Michael Bohmeyer, Initiator des Vereins "Mein Grundeinkommen", steht an einem symbolischen Geldautomaten, im Hintergrund das Reichstagsgebäude (Bild: picture alliance/dpa | Jörg Ratzsch).



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Vier Gründe, warum ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht funktioniert

Linke Politiker, Paradiesträumer und reiche Gönner aus der Wirtschaft propagieren immer wieder Initiativen für ein dauerhaftes Bürgergeldgeschenk vom Staat. Nun startet in Deutschland ein wissenschaftliches Pilotprojekt, bei dem jeder 1200 Euro im Monat bekommt. Doch es gibt gute Gründe, warum die Idee bisher nirgends auf der Welt realisiert worden ist
 
Monatlich 1.200 Euro extra – und das ganz ohne Gegenleistung. Was macht das mit den Menschen? Verführt das zum Faulenzen? Motiviert das Geld dazu, ein Unternehmen zu gründen? Nimmt es Ängste? Oder erhöht es bloß das Sparkonto? Könnte man sich damit nicht das bürokratische und teure Sozialsystem sparen? Das will ein Pilotprojekt zum bedingungslosen Grundeinkommen herausfinden, das nun gestartet ist. Seit dem 1. Juni erhalten 122 glückliche Teilnehmer aus ganz Deutschland monatlich 1.200 Euro – für insgesamt drei Jahre. Initiatoren der Langzeitstudie sind das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin und der Verein „Mein Grundeinkommen“. Private Spenden von rund 181.000 Deutschen finanzieren die Studie. Das soll ihre politische Unabhängigkeit garantieren. Bereits im letzten Jahr hatten die Initiatoren zur Teilnahme aufgerufen. Mehr als zwei Millionen Menschen bewarben sich online für das Projekt. Das Interesse an einem geschenkten Bürgergeld ist also groß.
 
Während CDU, CSU, SPD und FDP die Idee ablehnen, gibt es bei Grünen und Linken Sympathie für das Konzept. Die Idee hat zudem prominente Befürworter vom Gründer der dm Drogeriemarkt-Kette Götz Werner bis zum linken Philosophen David Precht oder dem Ex-Siemens-Chef Joe Kaeser. Aber auch der liberale Wirtschaftsnobelpreisträger und kapitalistische Vordenker Milton Fridman zeigte sich offen für Idee einer „negativen Einkommenssteuer“. Gewerkschaften und die Bundesagentur für Arbeit sind hingegen kritisch.
 
Es gibt vier gute Gründe, warum das auf den ersten Blick so reizvolle „Bürgergeld“ nicht wirklich funktionieren kann. Trotz zahlreicher Feldversuche und Testprojekte von Finnland bis Namibia ist das bedingungslos Grundeinkommen bisher nirgends eingeführt worden. Es gibt vier gute Gründe, warum das auf den ersten Blick so reizvolle „Bürgergeld“ nicht wirklich funktionieren kann.
 
Erstens ist ein Bürgergeld teuer. Bei 1200 Euro im Monat und 83 Millionen Deutschen würde das Staastgeschenk 100 Milliarden Euro im Monat ausmachen - im Jahr käme auf die Republik also 1,2 Billionen Euro an Belastung zu. Das ist mehr als doppelt so viel wie der gesamte bisherige Bundeshaushalt. Selbst wenn man die 46 Millionen Lohn- und Einkommenssteuerzahler aus dem Anspruch herausnehmen würde (weil die ihre Existenz ja selbst verdienen), müsste man immer noch 518 Milliarden jedes Jahr aufbringen. Selbst wenn man es auf eine kleine Gruppen der Ärmsten beschränken würde, kamen viele Milliarden zusammen. Das Bürgergeld würde dann sofort politisiert , wer denn berechtigt sei und wie hoch es denn ausfallen solle. Ein Überbietungswettwerb von Parteien für Wahlgeschenke wäre die Folge - wie beim Mindestlohn. Die Staatsfinanzen gerieten in dem Fall aus dem Ruder.
 
Zweitens ist ein Bürgergeld ungerecht. Da die gewaltigen Kosten für ein generelles Bürgergeld unrealistisch sind, müsste man es anstatt allen nur einzelne Gruppen zukommen lassen. Das aber führt immer dazu, dass eine Gruppe der Steuerzahler für eine andere Gruppe von Bürgergeldempfängern die Zeche zahlen muss. Ausgerechnet diejenigen, die ordentlich Steuern und Sozialabgaben abführen, wären die Leidtragenden. Der SPD-Politiker Ralf Stegner brachte das einmal auf den Punkt: „Ich will nicht die Pflegerin im Schichtdienst mit ihren Steuern dafür zahlen lassen, dass ein Star-Jurist einen netten öffentlichen Zuschuss für den nächsten Luxus-Urlaub bekommt.“ Andrea Nahles (SPD) fasste die Bürgergeld-Debatte in ihrer Partei so zusammen: „Die SPD steht für ein Recht auf Arbeit – und nicht für bezahltes Nichtstun.“
 
Drittens sorgt ein Bürgergeld für falsche Anreize. Es wirkt wie langfristig wie ein Faulheitsbonus in der Gesellschaft. Bei Gewerkschaften und der Bundesagentur für Arbeit wird vor einer "Stillhalteprämie" oder „Abstellprämie“ für Menschen gewarnt, die sich dann kaum Perspektiven der Erwerbsarbeit eröffnen. Wer ein Bürgergeld bekomme und nebenbei ein wenig schwarz arbeite, hätte keine Motivation mehr, ins geregelte Arbeitsleben einzusteigen. Gerade sozial Schwache würden sich dann endgültig aus der Arbeitsgesellschaft zurückziehen. Der Wirtschaftswissenschaftler und Ex-Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen Heiner Flassbeck meint, mit dem bedingungslosen Grundeinkommen werde „eine sinnlose Umverteilungsmaschine in Gang gesetzt“. Bei der CDU weist man zudem darauf hin, dass das Leistungsprinzip der Gesellschaft damit verraten würde. „Ich halte das bedingungslose Grundeinkommen für das falsche Zeichen. Es muss einen Zusammenhang geben zwischen Leistung und dem, was man bekommt,“ meint die Ex-CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer.
 
Viertens würde ein bedingungsloses Grundeinkommen eine massive Zuwanderung nach Deutschland auslösen. Ein an den Hauptwohnsitz gebundenes Bürgergeld hätte gewaltige Attraktivität schon auf viele Menschen in anderen EU-Staaten, für die Freizügigkeit gilt. Man müsste Einwanderungsströme erwarten. Schon heute ist ein Sogeffekt der hohen deutschen Sozialleistungen zu beobachten. Die Zahl ausländischer Hartz-IV-Empfänger ist in den vergangene Jahren deutlich gestiegen. Nach der Statistik der Bundesagentur für Arbeit gehören zu den „Regelleistungsberechtigten“ inzwischen rund 2 Millionen Ausländer. Es war Angela Merkel, die für offene Grenzen, für ein humanitäres Land und für  gezielte Fachkräftezuwanderung wirbt, aber frühzeitig vor einer „Einwanderung in die Sozialsysteme“ gewarnt hat. Die Princeton-Universität hat diesen Zusammenhang inzwischen erforscht. Nach der Studie der Wissenschaftler Ole Agersnap, Amalie Jensen und Henrik Kleven sorgen großzügige Regeländerungen im Sozialsystem unmittelbar für Migration.

Wolfram Weimer

30.06.2021 | 16:04

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