschaft wird immer aggressiver und viele Menschen ziehen sich ins Private zurück. Gerade jetzt müssen sich Christen einbringen und die Diskussion suchen.“ Auch wenn’s weh tut.
Wie schnell der Einsatz für christliche Werte als missionarischer Einsatz verspottet oder gar ‚verboten’ wird, habe sie selbst oft genug erlebt. „Ich weiß, wie unangenehm sich das anfühlt. Mir wurde gesagt: Als Politikerin kannst du dich nicht gleichzeitig für die Kirche engagieren. Kirche sei für Privatleute.“ Beer scheint das nicht gebremst zu haben. Beer ist nicht nur Vizepräsidentin der EU-Parlaments, sondern auch Mitglied im Präsidium des Evangelischen Kirchtages.
Befruchtender Dialog fehlt
Auch Peter Leidiger vermisst den beidseitig befruchtenden Dialog zwischen Kirchgängern, Kulturschaffenden, Wissenschaftlern und Unternehmern. „Die Eliten fallen auseinander. Wir reden nur noch in unseren Blasen.“ Wer, wenn nicht Unternehmer, könnten ihre Häuser öffnen und zum Abendessen einladen? „Bringen Sie diese Leute aus Ihrer Stadt, ihrer Region an einen Tisch. Geben Sie einem Künstler die Plattform, dort 30 Minuten ein Projekt vorstellen zu können und Sie werden sehen: Daraus entwickeln sich Gespräche, die sind viel spannender als lauter Leute aus der Wirtschaft untereinander.“
Offene Türen sind das eine. Doch auch für Christen müsse Toleranz Grenzen haben, da sind sich Leibinger, Barrenstein und Renda einig. Das gelte auch im Business. „Auch wenn subtile Korruption in manchen Staaten nicht unüblich ist: Solche Geschäfte habe ich nicht gemacht, auch nicht, wenn es einen lukrativen Auftrag gekostet hat“, sagt Barrenstein.
04.05.2023 | 16:56