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Viele Betriebe geben auf: So trifft Deutschland der Taxischwund

Nach dem Fest oder einem netten Disco-Abend mit dem Taxi nach Hause: Für viele gehört das zur Lebensqualität, gerade wenn man auch mal ein Bier oder Glas Wein trinken will. Doch zuletzt sank die Zahl der Taxifahrer dramatisch. Auf dem Land geht oft nichts mehr. 

Von Thorsten Giersch

Die Sommerzeit ist auch die Zeit der Volksfeste. Vom Tanz in den Mai über all die Schützenfeste bis zum letzten Kinoabend unter freiem Himmel stellt sich für Millionen Menschen in diesen Wochen mehr denn je die Frage der Logistik: Wie komme ich zurück nach Hause, wenn ich nicht selbst fahren kann oder möchte? Jenseits der großen Metropolen gibt es zu später Stunde keinen pragmatisch nutzbaren öffentlichen Nahverkehr. Fürs Fahrrad ist es entweder zu weit und der Alkoholgehalt im Blut zu hoch. Da hieß es jahrelang: sich hinbringen lassen und mit dem Taxi zurück.

Doch genau das geht in immer mehr Orten nicht mehr. In Deutschland hat ein Taxisterben eingesetzt, das in dieser Heftigkeit selbst Fachleute überrascht. Laut der zur Verfügung stehenden Zahlen vom Statistischen Bundesamt sank die Zahl der Taxibetriebe von 23.164 im Jahr 2019 auf 16.900 im Jahr 2021. Daten für 2022 gibt es noch nicht, aber der Trend dürfte sich fortgesetzt haben.

Taxiunternehmen in kleinen und selbst mittelgroßen Städten von teilweise mehr als 25.000 Einwohnern geben auf. Der Betrieb verbrannte zuletzt nur noch Geld. Landauf, landab heißt es: Das Geschäfts¬mo¬dell Taxi auf dem Land hat seine Existenz¬grund¬la¬ge verlo¬ren. Das gilt beileibe nicht nur in abgelegenen Regionen, sondern selbst dort, wo mehr hin- als wegziehen und die Immobilienpreise munter steigen. Für all die sorgt das Taxisterben auf dem Land für einen Verlust an Lebensqualität.
Die Lockdowns in der Corona-Pandemie haben die Taxibranche hart getroffen. Viele sind finanziell angeschlagen, die Polster aufgebraucht. Und genau jetzt kommen einige Trends zusammen und türmen sich zu einem Supersturm für die Branche auf: Geschäftsreisende gibt es wieder – wenn auch nicht in der Zahl wie vor der Pandemie. Zweitens gibt es gerade in den Großstädten für die Taxiunternehmen neue Konkurrenz: In Städten wie Hamburg tourt Moia umher, von Plattformen wie Uber oder Bolt ganz zu schweigen.

Solche Fahrdienstleister Apps gibt es jenseits der Metropolen praktisch nicht. Auch Nachtbusse sind selten eine Alternative. Auf dem Land hat die Taxibranche noch ein anderes Problem: mal abgesehen von den Krankenfahrten sind die nächtlichen Touren von Feiernden der wesentliche Erlösbringer. Die Taxibranche braucht volle Bars, die nachts irgendwann jene Menschen ausspucken, die irgendwie nach Hause kommen müssen. Die Zahl der Disko¬the¬ken hat sich bundes¬weit in den letzten zehn Jahren aber halbiert. Zudem bilden junge Fahrerinnen und Fahrer immer häufiger Fahrgemeinschaften, wenn sie sich nicht ohnehin zu Hause treffen, was immer häufiger der Fall. Die Inflation hat auch das Ausgehen erheblich verteuert.

Nicht zuletzt müssen auch die Taxiun¬ter¬neh¬men mit gestiegenen Kosten klarkom¬men. Die Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro im Oktober 2022 hat die Branche genauso getroffen wie die hohen Energiepreise. Die Kosten gaben Sie an die Fahrgäste weiter, was wiederrum zu sinkender Nachfrage führte. Der Personalmangel, über den sonst fast jede Branche klagt, ist dagegen nur am Rande ein Problem. Lediglich für die Nachtschichten beklagen einige Taxi-Unternehmer Engpässe.

Wie viele Ortschaften in Deutschland genau ohne Taxiunternehmen dastehen, wird nicht exakt ermittelt. In Nieder¬sach-sen fiel zwischen 2016 und 2020 die Zahl der Taxiun¬ter¬neh¬men um 43 Prozent, in Mecklen¬burg-Vorpom¬mern sogar um 48 Prozent. Auch in Branden¬burg und Berlin gibt es jedes fünfte Taxiunternehmen nicht mehr. Die Tendenz ist klar: Es werden immer weniger. Und da das selbstfahrende Auto noch Zukunftsmusik ist, bricht jenseits der Großstädte wohl mehr denn je der Blues aus. Einige fordern, dass der Staat die Branche unterstützt. Aber die Subventionierung von Taxifahrten dürfte politisch weit weniger vermittelbar sein als der Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel.

Noch gibt es keine Belege, ob es in den Orten ohne Taxiunternehmen zu mehr Alkoholfahrten im privaten PKW kommt – oder auf Fahrrädern. Denkbar wäre eine Zunahme. Gerade eBikes und vor allem Pedelecs sorgten zuletzt für mehr Rad-Unfälle. Am Ende bleibt den Menschen wohl nur übrig, Fahrgemeinschaften zu bilden, in denen eine oder einer nüchtern bleibt. Für Gesundheit und Geldbeutel wäre das allemal gut. Man kann auch ohne Alkohol Spaß haben – ein Spruch, der für die Taxibranche bis heute geschäftsschädigend ist, aber gerade durch ihren Niedergang zum neuen Mantra wird.

27.07.2023 | 17:14

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