Langsames Internet? Vodafone will seine Versprechen jetzt halten
Telekom-Konzerne versprechen schnelles Internet für wenig Geld. Doch häufig liefern sie weniger Leistung ab. Sich dagegen zu wehren, ist schwer. Der neue Deutschland-Chef von Vodafone hat nun einen radikalen Schwenk angekündigt: mehr Ehrlichkeit.
Stellen Sie sich vor, Sie kaufen ein Auto, und es wird nur mit zwei statt der bestellten vier Türen geliefert. Sie würden sich beschweren - und mit hoher Wahrscheinlichkeit dann das richtige Fahrzeug bekommen. Was in den allermeisten Branchen undenkbar ist, ist in der Kommunikation üblich: Anbieter wie 1&1, Telefónica, Vodafone und Deutsche Telekom versprechen Leistungen vor allem im Hinblick auf die Geschwindigkeit beim Internetzugang und viele Kunden bekommen am Ende deutlich weniger, zumindest an den meisten Tagen.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) hat bei den größten Anbietern Telekom, Vodafone, 1&1 und Telefónica die Versprechen aus den Werbebroschüren mit den Ergebnissen des Messtools der Bundesnetzagentur abgeglichen. Das Ergebnis: Egal ob Kunden eine schnelle oder langsamere Verbindung gekauft haben, in allen Bandbreitenklassen erreicht ein hoher Anteil der Nutzer nicht die Geschwindigkeit, die eigentlich geliefert werden sollte. Rund 30 Prozent der Nutzer erhalten den Messergebnissen zufolge nicht einmal die Hälfte der versprochenen Geschwindigkeit.
Kunden nicht mehr hinters Licht führen
Der neue Chef von Vodafone Deutschland lässt nun aus ich aufhorchen, weil er etwas scheinbar völlig Verrücktes macht: Er möchte den Kunden nicht mehr versprechen, als geliefert wird. Philippe Rogge heißt der Mann, der bereits am 1. Juli des vergangenen Jahres den Posten von Hannes Ametsreiter übernommen hat, dann aber abtauchte. Nun legte Rogge eine in mehrfacher Hinsicht neue Strategie vor, dich sich gerade im Hinblick auf die Kommunikation mit Kunden deutlich von der seines Vorgängers unterscheidet. Der hatte in der Öffentlichkeit Vodafone stets mit dem Wort „Giga“ in Verbindung gebracht und sich darin gefallen, schnelles Internet auf dem Mond anzukündigen.
Der Nachfolger will jetzt weniger „Giga“ und mehr Ehrlichkeit. Für Lockangebote, wo Kunden zunächst etwas kostenlos bekommen, um nachher umso mehr zu bezahlen, sei kein Platz mehr.
Der Kampf um Kunden wird von den Telekommunikationsanbietern seit jeher mit harten Bandagen geführt, die Werbung ist schrill. Gefühlt ist jeder Anbieter laut irgendwelcher Tests der mit dem besten Netz. Egal ob Festnetz oder Mobilfunk: Es wird geworben mit Höchstgeschwindigkeiten, die in der Realität allzu selten eingehalten werden. Und einer Netzabdeckung von „99 Prozent“, wo man sich angesichts der diversen Funklöcher im Alltag fragt, wie groß Deutschland eigentlich sei müsste, wenn das stimmt. Die Tarife sind ein bewusst gezüchteter Irrgarten und die Erreichbarkeit der Kommunikationsunternehmen bietet Luft nach oben.
Vertrauen wieder zurückgewinnen
All das ist bekannt, es spricht aber kaum jemand laut aus. Deswegen ist Rogges Ankündigung ein Epochenbruch. Der Belgier will von den hohen Versprechungen runter, denn „viele Leute haben das Vertrauen in uns verloren".
Man habe „zu viel versprochen und zu wenig gehalten“. Rogge verlang von seinen Leuten viel: Kunden sollen an der Service-Hotline schnellere und konkrete Hilfe bekommen, der Tarifdschungel soll gelichtet und Loyalität auf Kundenseite gewürdigt werden. Derzeit werden ja eher regelmäßige Wechsel belohnt. „Dafür müssen wir unseren moralischen Kompass neu ausrichten“, sagt er und kündigt an, dass dies eine Weile dauern dürfte. Der Strategiewechsel ist vermutlich nicht ganz freiwillig, Vodafone Deutschland steckt in einer Krise und kann neue Impulse gut gebrauchen. Probleme im Kabelnetz, viele Kündigungen, schwache Gewinnzahlen, Einstellungs- und Reisestopps für die Mitarbeiter kennzeichnen derzeit die Situation.
Die Verbraucherschützer werden die Ankündigungen gern hören, ihnen sind die unrealistischen Versprechungen der Telekommunikationskonzerne seit Jahren ein Dorn im Auge. Betroffen sind vor allem Haushalte, die abseits der gut erschlossenen Gebiete wohnen. Wer statt 150 Megabit pro Sekunde nur fünf bei sich zu Hause zählt und im Kleingedruckten des Vertrags die Formulierung "bis zu" neben den Zahlen für die versprochene Geschwindigkeit sieht, sollte nicht sofort die Flinte ins Korn werfen. Denn so einfach macht es der Gesetzgeber den Telekommunikationskonzernen schon seit Ende 2021 nicht mehr. Seitdem gilt nämlich das neue Minderungsrecht, eine Novelle des Telekommunikationsgesetzes, das auf Vorgaben der EU zurückgeht. Laut Brancheninsidern haben sich die Konzerne lange dagegen gewehrt. Inzwischen aber gilt: In bestimmten Fällen können Verbrauchen ihren monatlichen Betrag kürzen, ihn außerordentlich kündigen oder schlichtweg erzwingen, dass ihr Internet auch die zugesicherte Leistung erreicht. Trotz der klaren Regelung ist es aber gar nicht so einfach für Verbraucher, den Anbietern nachzuweisen, dass sie an dem zu langsamen Internet schuld sind.
Was Verbraucher konkret tun können
Wer das Gefühl hat, dass sein Netz zu langsam ist, sollte die Geschwindigkeit seines Internetanschlusses testen. Das geht auf verschiedenen Portalen, aber Verbraucherschützer empfehlen das Desktop-Tool der Bundesnetzagentur unter www.breitbandmessung.de/desktop-app. Denn nur das ist juristisch relevant. Die wichtigsten Parameter aller Geschwindigkeitstest sind:
· Download-Rate (Geschwindigkeit beim Herunterladen von Daten aus dem Internet)
· Upload-Rate (Geschwindigkeit beim Hochladen von Daten zum Beispiel in die Cloud)
· Paket-Laufzeit (Dauer für den Versand von Datenpaketen zu einem Ziel und zurück)
Um eine nicht vertragskonforme Leistung nachzuweisen, braucht es rund 20 Tests innerhalb von zwei Tagen, in denen die normalerweise zur Verfügung stehende Geschwindigkeit in 90 Prozent der Messungen nicht erreicht wird. Doch selbst das reicht nicht automatisch aus, um bei einer abweichenden Geschwindigkeit gegen den Anbieter vorgehen zu können. Denn eine zu niedrige Geschwindigkeit kann mehrere Gründe haben. Nicht immer liegt es an der Leitung. Auch veraltete Treiber der Netzwerkkarte, schlechter Wlan-Empfang, zu viele Cookies im Browser, falsche Router-Einstellungen, ungeeignete Kabel oder Antivirenprogramme können die Geschwindigkeit bremsen. Anbieter sind bei Festnetzanschlüssen grundsätzlich nur bis zum Netzabschlusspunkt für die Leistung verantwortlich, also in der Regel die DSL-, Glasfaser-, oder Kabel-Dose an der Wand.
Im Mobilfunk kann eine schlechte Leistung an einem defekten Endgerät liegen oder an einer fehlerhaften Konfiguration, wofür der Nutzer verantwortlich ist. Es ist also nicht so einfach wie beim Auto, wo man sofort sieht, ob es zwei oder vier Türen hat.
Thorsten Giersch
03.04.2023 | 12:24